Liebe Tira,
Dein Mann hatte eine Glioblastom-OP vor einem Jahr, hat weitere Therapien hinter sich, die nur zeitweise wirksam waren, denn es entstand ein Rezidiv, was einen zweiten Eingriff in das Gehirn erforderte. Dabei konnte in der Klinik eine Liquorfistel nicht umgehend behandelt werden, wodurch es eine weitere Belastung gab. Die Hirnschwellung wurde/wird zwar mit Cortison behandelt, sie hat aber direkte Auswirkungen auf die angrenzenden Hirnbereiche.
Wenn so viel im Kopf geschehen ist, was Vernarbungen und Bedrängungen von Teilen des Hirns zur Folge hatte, ist es möglich und bei Deinem Mann leider Realität geworden, dass epileptische Anfälle auftreten.
Mit diesen kurzen Absencen hat er momentan noch "Glück" gehabt. Du weißt, dass es deutlich schlimmere Anfälle geben kann.
Ich selbst habe zwar kein Glioblastom, bin aber mittlerweile etwa achtmal wegen WHO III-Meningeomen und deren Folgen operiert worden. Seit der zweiten Tumor-OP hatte ich eigenartige Empfindungen im Kopf, die mir Angst machten, die aber auch nur weniger als eine Minute dauerten. Ich konnte sie lange nicht deuten. Sie traten völlig unregelmäßig auf. Irgendwann meinte ein Neurochirurg und auch meine Neurologin, es könnten fokale epileptische Anfälle sein und es wurde ein EEG gemacht mit allem, was solche Anfälle stimulieren können. Es war nichts im EEG zu sehen.
Das ist aber auch nicht untypisch, denn im EEG sieht man Anfälle, wenn sie gerade stattfinden (deswegen auch die Stimulationen) oder wenn bereits so gravierende Anfälle stattgefunden haben, dass Schäden im Gehirn entstanden sind (nach Grand Mals).
Im EEG sieht man auch, wo durch Operationen Stellen sind, an denen das Gehirn "gelitten" hat und wo Anfallswahrscheinlichkeiten sind.
Meine "Minianfälle" hatte ich so beschrieben, dass ich nicht mit Antiepileptika behandelt wurde. Ich konnte, nachdem ich sie kennengelernt hatte, damit gut umgehen, bemerkte sie, konnte aber dabei sogar weiter sprechen und Auto fahren.
Ich war ja immer wieder arbeiten und auf das Auto angewiesen - diese Medikamente hätten ein Autofahrverbot von einem Jahr zur Folge gehabt.
Nach meiner fünften Tumor-OP war es dann anders. Vier Wochen danach konnte ich für etwa eine Stunde nicht sprechen und schreiben. Da ich gerade wieder im Krankenhaus war, tippte der Neurochirurg auf einen fokalen Anfall. Es wurde sofort ein CT und später ein EEG gemacht, ohne dass es einen Nachweis für diesen Anfall erbrachte.
Dennoch wurde auf Grund der vielen Operationen sofort mit der antiepileptischen Therapie begonnen.
Ich fand das richtig.
Ich glaubte zunächst, dass nun keine Anfälle mehr erfolgen dürften, aber das war insofern naiv, weil ich nicht wusste, dass sich das Antiepileptikum erst im Laufe von einigen Wochen auf einen bestimmten Medikamentenspiegel aufdosiert.
Ich hatte also acht Wochen nach Beginn der Medikamenteneinnahme einen weiteren Anfall ganz anderer Art, mit Anfangsübelkeit und anschließender Bewußtlosigkeit für eine Dauer, die ich nicht weiß und als Folge einen Sturz mit Schädel-Hirn-Trauma.
Im Krankenhaus wurde die Ursache wieder mit CT und EEG gesucht, wieder erfolglos.
Dennoch ist mir völlig klar, dass es nach diesen Eingriffen im Kopf genug Auslöser für epileptische Anfälle gibt - und die will ich nicht!
Deinem Mann geht es insgesamt schlechter. Er ist nach seiner OP immer noch im Krankenhaus. Es gibt mehrere Ursachen von den Operationen und deren Folgen, die Anlass genug sind, solche Anfälle auszulösen. Mit meinem Beispiel wollte ich Dir sagen, dass es auch bei ihm möglich ist, dass weitere Anfälle auftreten, die auch von ganz anderer - und heftigerer - Art sein können. Einen Grand Mal will keiner sehen oder selbst erleben!
Ich würde es also sehr gut verstehen, wenn Dein Mann jetzt auf Antikonvulsiva eingestellt wird, die mit einer Chemotherapie verträglich sind.
Deine Frage nach dem EEG ist berechtigt, man wird es auch tun, aber auf Grund der bereits zwei sichtbaren, wenn auch leichten, Anfälle wäre es richtig, ihn medikamentös einzustellen.
Du weißt sicher, das nicht unbedingt das erste Medikament wirkt, dass mitunter Änderungen erfolgen oder ein zweites Medikament hinzu gegeben werden muss.
Auch Deine Frage nach der eventuellen Hirnschädigung verstehe ich, aber diese ist bei so leichten Anfällen nicht und durch die Medikamente auch kaum gegeben.
Das Problem ist, wie viele Medikamente Dein Mann bereits nehmen muss sowie dass es bei den Antiepileptika eine Einschleichphase gibt, in der Dein Mann schläfriger werden kann oder andere vorübergehende Reaktionen zeigen könnte. Da er aber, wenn es begonnen wird, im Krankenhaus ist, passen die Ärzte und das Pflegepersonal gut auf ihn auf.
Einen davon unabhängigen Tipp hätte ich noch. Du schriebst, dass Du ihn gern mehr bewegen möchtest und ihn mehr zum Reden bringen willst. Ich selbst wollte nach den Operationen eher meine Ruhe haben, selbst Besuch war zwar nett, aber eigentlich zu anstrengend, ich war völlig fertig danach. Richte Dich nach den Bedürfnissen Deines Mannes. Es genügt, denke ich, wenn Du einfach da bist. Halte seine Hand, erzähle ihm etwas, aber fordere noch nicht zu viel von ihm. Das alles braucht Zeit, viel Zeit.
Alles Gute für Deinen Mann und Dich!
KaSy