Hallo zusammen!
Seit Ende April 2014 musste ich immer wieder spucken und war ständig müde und appetitlos. In wenigen Wochen habe ich nahezu 10 kg Gewicht verloren. Schließlich ließ ich den Flüssigkeitsverlust und die genauen Ursachen im Krankenhaus ausgleichen bzw. abklären. Bis dahin waren mein Hausarzt, meine Frau und ich von einem Magen-Darm-Infekt ausgegangen, da auch unser Sohn zu der Zeit eine Magen- und Darmgrippe hatte.
In wenigen Tagen ist es nunmehr 1 Jahr her, dass bei mir ein faustgroßes Glioblastom diagnostiziert wurde. Der Schock war damals groß. Mit Hinweis auf ein MRT-Bild führte der Neurochirurg aus: „Dort ist ein Prozess, der dort nicht hingehört.“ Was meinte er nur? „Ist das ein Tumor?“, fragte ich ihn. Die Antwort war ernüchternd.
Wenige Tage später wurde ich dann operiert. Es lief alles gut und ich erholte mich schnell von der OP. Neurologische Ausfälle hatte ich keine größeren. Das Warten auf das Ergebnis der Pathologie (es dauerte eine halbe Ewigkeit) war nahezu unerträglich. Nach rund zwei Wochen ging es endlich heim. Uff, was war ich froh, endlich wieder in der gewohnten Umgebung zu sein und meine Familie um mich zu haben und das nicht nur stundenweise.
Es folgte einen Monat nach der OP die gem. Standardtherapie vorgesehene Radio-Chemo (30 Bestrahlungen über 6 Wochen). Während der Radio/Chemo habe ich nur zweimal gespuckt. In Summe ging es mir also richtig gut.
Anfang September wurde dann das erste Kontroll-MRT gemacht. Das Ergebnis war einfach nur niederschlagend. Trotz Standardtherapie hatte sich ein nahezu im Vergleich zu vor der OP gleich großes Rezidiv gebildet. Wir (meine Frau und ich) waren ratlos! Was jetzt?
Wir holten uns eine Zweitmeinung nach Rücksprache mit dem Expertentelefon der Deutschen Hirntumorhilfe ein, machten ein PET und schließlich wurde ich ein zweites Mal operiert. Das Telefonat mit der Deutschen Hirntumorhilfe hat mir dabei deutlich Sicherheit gegeben, dass der eingeschlagene Weg der Richtige war.
Auch die zweite OP habe ich ohne größere neurologische Ausfälle überstanden. Gleichwohl folgte eine neurologische Rehabilitation, bei der ich wieder gut zu Kräften kam. Einen Monat nach der OP begann ich zwar in einem anderen Schema als zuvor wieder mit der Einnahme des Zytostatikums. Bis heute nehme ich im Rhythmus 1 Woche on/1 Woche off Temodal. Ich vertrage die Therapie sehr gut und meine Blutwerte sind zwar teilweise grenzwertig, liegen aber nach Aussage meines Onkologens noch im Rahmen des Akzeptierbaren.
Zusammenfassend kann ich sagen, es geht mir trotz des Rückschlages im September derzeit richtig gut. Ich bin aktiv und freue mich meines Lebens und genieße jeden Tag, der mir geschenkt wird.
Derzeit läuft das Verfahren zur Anerkennung einer Erwerbsminderung bei der Deutschen Rentenversicherung (Umwidmung der Rehabilitation). Arbeiten war für mich immer mehr als nur reines Geldverdienen. Sie hat meinem Leben auch einen Sinn und mir Anerkennung gegeben. Hier ist eine Lücke entstanden, die ich derzeit versuche, wieder zu füllen. Positiv ist dabei bspw., dass ich so viel Zeit mit meinen Kindern verbringen kann wie noch nie. Die Beziehung zwischen uns hat sich deutlich intensiviert. Das ist echt klasse.
Was mir wichtig ist:
• Bereits während meines ersten Krankenhausaufenthaltes habe ich mich in psychoonkologische Begleitung begeben. Mittlerweile mache ich eine Verhaltenstherapie, um mit den Begleiterscheinungen der Erkrankung (leichtere Reizbarkeit, schnelleres Überreagieren etc.) besser umgehen zu können. Zur Rückgewinnung der Fahrerlaubnis mache ich jetzt mit der Neuropsychologin auch die erforderlichen psychologischen und neurologischen Austestungen. ich habe, wie vermutlich alle von Euch, das obligatorische Fahrverbot nach einer Hirn-OP. Wieder Autofahren zu dürfen, erhöhte meine Lebensqualität schon sehr.
• Komplementär (!) schlucke ich Selen.
• Bewegung ist mir wichtig. Ich bin täglich draußen an der frischen Luft.
• Gesunde und ausgeglichene Ernährung hat an Bedeutung gewonnen. Fast jeden Tag koche ich und probiere dabei ständig neue Rezepte aus. Lecker! Viel Obst und Gemüse steht dabei täglich auf dem Speiseplan.
• Angiogenesehemmende Ernährung und andere Informationen zur Erkrankung (neue Therapieansätze etc.) interessieren mich derzeit sehr und ich recherchiere dazu regelmäßig im Internet und anderen Medien.
• Langsam beginne ich auch wieder mit der Aufnahme meiner „alten“ Hobbies.
• Der Rückhalt und der Kontakt zu meiner Familie und meinen Freunden sind mir darüber hinaus sehr wichtig. Sie stärken mir den Rücken und geben mir die notwendige Luft zum Atmen. Vieles wäre ohne sie im letzten Jahr nicht gegangen. Euch allen lieben Dank!
• Keine Resignation und keinen Fatalismus: Zum Krankheitsverlauf (nicht das Ende) haben wir mehr in der Hand, als wir alle denken. Da bin ich mir sicher. Mein Nickname ist da auch Programm.
Was ich mir wünsche:
• Auch weiterhin eine Vielzahl von treuen Wegbegleitern, die mir den Rücken stärken bzw. freihalten.
• Gute Therapieerfolge, wenn auch jede Therapie nur lebensverlängernd und nicht lebensrettend ist. Es kommt aber nicht nur auf die Lebensquantität sondern insbesondere auch auf die Lebensqualität an. Also: Kopf hoch und das Beste daraus machen!
• Aber die Hoffnung stirbt zu letzt. Ganz nach dem Slogan der Deutschen Hirntumorhilfe: Diese Krankheit muss heilbar werden. Und das nicht nur im Eigeninteresse, sondern im Interesse aller, die an dieser schrecklichen und schwerwiegenden Erkrankung leiden.
Also in diesem Sinne
Kopf hoch