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Thema: WHO 4, Prognosen aber wie?

WHO 4, Prognosen aber wie?
Alini
19.04.2014 01:55:02
Hallo! Ich bin 26 Jahre alt und habe am 4.2. ein Medulloblastom aus meinem Kleinhirn entfernt bekommen. Es war 2x 3 cm und ein kleiner runder Ball auf dem MRT Bild. Die Ärzte gingen von einem gutartigen Tumor aus, der leicht zu entfernen sei! Er wurde auch ganz entfernt und ich habe die OP ohne Ausfälle gut überstanden, auf dem MRT war trotz Kontrastmittel kein sichtbarer Tumorrest. Dnn eine Woche später die schreckensnachricht Medulloblastom Grad 4, hochbösartig. Ok, wie wird so ein Tumor klassifiziert? Ist es weil er ein Medulloblastom ist und die immer als Grad 4 bezeichnet werden oder wegen des schnellen Wachstums? Er war etwas eingewachsen aber nicht allzu viel... Die Prognosen eines Grad 4 sind immer schlecht, mein Tumor ist so selten im Erwachsenenalter, dass die Ärzte wenig Erfahrungswerte haben. Ich werde nun prophylaktisch bestrahlt und bekomme Chemo, aber die Angst ist da. Wie lange jeder hat kann keiner wissen, aber kann man wirklich mit einem Grad 4 Tumor geheilt werden? Wie entstehen diese Prognosen und wie lebt ihr mit der Rezidivangst? Manchmal ist mir einfach nur zum Heulen....
Alini
Telekomtoto
19.04.2014 09:14:49
Hallo Alini,
habe dir mal was raus gesucht was dir Mut macht.Siehe letzten beiden Sätze.

Lokalisation

Das Medulloblastom sitzt hauptsächlich im Kleinhirnwurm, der Mitte des Kleinhirns. Nach unten wachsend, füllt es den IV. Ventrikel, einen mit Hirnwasser (Liquor cerebrospinalis) gefüllten Hohlraum im Gehirn, zunehmend aus und drückt auf den hintersten Gehirnteil, die Medulla oblongata. Nach oben drängt es den Kleinhirnwurm zusammen und presst seinen vorderen Anteil gegen einen Teil der harten Hirnhaut (Tentorium).

Vom Medulloblastom lösen sich leicht Zellen ab, die sich über den Liquor ausbreiten. Auf diese Weise können Tochtergeschwulste (Metastasen) auf den Hirnhäuten oder im Rückenmarkskanal entstehen und weitere Beschwerden verursachen. Tochtergeschwulste (Metastasen) im Liquorraum treten in 15-40% der Fälle auf, Metastasen außerhalb des Nervensystems (extraneural) kommen zu 4% vor allem in Knochen und Lymphknoten, aber auch in Leber und Lunge vor.
Aussehen

Das Medulloblastom ist in der Regel ein unscharf begrenzter, weicher Tumor mit grauweißer Schnittfläche, kann gelegentlich aber auch scharf begrenzt und derb sein. Größere Tumoren weisen zentrale Gebiete auf, in denen eigentlich aktive Zellen absterben (Nekrosen).

Mikroskopisch besteht das klassische Medulloblastom aus dicht gepackten Zellen mit runden bis ovalen, stark anfärbbaren (hyperchromatischen) Kernen, umgeben von wenig Zytoplasma. Teilweise sind auch runde Zellen mit weniger anfärbbaren Zellkernen beigemischt. In weniger als einem Drittel der Fälle findet man die typischen Pseudorosetten, Homer-Wright Rosetten genannt. Diese bestehen aus ringförmig angeordneten Tumorzellen um ein Zentrum aus Zytoplasma, bei denen die Zellkerne randständig (peripher) liegen. Sehr viele der Zellen befinden sich außerdem in der Zellkernteilung (Mitose) oder sterben gerade ab (Apoptose).
Ursachen

Das Medulloblastom gehört zu den embryonalen Tumoren (primitiv neuroektodermale Tumoren), es entwickelt sich also aus embryonalen, unreifen Zellen. Die Ursachen für die Entartung der Zellen sind noch weitgehend ungeklärt. In den meisten Fällen entsteht der Tumor spontan.

Die Rolle der genetischen Faktoren bei der Entstehung von Hirntumoren ist in den letzten Jahren immer wichtiger geworden, auch wenn sie für die Mehrzahl der Hirntumoren nicht relevant sind. Bei Medulloblastomen werden häufig Veränderungen auf dem langen Arm (q-Arm) des Chromosoms 17 beschrieben. Auf diesem Chromosom sitzt das p53-Tumorsuppressorgen, das das Protein p53 codiert. p53 kontrolliert den Zellzyklus und Veränderungen des Proteins (Mutationen) führen zu einem Voranschreiten des Wachstums (Progression) von malignen Tumoren. Aber auch andere Gene beeinflussen den komplexen Vorgang der Tumorentstehung.

Hirntumoren bilden außerdem verstärkt Wachstumsfaktoren und Wachstumsfaktorrezeptoren aus, wodurch es zu dem außergewöhnlich schnellen Wachstum der Tumore kommt.
Symptome

Die häufigsten Erstsymptome sind Kopfschmerzen, Übelkeit und Erbrechen, die durch den erhöhten Druck im Schädel (intrakraniell) und der Störung des Hirnwasserflusses (Liquorzirkulation) verursacht werden. Außerdem führt die Behinderung des Liquorflusses beiderseits zu einer Schwellung (Ödem) der Austrittsstelle des Sehnervs (Stauungspapille) und somit zu einer erheblichen Verschlechterung des Sehvermögens auf bis zu 6 oder 7 Dioptrien Da sich der kindliche Schädel in diesem Alter noch erweitern kann, treten die Symptome des allgemeinen Schädeldrucks erst relativ spät auf. Wenn hartnäckige Kopfschmerzen einsetzen, hat der Tumor meist schon eine große Ausdehnung erreicht. Zu den Erstsymptomen zählen auch Gangstörungen (Ataxie), die die Kinder durch Abstützen mit den Händen und vorsichtiges, breitbeiniges Stehen und Gehen auszugleichen versuchen. Oft halten sie den Kopf in einer leicht nach vorn geneigten Zwangshaltung. Weitere typische Symptome sind Schwindel, Doppelbilder, Lähmungserscheinungen, ein Taubheitsgefühl im Gesicht und eine Lähmung der mimischen Muskulatur (Facialisparese) durch eine Funktionsstörung des Gesichtsnervs (Nervus facialis).

Zum Zeitpunkt des Auftretens der Symptome (klinische Manifestation) liegen bei 50% der Patienten bereits Metastasen vor.
Diagnose

Bei der Diagnose eines Medulloblastoms sind wie bei allen Hirntumoren neben der ärztlichen Untersuchung vor allem die bildgebenden Verfahren wichtig.

In der Computertomographie (CT) stellen sich Medulloblastome als Raumforderungen mit einer erhöhten optischen Dichte (hyperdens) dar, die sich in den IV. Ventrikel vorwölben. Die optische Dichte kann durch Gabe von Kontrastmittel, einem Stoff, der den Bildkontrast erhöht, noch weiter erhöht werden, sodass der Tumor noch besser zu erkennen ist. Die Medulloblastome bestehen aus solidem Tumorgewebe mit gelegentlichen Nekrosen.

In der Magnetresonanztomographie (MRT) kann das Medulloblastom noch besser dargestellt werden: In der Längsansicht (T1-Bild) hat das Medulloblastom eine verminderte optische Dichte (hypotens), in der Queransicht eine erhöhte optische Dichte (hypodens). Es lässt sich leicht vom Kleinhirn abgrenzen. Die deutliche Kontrastmittelaufnahme ist typisch für Medulloblastome und zeigt die Ausdehnung des Tumors im Hirnstamm besser als im CT. Mit dem MRT lassen sich außerdem Metastasen im Liquor bzw. in den Ventrikeln nachweisen. Für die Darstellung von Metastasen im Rückenmarkskanal (spinale Metastasen) werden hochauflösende, kontrastangehobene MRT-Aufnahmen benötigt.

Zusätzlich wird der Liquor des Patienten auf Tumorzellen untersucht (Liquorzytologie). Der Liquor wird durch eine Liquorpunktion gewonnen, bei der Liquor aus einem Liquorraum entnommen wird. Die häufigste Form der Liquorentnahme ist die Lumbalpunktion, bei der die Entnahme aus dem unteren Rückenmarkskanal erfolgt. Der Nachweis von Tumorzellen geht mit einer ungünstigen Prognose einher, sagt jedoch nichts über das Ausmaß der Metastasierung des Rückenmarkskanals aus. Die Liquorzytologie ist wichtig bei der Differentialdiagnose von embryonalen Tumoren, wie Medulloblastomen, Ependymomen oder Pinealomen, wenn durch die bildgebenden Verfahren noch keine sichere Diagnose der Tumorart möglich ist.
Differentialdiagnose

Medulloblastome müssen differentialdiagnostisch von ähnlichen kleinzelligen embryonalen Tumoren wie Neuroblastome, Ependymoblastome, Pinealome und Tumoren des Lymphgewebes (Lymphomen) abgegrenzt werden.
Therapie

Die Therapie besteht in der möglichst radikalen operativen Tumorentfernung und der anschließenden hochdosierten Bestrahlung mit 40 Gray mit direkter Bestrahlung der hinteren Schädelgrube und dem gesamten Liquorraum (Neuroachse). Da Medulloblastome sehr strahlenempfindlich sind, kann eine Heilung in über 50% der Fälle erzielt werden. Die Kombination der postoperativen Bestrahlung mit Chemotherapie erbrachte positive Ergebnisse bezüglich der Rezidivrate und der Überlebensraten, kann sogar heilend (kurativ) sein. Bei der Chemotherapie werden die Zellteilung hemmende Mittel (Zytostatika) der Gruppe der Nitroseharnstoffe wie CCNU, aber auch Vincristin und Cisplatin verabreicht. Bei Kindern unter 3 Jahren kann die Chemotherapie den Bestrahlungszeitpunkt hinauszögern und in einigen Fällen die Bestrahlung sogar ersetzen.
Prophylaxe

Da die Risikofaktoren und Auslöser für die Entstehung von Glioblastomen weitgehend unbekannt sind, gibt es auch keine Empfehlungen zur Vorbeugung. Generell empfiehlt es sich, unnötige Strahlung (v.a. bei Kindern) sowie Kontakt mit krebserregenden Chemikalien und Schadstoffen zu vermeiden, auch wenn Umweltfaktoren nur eine untergeordnete Rolle bei der Entstehung von Hirntumoren spielen.
Prognose

Patienten mit einer vollständigen Resektion des Tumors, fehlendem Nachweis von Liquormetastasen und fehlendem Nachweis von Tumorzellen im Liquor (negativer Liquorzytologie), die postoperativ eine kombinierte Bestrahlung und Chemotherapie erhalten haben, weisen trotz der hohen Malignität von Medulloblastomen eine relativ gute Prognose auf. Jedoch ist ein erneutes Auftreten bzw. Wachstum (Rezidiv) des Tumors häufig und tritt meist innerhalb der ersten zwei Jahre nach Ersttherapie auf. Die Zehnjahresüberlebensrate bei 50% und auch nach 10 Jahren ist noch etwa ein Drittel der Patienten rezidivfrei.

Medulloblastome, die sich erst im Erwachsenenalter manifestieren, weisen eine bessere Prognose auf und metastasieren seltener.

Unbehandelt ist die Überlebenszeit nur kurz.
Telekomtoto
Iwana
19.04.2014 09:27:48
Hallo Alini
Deine Reaktion ist völlig normal. Wut, Trauer, Frust, ziemlich viele Emotionen stürmen da auf dich ein und oft zu unmöglichen Zeiten. Ich hoffe du hast ein gutes soziales Netz, viele gute Freunde, Familie die dich jetzt trägt. Wenn du bemerkst, dass es ihnen zu viel wird, wäre es ev. auch gut wenn du dir psychologische Unterstützung suchst. Eine Psychoonkologin wäre wohl die richtige Anlaufstelle.

Aber gut hast du erstmals hier das Forum gefunden. Es braucht alles seine Zeit.

Du hast einen Vorteil, du hast die OP schon hinter dir, der Tumor wurde ganz entfernt und du hast keine Ausfälle! Das sind optimale Startbedingungen, tönt jetzt ev. für dich komisch aber viele hier gehen ganz anders ins "Rennen" und haben am Start schon Krücken wenn ich das so ausdrücken darf. Besinne dich auf deine Vorteile und das ist dein junges Alter, jetzt musst du investieren und etwas tun damit du im Rennen bleibst. Du kannst deinen Körper aufbauen, viel frische Luft und gesundes Essen. Überlege welche Hebel du in Bewegung setzen möchtest, was wolltest du schon lange in Angriff nehmen?

Ich habe die Erfahrung gemacht, dass es gut tut wenn man selber auch etwas tut und nicht nur passiv tun lässt (über sich ergehen lässt) in welche Richtung das bei dir geht, musst du dir überlegen.
Gruss Iwana
Iwana
keats
21.04.2014 12:19:19
Hallo Alini,
du bist noch sehr jung und deine OP ist noch nicht lange her. Ich kann mir gut vorstellen, dass du im Moment viele Ängste hast und wahnsinnig viele Fragen. Ich selbst wurde vor 3 1/2 Jahren operiert und das Grad III Astrozytom, dass ich hatte wurde fast vollständig entfernt. Ein Rest ist noch da, aber stabil. Ich bin damit sicher einer der guten glücklichen Fälle.

Ich habe mich in der ersten Zeit viel für Statistik und Prognosen interessiert, immer auf der Suche nach etwas, was mich beruhigt. Das Blöde war, dass es dann mindestens genau soviel Beunruhigendes gab. Ich habe das dann mit meinem Neurochirurgen besprochen, der mir den besten Rat meines Lebens gab: Prognose und Statistik ignorieren und nicht wichtig nehmen. Prognosen und Statistiken sage was über eine Gruppe, nicht über den Einzelnen.

Ich habe manchmal Angst, dass der Tumor wieder wächst, gerade vor Kontrollen. Meine nächste ist im Mai. Aber meistens geht es mir gut: ich lebe und arbeite und habe keine Ausfälle. Und an schlechten Tagen denke ich: alles nur nicht Statistiken lesen. Ich habe auch Freunde, die wissen, dass mir das nicht hilft.

Es gibt sicher viele, die Statistiken und Prognosen wissen wollen und denen es hilft. Manch anderen nicht. Aber eins ist sicher: du wirst ganz sicher deinen Weg finden mit der Krankheit.

Alles Gute und viel Glück!
Renate
keats
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