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Thema: 2 x kurze Absencen (10-20 Sek.): gefährlich?

2 x kurze Absencen (10-20 Sek.): gefährlich?
Tira
20.08.2018 02:11:33
Mein Mann (Glioblastom-Rezidiv-OP am 12.7., seit dem im Kankennhaus) hatte wohl heute 2x kurze Absencen (es hieß: er blickte beim Essen plötzlich ins Leere und hörte zu kauen auf).
Muss man da gleich medikamentös dagegen vorgehen, oder kann man erstmal abwarten, ob sich das von selbst wieder gibt und sollte die Diagnose nicht vorher per EEG abgeklärt werden?
Sind solche kurzen Absencen schädlicher für die kognitiven Fähigkeiten als die antikonvulsiven Medikamente?
Tira
KaSy
20.08.2018 15:19:31
Liebe Tira,
Dein Mann hatte eine Glioblastom-OP vor einem Jahr, hat weitere Therapien hinter sich, die nur zeitweise wirksam waren, denn es entstand ein Rezidiv, was einen zweiten Eingriff in das Gehirn erforderte. Dabei konnte in der Klinik eine Liquorfistel nicht umgehend behandelt werden, wodurch es eine weitere Belastung gab. Die Hirnschwellung wurde/wird zwar mit Cortison behandelt, sie hat aber direkte Auswirkungen auf die angrenzenden Hirnbereiche.

Wenn so viel im Kopf geschehen ist, was Vernarbungen und Bedrängungen von Teilen des Hirns zur Folge hatte, ist es möglich und bei Deinem Mann leider Realität geworden, dass epileptische Anfälle auftreten.

Mit diesen kurzen Absencen hat er momentan noch "Glück" gehabt. Du weißt, dass es deutlich schlimmere Anfälle geben kann.

Ich selbst habe zwar kein Glioblastom, bin aber mittlerweile etwa achtmal wegen WHO III-Meningeomen und deren Folgen operiert worden. Seit der zweiten Tumor-OP hatte ich eigenartige Empfindungen im Kopf, die mir Angst machten, die aber auch nur weniger als eine Minute dauerten. Ich konnte sie lange nicht deuten. Sie traten völlig unregelmäßig auf. Irgendwann meinte ein Neurochirurg und auch meine Neurologin, es könnten fokale epileptische Anfälle sein und es wurde ein EEG gemacht mit allem, was solche Anfälle stimulieren können. Es war nichts im EEG zu sehen.

Das ist aber auch nicht untypisch, denn im EEG sieht man Anfälle, wenn sie gerade stattfinden (deswegen auch die Stimulationen) oder wenn bereits so gravierende Anfälle stattgefunden haben, dass Schäden im Gehirn entstanden sind (nach Grand Mals).

Im EEG sieht man auch, wo durch Operationen Stellen sind, an denen das Gehirn "gelitten" hat und wo Anfallswahrscheinlichkeiten sind.

Meine "Minianfälle" hatte ich so beschrieben, dass ich nicht mit Antiepileptika behandelt wurde. Ich konnte, nachdem ich sie kennengelernt hatte, damit gut umgehen, bemerkte sie, konnte aber dabei sogar weiter sprechen und Auto fahren.

Ich war ja immer wieder arbeiten und auf das Auto angewiesen - diese Medikamente hätten ein Autofahrverbot von einem Jahr zur Folge gehabt.

Nach meiner fünften Tumor-OP war es dann anders. Vier Wochen danach konnte ich für etwa eine Stunde nicht sprechen und schreiben. Da ich gerade wieder im Krankenhaus war, tippte der Neurochirurg auf einen fokalen Anfall. Es wurde sofort ein CT und später ein EEG gemacht, ohne dass es einen Nachweis für diesen Anfall erbrachte.

Dennoch wurde auf Grund der vielen Operationen sofort mit der antiepileptischen Therapie begonnen.

Ich fand das richtig.

Ich glaubte zunächst, dass nun keine Anfälle mehr erfolgen dürften, aber das war insofern naiv, weil ich nicht wusste, dass sich das Antiepileptikum erst im Laufe von einigen Wochen auf einen bestimmten Medikamentenspiegel aufdosiert.

Ich hatte also acht Wochen nach Beginn der Medikamenteneinnahme einen weiteren Anfall ganz anderer Art, mit Anfangsübelkeit und anschließender Bewußtlosigkeit für eine Dauer, die ich nicht weiß und als Folge einen Sturz mit Schädel-Hirn-Trauma.

Im Krankenhaus wurde die Ursache wieder mit CT und EEG gesucht, wieder erfolglos.

Dennoch ist mir völlig klar, dass es nach diesen Eingriffen im Kopf genug Auslöser für epileptische Anfälle gibt - und die will ich nicht!

Deinem Mann geht es insgesamt schlechter. Er ist nach seiner OP immer noch im Krankenhaus. Es gibt mehrere Ursachen von den Operationen und deren Folgen, die Anlass genug sind, solche Anfälle auszulösen. Mit meinem Beispiel wollte ich Dir sagen, dass es auch bei ihm möglich ist, dass weitere Anfälle auftreten, die auch von ganz anderer - und heftigerer - Art sein können. Einen Grand Mal will keiner sehen oder selbst erleben!

Ich würde es also sehr gut verstehen, wenn Dein Mann jetzt auf Antikonvulsiva eingestellt wird, die mit einer Chemotherapie verträglich sind.

Deine Frage nach dem EEG ist berechtigt, man wird es auch tun, aber auf Grund der bereits zwei sichtbaren, wenn auch leichten, Anfälle wäre es richtig, ihn medikamentös einzustellen.

Du weißt sicher, das nicht unbedingt das erste Medikament wirkt, dass mitunter Änderungen erfolgen oder ein zweites Medikament hinzu gegeben werden muss.

Auch Deine Frage nach der eventuellen Hirnschädigung verstehe ich, aber diese ist bei so leichten Anfällen nicht und durch die Medikamente auch kaum gegeben.

Das Problem ist, wie viele Medikamente Dein Mann bereits nehmen muss sowie dass es bei den Antiepileptika eine Einschleichphase gibt, in der Dein Mann schläfriger werden kann oder andere vorübergehende Reaktionen zeigen könnte. Da er aber, wenn es begonnen wird, im Krankenhaus ist, passen die Ärzte und das Pflegepersonal gut auf ihn auf.

Einen davon unabhängigen Tipp hätte ich noch. Du schriebst, dass Du ihn gern mehr bewegen möchtest und ihn mehr zum Reden bringen willst. Ich selbst wollte nach den Operationen eher meine Ruhe haben, selbst Besuch war zwar nett, aber eigentlich zu anstrengend, ich war völlig fertig danach. Richte Dich nach den Bedürfnissen Deines Mannes. Es genügt, denke ich, wenn Du einfach da bist. Halte seine Hand, erzähle ihm etwas, aber fordere noch nicht zu viel von ihm. Das alles braucht Zeit, viel Zeit.

Alles Gute für Deinen Mann und Dich!
KaSy
KaSy
Tira
23.08.2018 02:32:23
Liebe KaSy,

mein Mann hat am Tag nach der OP abends 1000 mg, dann zunächst morgens und abends 1000mg, 1 Woche später 2x1500 mg Levetiracetam bekommen.
Nachdem es ihm am Tag nach der OP soweit gut ging, er - mit Hilfe, aber rechtzeitig - zur Toilette gehen konnte und bis auf starke Müdigkeit (bei einem 77jährigen mit schon vorher mäßigem Allgemeinzustand nach einer Hirn-OP m.E. normal) keinerlei Zeichen für epileptische Anfälle hatte, am Tag darauf (also nach der 1.+2. Levetiracetam -Gabe) aber vollkommen inkontinent war und fast nur noch schlief, haben wir das Antikonvulsivum zumindest schwer im Verdacht seinen Zustand mit verschlechtert zu haben. Nach 3 Wochen haben wir es geschafft, dass das Mittel wieder abgesetzt wurde. Jetzt ist er also seit gut 2 Wochen wieder "ohne"

In einem Artikel von Dr.U. Schlegel in "Brainstorm 2/2007" stand, dass die Antikonvulsiva bei Patienten mit Hirntumoren Gedächtnisleistungs- und Konzentrationsstörungen verstärken können und nur bei nachgewiesenen Anfällen gegeben werden sollten.

Nach der 1. OP wurde ihm ein Notfallmedikament verschrieben, das wir beide immer dabei haben. Natürlich ist das Risko für einen Anfall jetzt größer, aber ich hoffe einfach, dass es bei ihm zunächst bei dem nur hin und wieder kurzen "Einschlafen" bleibt.
Außerdem war der Druck im Hirn wohl wieder gestiegen. Die Einstellung des Shunts ist noch nicht abgeschlossen. Nachdem gestern wieder Liquor abgezogen wurde, geht es ihm auch wieder besser.

Wie lange Zeit war bei Dir zwischen der 2. und 5 OP ?
Würdest Du rückwirkend betrachtet sagen, dass Du gleich bei den kleinen Anfällen Medikamente hättest nehmen sollen?
Wie geht es Dir jetzt?

Was das Mobilisieren angeht: Ich habe eigentlich das gleiche Gefühl dazu wie Du, aber wenn der Physiotherapeut ihm Anweisungen gab, dann machte er mit und danach war er deutlich wacher (für kurze Zeit).
Ich bewege nur ein bisschen seine Extremitäten um ihn zum Essen wacher zu machen (damit er sich nicht verschluckt) und natürlich damit er beweglich bleibt.
Wenn nicht nochmal was dazwischen kommt, kommt er aber morgen sowieso in Frühreha.

Liebe Grüße,
Tira
Tira
KaSy
23.08.2018 08:32:55
Liebe Tira,
nachdem ich Deine genauere Schilderung gelesen habe, kam in mir erst einmal Wut über die Ärzte auf, die Deinem Mann Antikonvulsiva gaben, um sich abzusichern, obwohl ihnen bekannt sein muss, dass es völlig sinnlos ist, ohne dass ein Anfall vorliegt. Wie lange soll das denn dauern, bis sich diese Erkenntnis endlich durchsetzt?!

Andererseits ist vermutlich nur die verstärkte Müdigkeit auf dieses Medikament zurückzuführen.

Das Einnässen und auch die Müdigkeit haben vor allem ihre Ursache in dem erhöhten Hirndruck, worauf mit dem Shunt völlig richtig reagiert wurde.

Gedächtnis- und Konzentrationsstörungen können vielleicht Folgen der Antikonvulsiva sein, das muss aber nicht eintreten.

Levetiracetam wird von den meisten Betroffenen sehr gut vertragen und geht keine Interaktionen mit anderen Medikamenten ein, wäre also im Falle einer Chemotherapie richtig. Es kann das Wesen etwas verändern, indem es eventuell Gereiztheit, Aggressionen, Depressionen leicht verstärkt.

Euer Notfallmedikament (Lorazepam = Tabor) wirkt rasch beruhigend bei starker Erregung. Einen Anfall verhindert es nicht unbedingt, es schadet aber auch nicht. Abhängig macht es, wenn man es täglich nimmt.

Ich selbst vertraue generell den Ärzten, belese und informiere mich aber auch viel. Ich möchte als wissender Partner behandelt werden und frage nach, wenn mir etwas unklar ist.
Insofern finde ich es richtig, dass ich nicht früher bereits antikonvulsiv behandelt wurde.

Es ist auch so, dass man Anfälle, die erstmalig innerhalb von 7-10 Tagen nach einer Hirn-OP stattfinden, nicht sofort therapieren sollte, da - wie bei Deinem Mann - noch andere Vorgänge im Kopf erfolgen, auf die man anders (bei Euch der Shunt und die Liquorreduktion) reagieren kann. Ich denke, dass Medikamente in dieser Situation Beschwerden verbergen können, die dann übersehen und im schlimmsten Fall nicht oder erst spät behandelt werden.

Das war bei Deinem Mann nicht so.
Das Absetzen der Medikamente war eine gute Entscheidung.

Meine Meningeome waren und sind eine Herausforderung für die Ärzte. Alle paar Jahre traten sie in der Umgebung des ersten OP-Gebietes (1995) auf, z.T. als Rezidive an derselben Stelle. Alle wurden operiert, dreimal (zuletzt 2017)/wurde an jeweils nicht überlappenden Stellen bestrahlt.

Bis 2011 habe ich gearbeitet, nun schaffe ich nicht mehr viel. Das ist nach den vielen OP logisch, aber nicht schön. Ich lebe recht gut, tue jeden Tag irgendetwas Sinnvolles, genieße die kleinen Momente und wenn ich mich länger belaste, brauche ich eben auch viel länger Ruhe. Anfälle hatte ich keine mehr seit 22 Monaten. Woher meine Antriebsschwäche kommt weiß ich nicht genau, aber ich kann damit meist umgehen.

Ich wünsche Deinem Mann und Dir alles Gute - und pass auch auf Dich auf!
KaSy
KaSy
Tira
12.09.2018 02:22:23
Liebe KaSy,

ist bei dir der Tumor auch im Frontalhirn?

"Andererseits ist vermutlich nur die verstärkte Müdigkeit auf dieses Medikament zurückzuführen."
Bei meinem Mann gehört ja die Müdigkeit und Antriebslosigkeit zu den Hauptsymptomen seiner Erkrankung. Meiner Meinung nach hat diese durch Keppra nochmal verstärkte Müdigkeit durchaus zumindest einen deutlichen Anteil an der Misere.
Der Hirndruck ist erst ein paar Wochen später angestiegen, da lief ihm der Liquor dann aus den Nähten. Nachdem das ein paar Tage fröhlich vor sich hin gelaufen war, wurde erst eine Drainage gelegt, dann bekam er dadurch ziemlich große Mengen Luft ins Hirn und er bekam eine leichte Meningitis.Dann traten erst diese leichten Absencen auf. Die ersten CTs waren alle ok.

5 OP - das mag ich mir gar nicht vorstellen.

Ja, ich hoffe, dass mein Mann auch nochmal so weit kommt, dass er selbstbestimmt sein Leben noch genießen kann.

Dir auch alles Gute.
Tira
Tira
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