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Thema: Wie steht Ihr zur Sterbehilfe?

Wie steht Ihr zur Sterbehilfe?
Malati
22.01.2014 19:59:06
Ihr Lieben,

nachdem schon ein wichtiges Thema "Beerdigung" angegangen wurde,traue ich mich Euch nach Eurer Meinung zur aktiven und passiven Sterbehilfe zu fragen.

Wie H2O schon sagte, kam am Sonntag dazu eine kontroverse Diskussion bei Jauch.
Zugegen war auch eine Arzt,der passive Sterbehilfe macht. Ich kannte ihn bereits aus einer anderen Reportage.
Herr Müntefering, der seine Frau bis zum Tod begleitet hat, hat meinen tiefen Respekt und lehnt die Sterbehilfe komplett ab.
Man überlegt in Deutschland sogar die passive Sterbehilfe unter Strafe zu Stellen.
Aktive Sterbehilfe finde ich für den Mediziner an sich sehr schwierig, ich denke, das gehört nicht zu seinen Aufgaben.

Für Menschen, die wirklich unheilbar krank sind und nicht mehr können und wollen, weil sie leiden, für die, denke ich, ist die passive Sterbehilfe ein Weg.

Ich habe die Idee,dass es dazu einen professionellen Sterbegleiter mit medizinischer Ausbildung gibt,um den Medizinern diese Aufgabe nicht aufbürden zu müssen- das fände ich gut.

Es müsste mehrere Gespräche über eine gewisse Zeit geben, um die Entscheidung abzusichern.

Ich kann kaum sagen,wie ich -ohne in der Situation zu sein,selbst entscheiden würde. Aber ich weiss, was mein Mann möchte und wie er nicht weiterleben will.

Es ist eine heikles,sensibles Thema,in dem auch der Glaube eine Rolle spielt

Ich lasse jedem seinen Glauben.
Ich persönlich glaube, an das Gute im Menschen, an eine andere Dimension, die keiner kennt, ob das nun Gott oder anders heisst, ist nicht so bedeutend.
Denke schon,dass es danach weitergeht-aber in einer Welt da draußen....die wir nicht kennen- und dort urteilt keiner, ob Du gut, böse, selbstbestimmt dein Leben beendest oder bis zum Schluss ausgehalten hast.

Leider bin ich durch die Pflege meines Mann sehr eingespannt und kann mich eventuell nicht so in die Diskussion einbringen,wie ich möchte.

Bin sehr gespannt auf Eure Meinungen....es brodelt seit Sonntag in mir, es als thread einzustellen.

Es grüßt Euch ganz lieb

Marion


There` s a world outside and it`s waiting for you.
Malati
Harry Bo
22.01.2014 20:19:03
Hallo MArion,

ich hab die Sendung nicht gesehen.
Meine Meinung dazu und nicht erst seit der Diagnose ist:

Selbstmord geht gar nicht, man darf sein Leben nicht selbst beenden, aber ich verurteile diejenigen die dies tun auch nicht, ich kann es nur nicht gutheissen.

Aktive Sterbehilfe kann ich mich auch nicht mit anfreunden. Ich habe schon Probleme beim Thema Tiere von ihrem Leid zu erlösen.
ICh kann das aktive Helfen, wenn es 100% im Sinne des Sterbenden ist akzeptieren, aber ich könnte niemals selbst dabei helfen. Bin froh noch nie in die Situation gekommen zu sein, soetwas von mir zu verlangen, weil das ein unlösbarer Gewissenskonflikt für mich wäre.

Passive Sterbehilfe ist etwas anderes, da muss man aber genauer differenzieren.
Jemand der nicht essen und trinken will, muss man nicht zwangsernähren.
Jemand der unerträgliche Schmerzen hat, dem gibt man Schmerzmittel auch wenn nötig in einer Dosis die zum Tode führen kann.
Das gilt generell für alle Medikamente, die lindern, aber eben auch das Risiko des vorzeitigen Sterben mit sich bringen.
Wiederbelebung in kommt auch nicht in Frage. Überhaupt lebensverlängernde Maßnahmen, die nur eine nicht mehr lebenswerte Situation in die Länge ziehen oder Maßnahmen, die den schlechten Zustand nur etwas verlängern und eventuell sogar noch Verschlimmerungen des Leidens bewirken sind auch nicht angebracht.
Passiv heisst also sterben lassen und ihm dabei helfen zu sterben, wenn es dem Patienten nicht mehr mehr hilft und das Leben nur verlängert, aber eben nicht bewusst den Tod akut herbeiführen.

Gruß Harry
Harry Bo
Malati
22.01.2014 20:26:04
Das passiv, was Du meinst, ist eher palliativ begleiten, Schmerzen nehmen und die Patientenverfügung akzeptieren und sich danach richten.
Passive Sterbehilfe ist schon etwas mehr. Es werden Medikamente verordnet, die den Tod herbeiführen und der Betroffene muss es dann selbst einnehmen.
Ich hoffe auch, so etwas nie begleiten zu müssen, aber es ist ein Konflikt, wenn der Mensch, den man liebt, um Unterstützung bitten würde.
LG

Marion
Malati
Pipo
22.01.2014 20:27:27
Hallo Marion,

ich bin bei diesem Thema sehr gespalten und es wird immer viele Grauzonen beinhalten. Was ich ablehne, ist das vom ehem. MDR- Intendanten geforderte Recht auf Sterbehilfe für jeden, unabhängig von einer Vorerkrankung. Ehrlich gesagt frage ich mich in solchen Fällen, warum es einer Assistenz beim Sterben befürfen sollte.

Bei Schwerstkranken, die eine begründete Angst davor haben, einen langen Leidensweg ohne Hoffnung auf Besserung zu durchlaufen, sehe ich es etwas anders. Man kann auch nicht jedes Leid mit Palliativmedizin und liebevoller Begleitung lindern. Hier liegt das Problem u. a. darin, im Vorfeld einen Wunsch zu äußern, für eine Situation, die man sich eigentlich nicht vorstellen kann. Im Fall, daß der Wunsch zu sterben aber virulent würde und man dazu Hilfe benötigt, kann man sich wahrscheinlich nicht mehr äußern.

Insofern fände ich es ganz gut, wenn es für solche Notsituationen evtl. etwas mehr Spielraum gäbe, der jedoch nicht allzusehr ausgedehnt werden müßte.

Für mich spielen bei diesen Überlegungen religiöse Erwägungen keine Rolle, sondern die Frage nach dem Patientenwohl. Nur kann ich nicht ermessen, wie groß der Leidensdruck bei einem Schwerstkranken, der sterben möchte, evtl. ist - und wie sehr dem gegenüber vielleicht trotz allem jemand nich am Leben hängt, trotz großer Schmerzen und Hoffnungslosigkeit. Ich gebe aber zu, daß ich mich bisher noch nicht mit mir selbst einigen konnte.

Viele Grüße
Pipo
Pipo
Pipo
22.01.2014 20:32:52
Nachtrag zur Definition - passive Sterbehilfe meint, wie Harry geschrieben hat, schon das Unterlassen lebensverlängernder Maßnahmen und keineswegs die Bereitstellung tödlicher Medikamente, die der Betroffene dann einnimmt.
Pipo
Malati
22.01.2014 20:46:06
Ok-dann habe ich dass passiv anders verstanden-dann führt einiges palliatives auch schon zur passiven Sterbehilfe.

Ich bin auch gegen das Recht, dass jeder sich selbst durch Medikamente umbringen kann--egal ob eine todbringende Erkrankung vorliegt.

Marion
Malati
sharanam
22.01.2014 21:48:43
Ich finde die Sterbehilfe gut, ich fahre dann lieber in die Schweiz, denn da ist es im Gegensatz zu Deutschland möglich, einem zur schmerzlosen Selbsttötung zu verhelfen. Schweizer Ärzte dürfen unter gewissen Voraussetzungen die tödliche Dosis eines Barbiturats ( z.B. Natrium-Pentobarbital) verschreiben. Bei einem Glioblastom im Endstadium ist dies kein Problem.. Nach zwei bis fünf Minuten schläft man friedlich und vollkommen schmerzlos ein, gleitet in ein endgültiges tiefes Koma, und schließlich stoppt es die Atmung und der Exitus tritt ein, was von dem begleitenden Arzt geprüft und bestätigt wird..

Sollte ich einmal ein Pflegefall werden mit der Aussicht auf sinnloses Leid- und Siechtum, dann würde ich es wunderbar finden durch die Sterbehilfe in Würde und Frieden in die geistige Heimat zurückzukehren. Das einzige Problem ist der Preis – es kostet um die 6.000 €. Es ist traurig, dass es wie immer vorrangig nur um das Geld geht!
sharanam
gramyo
22.01.2014 22:08:32
Liebe Marion,

ausgesprochen gut finde ich , das du dieses sehr schwierige Thema hier ansprichst.
Dazu meine Meinung und Erfahrung seit gut drei Jahrzehnten....

Der Mensch geht dann, wenn er möchte.....

Ich habe hier ein Buch von dem Inhaber des Lehrstuhls für Palliativmedizin an der Universität von Lausanne (Schweiz). Er hat ein Netzwerk an Professuren aufgebaut das alle Bereiche der physischen , psychosozialen und spirituellen Sterbebegleitung in die Lehre und Forschung integriert.

Dies ist nicht von mir als Werbung gedacht , sondern ich wollte damit demonstrieren , das alle drei genannten Faktoren beim " Gehen von dieser Erde" zu berücksichtigen sind.

Ein sehr kleiner, aber für mich wichtiger Punkt zu diesem Thema..
Auszug aus diesem Buch

"Geburt und Sterben als Parallelvorgänge"
Es gibt erstaunlich viele Parallelen zwischen Geburt- und Sterbevorgang. Es sind die einzigen Ereignisse, die allen Menschen, ja allen Lebewesen gemeinsam sind. Es sind beides physiologische Vorgänge, für welche die Natur Vorkehrungen getroffen hat, damit sie möglichst gut verlaufen.

(der darauf folgende Satz ist auch noch kursiv , zur Heraushebung geschrieben worden).

Beide laufen in den meisten Fällen am besten ab, wenn sie durch ärztliche Eingriffe , möglichst wenig gestört werden.

Und in beiden Vorgängen greift die moderne Medizin zunehmend häufiger, zunehmend invasiver und teilweise zunehmend unnötiger ein.
( dies ist von einem Mediziner geschrieben worden !)Buchauszug -Ende.

Ein Arzt kann meiner Meinung nach , keine aktive Sterbehilfe leisten, da er den hippokratischen Eid geleistet hat.

Meine persönliche Meinung:
Versuchen eine bestmöglichste Schmerzfreiheit zu erreichen, wenn es geht, ein "gehen" zu Hause oder in einem Hospiz zu ermöglichen,
die Würde des Menschen bewahren und seinen Willen respektieren.

Noch einmal ein Buchauszug...
die allermeisten Sterbevorgänge ( die Schätzungen gehen bis zu 90 % ) könnten mit Begleitung von geschulten Hausärzten und gegebenfalls Hospizhelfern problemlos zu Hause stattfinden ( durch die SAPV-Teams).

Wir , die Angehörigen müssen nur die Kraft und Geduld haben, den ganz persönlichen Sterbevorgang zu akzeptieren, nicht in Panik geraten, sondern Ruhe zu verbreiten, die es demjenigen möglich machen, sich von uns zu lösen ... sich von dieser Lebensform zu lösen...

für heute letzter Buchauszug...

"Wiederentdeckung" des natürlichen Todes und der
urärztlichen Aufgabe der Sterbebegleitung geführt hat
"Heilen manchmal,... lindern oft,....trösten immer...",
lautet eine alte Definition des Arztberufes... (Buchauszug Ende)

Wir "Nicht - Mediziner " können aber immer
lindern oft...
trösten immer...
durchaus möglich machen

denkt Gramyo/Claudia mit Burkard im Herzen und Leben
.
gramyo
alma
22.01.2014 22:48:05
Wen es interessiert: es gibt auf youtube eine einstündige Doku über Sterbehilfe für einen an Alzheimer erkrankten Mann in der Schweiz.
Titel: choosing to die.
Die Prozedur ist hat die Nüchternheit eines Verwaltungsakts, so jedenfalls wirkt sie auf mich. Damit meine ich nicht, dass man so nicht sterben sollte. Aber für mich ist das wohl eher nicht der Weg. Ich würde mich, was das angeht, keiner derartigen Institution überlassen wollen.

Alma.
alma
Andrea 1
23.01.2014 11:02:11
Hallo Ihr Lieben,
mich würde mal interessieren, warum man der Meinung ist, dass man medikamentös die Schmerzen tatsächlich unterdrücken kann. Also woher die Annahme kommt?
Also ich will hier wirklich niemanden verunsichern oder Zweifel bringen, aber meine Erfahrung ist so, dass ich schon wirklich sehr starke/extreme Schmerzen aushalten musste. Anfangs vertrug ich noch Schmerzmittel, Morphine und Opiate usw. Später nicht mehr, was bis heute geblieben ist.
Aber darum geht es mir gerade weniger.
Ich weiß nur, dass ich zwar die Schmerzen trotz der vielen Medikamente immernoch spürte, aber sie waren mir irgendwie egal, weil mein "Grips" dadurch total vernebelt war, auch konnte ich mich kaum mehr bewegen, dennoch merkte ich, dass die schweren Entzündungen usw. noch da sind und starke Schmerzen verursachten. (Ich sah dadurch teilweise alles vierfach)
Wie kann man also sicher sein, dass man tatsächlich nicht mehr leidet, wenn man mit Morpium vollgepumpt auf seinem Sterbebett liegt?
Was bleibt mir, wenn es mich treffen sollte, weil ich sowas nicht mehr vertrage? Inzwischen habe ich mich damit abgefunden, mal Migräne oder Kopfschmerzen auszuhalten, jedoch weiß ich da, dass die S. endlich sind.

Ich liebe das Leben über alles! Doch, wenn ich an die Schmerzen von damals zurückdenke, die ich schonmla aushalten musste, dann denke ich über aktive Sterbehilfe GANZ ANDERS.
Das soll jetzt nicht alles so pessimistisch klingen wie es vielleicht rüber kommt. Ich lasse mich nicht hängen und versuche immer optimistisch zu sein!
...und Sorry für meine Offenheit, aber es interessiert mich tatsächlich sehr!
LG und in der Hoffnung, dass wir alle ein langes und schmerzfreies Leben haben dürfen!!!
Andrea
Andrea 1
Schmetterlin
23.01.2014 15:52:24
Also ich für MICH würde eine passive Sterbehilfe wollen.

Wenn ich nur noch mit Schmerzen ( da gebe ich Andrea1 recht, denn ganz schmerzlos geht nicht bei jedem ) in einem Bett dahinvegetiere, keine Hoffnung mehr besteht, vielleicht im Kopf schon wirr bin, nein....

Wäre doch sicher für mich und alle Beteiligten sehrgeholfen, mich friedlich mit irgendeinem Mittel zu ERLÖSEN, so nenn ich das.

Ich hänge sehr am Leben und werde auch sicher dafür kämpfen, aber ich möchte nicht leiden.

Ja Gramyo, die Medizin sollte manchmal die Finger weg lassen, warum bei einem 90jährigen immer noch alles tun? Nicht der Natur zu sehr ins Handwerk pfuschen. Aber auch die Angehörigen sollten, wenn es soweit ist einfach der Natur ihren Lauf lassen.

Die Frage Sterbehilfe ja oder nein wird immer schwierig sein.
Aktive sage ich NEIN, Passive in einer Art Patientenverfügung je nach "Fall"( sorry das Wort ), sage ich JA.
Schmetterlin
kopfhoch
23.01.2014 16:07:06
hallo ihr alle, das ist ein sehr heikles, ja grenzwertiges Thema. Lebensverlängernde Maßnahmen,damit muß sich heute wohl kaum einer bei den bestehenden Patientenverfügungen noch rumplagen.Sterbehilfe, meine Meinung;ein klares nein.Selbst wie von harry angeführt(nicht böse gemeint), Medikamente,Z.B. Schmerzmittel in erhöhter Dosis zu verabreichen, die dann irgendwann letal wirken- IST AKTIVE Sterbehilfe. Gruß

Ich will noch etwas hinzufügen;wie gesagt wo will man die Grenze ziehen?Es gibt immer noch Wunder! Ich erinnere mich an einen kleinen Jungen ,war in den 80er Jahren, mit einem Wilmstumor(bösartiger Nebennierentumor). Irgendwann sagten unsere Ärzte zu den Eltern(dem Kind ging es zusehens schlechter): nehmen sie Ihren Jungen mit nach Hause,genießen sie die Zeit zuhause, wir können nichts mehr für ihn tun. Für die Eltern damals ein Schock, der Kleine wurde entlassen und ein halbes Jahr später standen die Eltern mit dem Jungen vor unsrer Tür und baten um eine neuerliche Untersuchung,da sie den Eindruck hatten dem Kind ginge es besser. Nach ausgiebigem Ultraschall etc.- die Chirurgen fanden keinen Tumor mehr.Offensichtlich hatte das ganz normale leben daheim debei dem Kind sowas wie Selbstheilungskräfte ausgelöst.Der Kleine war uns in der langen Zeit die er bei uns war so ans Herz gewachsen, das ein riesiger Freudenjubel ausbrach.
kopfhoch
tinchen
23.01.2014 17:20:08
Liebe Marion und alle anderen,

Ich persönlich hänge (wie wohl alle) sehr am Leben und kann mir überhaupt nicht vorstellen FREIWILLIG zu gehen ... Ein Selbstmord käme für mich (aus heutiger Sicht) auch in großer Not nicht in Frage.
Gerade durch die unheilbare Krankheit (Glio) meines Mannes ist mir der Wert des Leben ganz stark bewußt geworden.

Jetzt folgt jedoch das große "ABER"

NIEMALS möchte ich an Geräte angeschlossen, künstlich am Leben gehalten werden, WENN ich unheilbar Krank bin, Schmerzen habe, die Lebensqualität total verloren gegangen ist und KEINERLEI Hoffnung auf Besserung mehr besteht. Auch für meine nächsten Angehörigen möchte ich es nicht. Und ich weiß, dass mein Mann genauso darüber denkt!

Wir haben beide eine Patientenverfügung, welche (sinnlose) lebensverlängernde Massnahmen, Wiederbelebung in aussichtsloser Lage und ähnliches ausschließt.

Das ist aber wohl dem Gesetz nach keine passive Sterbehilfe - sondern "nur" Unterlassung?!?!

Persönlich finde ich die Möglichkeit in der Schweiz (wie von shanaram beschrieben), nach gründlicher Überlegung, begleitet und schmerzlos aus dem Leben gehen zu können durchaus legitim. Natürlich nur, wenn eine unheilbare Krankheit, mit immer schlechter werdenden Lebensqualität besteht, der Kranke sich nachweislich nur noch quält... und selbst WIRKLICH nicht mehr möchte.
Und seinen Willen über einen längeren Zeitraum beibehält.

Dann ist meiner Meinung nach solch eine Sterbebegleitung besser, als wenn ein verzweifelter Mensch nicht mehr ein und aus weiß und sich evtl. gar für einen Selbstmord entscheidet..

Es ist ein ganz heikles Thema, jeder denkt anders darüber - und darf es auch. Auch der Glaube (wie schon Marion schrieb) spielt eine entscheidende Rolle.

Wir alle schieben solche Gedanken von uns und auch ich hoffe, nie in so eine Lage zu kommen. Wer weiß, vielleicht entscheide ich mich dann noch anders...

LG tinchen
tinchen
Welle2013
23.01.2014 19:58:33
Jemand hat zu mir mal gesagt:
"Wir können nicht Gott spielen, und die Geräte abstellen!"

Ich konnte nur antworten:
"Wir spielen Gott, wenn wir jemanden an die Geräte anschließen".

Jeder sollte sich darüber klar werden und entsprechend verfügen. Alles andere ist für einen Dritten eine Zumutung an Entscheidung. Man kann das nur für sich selbst bestimmen und entscheiden, nicht für jemand anderen....

LG, die Welle

"Was ist wichtiger: Lieben oder geliebt zu werden?" oder anders "Welcher Flügel ist für einen Vogel wichtiger, der rechte oder der linke"
Welle2013
Malati
23.01.2014 20:01:45
Andreas Ansatz: " wer weiß, was schmerzfrei ist ", sehe ich auch sehr kritisch.

Ob der Sterbende sein Leiden noch äussern kann und seinen Willen kundtun kann- ist zu manche Zeitpunkt sicher ungewiss.
Kritisch ist, dass es sicher eine Phase gibt, wo der Betroffene selber, sogar wenn er möchte, keine passive Sterbehilfe für sich selbst mehr in Anspruch nehmen kann- sprich keine Medikamente, die dass Leiden verkürzen, einnehmen kann. Somit bleibt nur, sich in Deutschland bei relativ "gutem" gesundheitlichem Zustand dafür zu entsscheiden.
Ich meine jetzt nicht die palliative Begleitung, sich an die Patientenverfügung zu halten.
Vielen Dank für die vielfältigen Meinungen.

LG Marion
Malati
Suse
18.04.2014 23:35:06
Liebe Forumsmitglieder,

grausamerweise beschäftigt mich das Thema - aber ich werde eh zu keinem Ergebnis kommen.
Liebe Welle, du hast so recht! - Ich konnte nur antworten: "Wir spielen Gott, wenn wir jemanden an die Geräte anschließen".

Mein Bruder (36 J.) ist nach seiner Meningeom-OP im Dezember zu einem Schwerstpflegefall geworden. Er kann nicht mehr gehen, nicht mehr selbständig essen (Magensonde), er kann nicht mehr sprechen, er kann, wenn er nicht mit Tabletten zu sehr vollgepumpt ist, mit mir über Augenkontakt kommunizieren. Er hat eine Beugespastik, die nicht mehr in den Griff (kleines Wortspiel) zu bekommen ist, da zu spät daran gearbeitet wurde, und leidet unter starker Epilepsie, die medikamentös noch nicht zufriedenstellend eingestellt werden konnte. Durch ständige Lufteinschüsse ins Gehirn hat er eine Gehirnquetschung im unteren Gehirn erlitten, Hirnhautentzündungen, nun kam Herpes Zoster hinzu, es ist alles ein unglaubliches Drama.
Ich selbst habe immer gesagt, wenn ich ab dem Hals abwärts gelähmt wäre, wäre das Leben für mich nicht mehr lebenswert.
Im Anfangsstadium seines Leidens hat mein Bruder gesagt, dass er so nicht Leben will – und das war nur der Anfang...
Dass solch eine grausame Variante unsere Familie heimgesucht hat, bringt mich fast um den Verstand. Hier kann man nichts mehr machen, nur noch hoffen...
Liebe Grüße
Suse
Suse
keats
21.04.2014 12:38:10
Ich habe mir auch oft Gedanken über die Sterbehilfe gemacht sowie die Frage, ob ich mir das Leben nehmen würde, wenn es unerträglich wäre. Und ja, ich glaube, dass es unerträglich gibt. Trotz Palliativmedizin und Hospiz.

Für mich selbst mag ich den Gedanken, dass ich mir nie selbst das Leben nehmen würde und auch keine Sterbehilfe in Anspruch nehmen. Das ist mein Gedanke per heute, die insbesondere durch meinen Sohn motiviert ist. Ich würde ihm gerne den Gedanken vermitteln, dass ich ihn NIE verlassen würde. Und dass ich ihn nie zurücklassen will mit eventuellen Schuldgefühlen, dass er vielleicht mehr hätte tun können sollen.
Das ist mein Gedanke im Moment, ich würde mir aber nicht zutrauen, zu sagen, ich würde es nie tun. Wer weiss schon, was er tun würde im Leben, wenn was passiert, was man niemals hat erahnen können oder sich vorstellen.

Mehr als an alles andere glaube ich daran, dass der Mensch ein Recht darauf hat, nicht unsäglich leiden zu müssen. Ich möchte zum Beispiel nicht von jemandem verlangen, dass er weiterleben muss, nur damit ich mich besser fühle. Ich glaube daher nicht, dass ich mir über Selbstmord bei anderen ein Urteil anmassen sollte. Und in diesem Sinn will ich auch nicht anderen die Möglichkeit auf Sterbehilfe verwehren.
keats
Suse
22.04.2014 00:19:46
Liebe Forumsmitglieder,
@Andrea: "Wer weiß, was schmerzfrei ist" unterschreibe ich blind.
Seit mein Bruder sich nicht mehr sprachlich äußern kann, habe ich ihm versprochen, dass ich aufpassen werde, dass er keine Schmerzen aushalten muss. Bei jedem Besuch frage ich nach - und erhalte mal so mal so die Antwort (per Augenkontakt). Aber ich kann nicht täglich zu ihm fahren und die Tatsache, dass er nicht ein ständiges "Sprachrohr" um sich hat, macht mich fertig.
Einmal habe ich die Ärztin informiert, dass er Schmerzen habe - es hat sich später rausgestellt, dass er sich einen Harnwegsinfekt zugezogen hatte, der ja sehr schmerzhaft sein soll.
Nun hatte er wieder Schmerzen signalisiert - Herpes Zoster.
Das wurde natürlich gleich erkannt und mir wurde mitgeteilt, dass man ihm etwas verabreicht habe. Doch mein Bruder kann sich nun mal nicht äußern (weder sprachlich oder Gestik), dass dies nicht ausgereicht hat.
Ihm wurde Botox gespritzt - Nebenwirkungen können da ja inklusive sein, u.a. auch später auftretende Schmerzen in der Einstichgegend. Auf meine Frage, wie man denn auf meinen Bruder nach der Botoxgabe eingehen würde, teilte man mir mit, dass man ja prophylaktisch ein Schmerzmittel verabreichen könnte.
Mir ist natürlich klar, dass sich niemand 24 Stunden neben das Bett meines Bruders setzen kann, um nachzufragen, ob er Schmerzen oder dergleichen habe, aber er hat ja nur noch seine Augen!
Das sind die Varianten, an die ich denke und ich versuche, Abhilfe zu schaffen. Aber was vergesse oder sehe ich einfach nicht, weil ich nicht darauf komme?
@keats: Sag niemals nie. Wie wahr. Man muss wirklich erst in der Situation stecken, um seinen Weg zu sehen, den man tatsächlich gehen möchte, egal wie man vorher darüber gedacht hat.

Das sind die kleinen? Dramen...
Liebe Grüße
Suse
Suse
keats
22.04.2014 13:28:12
Liebe Suse,

als es mir einmal sehr schlecht ging, hat mir eine Freundin eine tolle Karte geschenkt mit folgendem Text: "Geh soweit du sehen kannst. Und wenn du dort bist, siehst du weiter." Ich mag die Karte gerne, weil sie mich daran erinnert, dass es ein Weg ist, der aber auch immer wieder Neues und Positives bereit hält.

Eine Frage wegen deines Bruders: wenn ich richtig verstehe, kann er nicht sprechen. Kann er aber zum Beispiel Hilfe holen durch einen Knopf drücken, wenn er Schmerzen hat?

Liebe Grüsse,
Renate
keats
Elpida
25.04.2014 12:38:22
Hallöchen an Alle,

ich denke wie Tintchen, Suse, Welle und Malati. Ich bin Betreuerin meines Vaters. Diese Rolle überfordert mich und meine Geschwister. Seit 2 April hat der Alptraum angefangen von der Diagnose, Biopsie, Entscheidung ob OP ja oder Nein dann OP und seitdem liegt mein Vater im Komma. Das diese Phase kommt war klar aber wir haben damit gerechnet, dass es erst in ca. 8 Monate. Wir haben der OP zugestimmt, weil es hieß nur 5 % der Patienten haben danach bleibende Schäden. Wir haben die zwei erste Entscheidungen gemeinsam mit meinem Vater getroffen, da war er noch mental da. Die letzte Entscheidung ob er intubiert werden soll haben wir ohne ihn getroffen. Es gibt ja keine Patientenverfügung. Es hieß wir intubieren ihn und er ist sediert. Seit heute ist der Schlauch draußen und es geht wieder Berg auf. Aber er hat gestern nur 0,5 Sedierung bekommen und er hat sich so gequält. Gestern waren wir der Meinung wir hätten gegen die Intubation entschieden, das war nicht auszuhalten für ihn und für uns das mit anzusehen. In den 80er Jahren habe ich ein Freiwilliges Soziales Jahr gemacht und das war dass man damals eine Woche zum Thema Sterbehilfe gemacht haben. Ich glaube zwar auch an Wunder aber das ist eine andere Phase bei dem Kind mit dem Tumor-Nebenniere gewesen. Wenn man nur noch leiden muss und die Geräte eher Schaden als helfen in dem Moment dann finde ich die Schweizerlösung gut. Wer weiß schon ob unsere Entscheidung richtig war also es zu Unterlassen, wenn mein Vater ein paar Monate Lebensqualität in Zukunft haben wird dann ja aber wenn er nur noch leidet dann war die Entscheidung falsch.

Lg Elpida=Hope
Elpida
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