
Bertschi
Ich möchte gerne für alle schreiben, die neu in diesem Forum sind und an die stillen Leser, die von der Diagnose Glioblastom bei sich oder Angehörigen genauso überrumpelt wurden wie wir alle und noch keinen Plan haben wie es weiter gehen soll. Hier ist die Geschichte von meinem Mann Charly (58) und mir, Rosi (43).
Im September letzten Jahres wurde Charly mit dem Notarzt in ein regionales Krankenhaus gebracht, nachdem er Herzrasen und Schüttelfrost hatte. Bereits seit ca. 1/2 Jahr hatte er Magen/Darm- Probleme, Rückenschmerzen und immer häufiger werdende fokale Anfälle. Im Juli ist er einmal kurz ohnmächtig geworden.
Zurück zur Notaufnahme. Keine der Untersuchung brachte ein Ergebnis. Da ich dabei war, merkte ich, dass Charly auf Fragen zeitverzögert antwortet. Ich sagte zur Ärztin, dass bei meinem Mann im Kopf etwas nicht stimmt. Sie ordnete ein Kopf-CT an. Dort hatte er einen Anfall und er kam auf die Intensivstation. Ein Arzt kam zu mir und sagte, dass mein Mann einen Tumor im Kopf hat. Gemeinsam sagten wir es Charly. Da das Krankenhaus keine Neurochirurgie hat, und es Freitag war, blieb er bis Montag dort auf der Intensivstation. Die Bilder schickten sie schon einmal das Kreiskrankenhaus. Dort sagten sie, es sehe gut aus. Gut hieß für uns gutartig und wir waren beruhigt (gemeint war, gut operabel).
Wie ging es Charly zu diesem Zeitpunkt? Er hatte Halluzinatonen. Er hat sich z.B. Beim Rasieren geschnitten. Die drei Blutsdropfen sah er überall an mir, an der Decke... Außerdem hatten die Bäume vor dem Fenster die Form von Formel1 Autos (er durfte Formel1 im Fernseher schauen). Alle Buchstaben und Bilder waren Seitenverkehrt. Als er am Montag ins Kreiskrankenhaus kam, waren diese Halluzinatonen weg, und er war ziemlich überdreht, aber gut drauf. Er hatte aber große Angst vor der OP, die auf Mittwoch angesetzt war. Bei der Vorbesprechung mit dem Assistenzarzt waren Charlys Tochter Gloria und ich anwesend. Auf unsere Nachfrage teilte uns der Arzt wenig einfühlsam mit, dass der Tumor bösartig ist. Restlebenszeit 8 Monate bis 1 Jahr und 8 Monate. Schock!!!
Die OP verlief sehr gut. Als ich am Nachmittag kam, war er schon am Essen. Am nächsten Tag war er schon wieder auf der Normalstation und zwei Tage später machen wir schon den ersten Spaziergang auf dem Klinkgelände. Er war froh, am Leben zu sein und lernte den Radiologen kennen, der ihm erklärte, wie die Behandlung weiter gehen würde. Der Radiologe war ihm sofort sympatisch und er war sehr zuversichtlich. Die OP war am 24.09. und am 03.10. durfte er nach Hause. Er war noch ziemlich schwach, hatte aber keine neurologischen Einschränkungen. Allerdings hat er 10 kg abgenommen und wog nur noch knapp 70 kg bei 185 cm Körpergröße.
Wir hatten schon lange eine Woche Südtirol gebucht und sind dann zwar nicht die ganze Woche, aber doch vier Tage gefahren. Das war echt schön. Wir könnten zwar nicht viel unternehmen, aber doch täglich 45 Minuten spazieren gehen und auf der Sonnenterrasse sitzen.
Am 20.10. startete er dann mit der Kombination Strahlentherapie/Chemotherapie. Wir hatten täglich um 7.00 Uhr Ternin für die Bestrahlung. Die Klinik ist 1 h entfernt und ich habe ihn mit dem Auto gefahren. Zwar bekommt man von der Krankenkasse ein Taxi bezahlt, aber ich habe es als tolle Möglichkeit gesehen, gemeinsam Zeit miteinander zu verbringen. Außerdem hatte und hat er seit seiner Krankheit große Orientierungsprobleme und hätte sich nie und nimmer in der Klinik zurechtgefunden. Auf dem Heimweg sind wir immer nochmal Frühstücken gegangen. Als Filialleiterin bei A**I hatte ich die Möglichkeit, erst ab 15.00 Uhr zu arbeiten. Da war er dann allein zu Hause. Am Samstag, wenn ich den ganzen Tag beim Arbeiten war, war Gloria bei ihm.
Nebenwirkungen durch die Chemo/Strahlentherapie hatte er keine. Er war nur oft müde und kraftlos. Die 3 Etagen im Krankenhaus hat er immer zu Fuß absolviert. Durch das Cortison (Dexamethason) hat er kräftig Appetit bekommen und die 10 kg wieder zugenommen. Nach diesen 6 Wochen Chemo/Strahlentherapie haben wir das Cortison wieder langsam ausgeschlichen- im Nachhinein betrachtet zu früh.
Jetzt war es Anfang Dezember und für die nächsten vier Wochen war keine Therapie vorgesehen. Wir nutzen die Zeit über Weihnachten und Neujahr für eine dreiwöchige Reha bei uns in der Nähe. So konnte ich ihn begleiten, bei ihm schlafen uns essen und trotzdem arbeiten gehen. Auf Reha hat es ihm weder gefallen, noch hat es ihm etwas gebracht. Rückblickend würden wir es nicht mehr so machen. Während der Reha war er immer noch sehr schwach und er war sehr geräuschempfindlich geworden.
All die Zeit waren wir aber sehr zuversichtlich. Der Radiologe hat meinem Mann gesagt, unter den Glioblastom-Patienten hätte er die Poolposition. Der Tumor sei entfernt und Charly sei sonst sehr gesund und guter Verfassung. Eine positive Einstellung sei sehr wichtig und er solle sich realistische Ziele setzten. Charly möchte im Juni 2016 unbedingt mit seiner Zwillingsschwester den "120." Geburtstag feiern. Natürlich haben wir zu jedem Zeitpunkt gewusst, dass der Tumor wiederkommen kann und wird. Zu dieser Zeit habe ich mich in diesem Forum angemeldet. Ich habe gelesen, dass manche nach ein paar Monaten sterben. Das tat mir zwar sehr leid, aber ich war sicher: bei uns wird das anders sein. Charly gehört zu denen, die noch viele Jahre vor sich haben. Er hat doch die Poolposition!
Dann das MRT am 08.01. Der Radiologe sagte, es sähe leider doch nicht so gut aus wie erwartet. Es gäbe Konrastmittelaufnahme im Bereich des ursprünglichen Tumors und wir müssten davon ausgehen, dass es sich um ein Rezidiv ( also Tumor) handeln würde. Er hat sich aber bei dem Neurochirugen, der Charly operiert hat und bei einem weiteren an einer Uniklinik rückversichert, die beide das Rezidiv bestätigten. Das war der Zeitpunkt, an dem ich zusammengebrochen bin. Ich habe meinen Arbeitgeber gebeten, mich aus meinem Filialleitervertrag zu entlassen und mich in einer anderen Filiale in wohnortnähe als Teilzeit-Verkäuferin unterzubringen. Ich bin auf großes Verständnis und tolle Unterstützung gestoßen. Mein Chef hat mir darüber hinaus angeboten, bis 31.03. bei voller Bezahlung zu Hause bei meinem Mann zu bleiben. Dieses Angebot habe ich dankbar angenommen.
Wie es uns weiter ergangen ist, möchte ich gerne in einem zweiten Teil schreiben. Auf jeden Fall besser, als erwartet....