Unterstützen Sie unsere Arbeit für Hirntumorpatienten. Vielen Dank!

Jetzt spenden

hortensie

Hallo, ich möchte mich heute mal wieder melden, obwohl es mir schwer fällt, meine Gefühle in Worte zu bringen. Mein Mann ist vorgestern zum dritten Mal erfolgreich operiert worden, 1.OP war 09/13 , 2.OP 01/14 ( Notaufnahme wegen neurologischer Ausfälle), im März beim Kontroll-MRT waren schon wieder weiße Flecken zu sehen, deshalb schon nach 6 Wochen wieder Kontrolle, wo trotz Chemotherapie eindeutig Wachstum zu sehen war. Es macht mich wütend, wenn ich ständig ausgefragt werde, wie es meinem Mann geht und dann alles verharmlost wird, nach dem Motto Tumor entfernt, Mann sieht gut aus, läuft auch noch, da ist doch die Welt i. O. Meine Ängste werden kleingeredet, ich fühle mich dann noch schlechter. Bloß gut, das es das Forum gibt und einige gute Freundinnen, die Verständnis für die Achterbahnfahrt der Gefühle haben. Am Dienstag habe ich auch noch einen Termin beim Psychoonkologen. Wie geht ihr mit nervenden Fragern um?

Pipo

Hallo Hortensie,

generell richte ich mich in meiner Informationspolitik nach den Wünschen meines Mannes. Kurz nach der Diagnose, als er das selbst noch nicht überblicken konnte, bin ich nach außen hin sehr zurückhaltend geblieben, bis er entscheiden konnte, was wie kommuniziert wird.

Was Du beschreibst, diese Spanne zwischen Nachfragen und Bagatellisieren hat tatsächlich einen unangenehmen Beigeschmack.

Weitläufigere Bekannte speise ich mit einer Auswahl an Allgemeinplätzen ab (im Moment gut, mal abwarten, momentan nicht so gut... usw. und schalte weitgehend auf Durchzug.
Einen ausführlichen Austausch pflege ich nur mit engen Freunden, aber auch da ist man nicht vor wohlmeinenden Kalendersrüchen gefeit - da reagiere ich dann durchaus schonmal krawallig oder sage klipp und klar, welche Gespräche mir etwas nützen und welche nicht; ich habe wohl ein eher undiplomatisches Naturell.

Ich glaube, daß Du es instinktiv richtig machst, wenn Du Dich an Deine Freundinnen hälst und Dir psychoonkologische Unterstützung suchst.

Viele Grüße
Pipo

tinchen

Liebe Hortensie,

ich habe das Glück, sehr verständnisvolle Kollegen und auch Vorgesetzte zu haben.
Es ist im Betrieb bekannt, dass mein Mann an einem Hirntumor erkrankt ist. Ich werde jedoch nicht laufend darauf angesprochen, eigentlich nur, wenn ich selbst etwas erzähle oder ein Problem (Arbeitszeitverlagerung u.ä.) zu lösen ist. Die erste Zeit bin ich ungern in andere Abteilungen gegangen, aus Angst darauf angesprochen zu werden (auch das gabs und gibts natürlich hin und wieder, man gewöhnt sich aber daran).

Meine besten Freunde und nahe Verwandte wissen, was die Diagnose "Glioblastom" bedeutet und stellen keine dummen Fragen. Mit ihnen kann ich offen reden, auch wenns mir mal so richtig "SCH...E" geht.

Gute Bekannte wissen nur, dass mein Mann einen Hirntumor hat und operiert worden ist. Da höre ich schon ab und zu: "OPERIERT - dann ist ja alles soweit in Ordnung...". oder "die Chemo wird schon helfen und dann habt ihrs geschafft..." Viele wissen es einfach nicht besser und ich nehme das eigentlich niemand übel.

Flüchtig Bekannten erzähle ich oft gar nichts, antworte auf die Frage "na wie gehts euch so?" mit dem Wort "GUT", obwohl es ja nun absolut nicht stimmt.
Einfach, damit ich meine Ruhe habe und nichts erzählen muß.......

Liebe Hortensie, ärgere dich nicht über "falsche" oder "unpassende" Worte. Manche überspielen vielleicht damit auch ihre Unsicherheit...

Sicher hilft dir auch das Gespräch mit der Psychoonkologin.

Sei ganz lieb gegrüßt
von tinchen

hortensie

Liebe Pipo. liebe Tinchen,
ganz herzlichen Dank für eure verständnisvollen Zuschriften. Mein Problem ist sicherlich auch, das ich in einem kleinen schönen Wohngebiet lebe, wo jeder jeden kennt und viel miteinander gesprochen wird, leider nicht immer freundlich. Durch eine Gehirnblutung, verbunden mit einem Schlaganfall, bin ich seit drei Jahren EU-Rentner. Da ich mich körperlich gut erholt habe, hatten wir zwei wunderschöne Jahre mit meinem Mann. Ich habe ihn oft auf seinen Dienstreisen begleiten können. Ich habe in dieser Zeit aber auch viel Neid erfahren und das Gefühl," ich müßte mal richtig wieder eins aufs Dach kriegen". Trotz psychologischer Hilfe stolpere ich von einem Loch ins andere, da ich mit meinem Mann die Probleme nicht mehr so besprechen kann wie früher. Er hat die Gefährlichkeit seiner Krankheit noch immer nicht ganz erfasst, vielleicht finden wir nach dieser OP etwas Ruhe.
Ich wünsche euch ein schönes Pfingstfest, seid lieb gegrüßt von Hortensie

Schwan01

Liebe Hortensie, ich kann nur zu gut nach voll ziehen wie es dir geht, bei uns ist es meine Tochter (31) die vor 8 Monaten an einem Glioblastom erkrankt ist, zweimal operiert wurde, gleich 30 Bestrahlungen/Chemos, dann Pause in 3 Wochen dann die nächste Chemo, das letzte MRT war i.o., das Gewebe hat kein Kontrast mittel angenommen, hatte dann alle Bekannte usw. eine Rundmail verschickt, das momentan alles i.o. ist, die gleiche Reaktionen haben wir auch erlebt, na dann ist doch alles Klasse, ja es ist alles super, das Kurzzeitgedächnis ist schlecht...möchte jetzt nicht darauf eingehen....die letzte Chemo hat sie überhaupt nicht vertragen, da ich im Moment krank geschrieben bin, gehe ich den Fragen der Kollegen aus dem Weg, ich bin sehr offen damit umgegangen, verschließe mich aber immer mehr, da mein Mann und ich so ziemlich mit allem alleine da stehen. Trotz psychologischer Hilfe falle ich von einem Löch ins andere, von vielen wird mir geschrieben, gesagt ich muss mehr für mich tun, es ist nur sehr leicht gesagt, wie wir vor 4 Jahren uns entschlossen haben eine Wohnung zu kaufen, Erdgeschoss mit Garten in einer ruhigen Siedlung, allerdings 25 km von unserem Arbeitgeber weg, war das alles gut machbar für uns, mein Mann arbeitet in 3 Schichten , ich normal in Teilzeit, Freitags immer frei, alles hat sich gut angefühlt, vor 8 Monaten hat sich schlagartig unser Leben geändert, nichts ist mehr so wie es war, meine Tochter erkrankt an diesem Tumor, ich bin sehr viel im Forum....die vielen Langzeitüberlebenden geben immer wieder Hoffnung, den die stirbt bekanntlich zuletzt, aber mit 8 Monaten Kampf gehört meine Tochter auch dazu, vor 3 Monaten hat sich ihr Freund von ihr getrennt, er hatte es ja schon vor der Diagnose vor, sie hat trotz Betrahlungen, zurück kämpfen ins Leben , ihm den Rücken frei gehalten, trotz allem hat er sich von ihr getrennt, diese Trennung hat ihr zugesetzt, ist auch völlig verständlich, dann ist sie bei uns eingezogen, wir haben eine sehr anstrengende Zeit, aber auch sehr intensive Zeit miteinander. Das schlimmste ist für mich mit ihr schlechtes Kurzzeitgedächnis....wo man sie nicht mit ruhigem Gewissen alleine lassen kann, mittlerweile ist auch mein Mann der Meinung. Selbst in der Familie alle arbeiten kommt in der Hinsicht wenig Unterstützung, es arbeiten alle, dann ist noch unser 84 jähriger Schwiegervater der altersbedingt immer dementer wird.
So bin ich immer wider krank geschrieben, leider ist mein Arbeitgeber mir noch nicht entgegen gekommen wegen einem mobilen Arbeitsplatz, ich hoffe in der nächsten Woche einen Schritt weiter zu kommen.

Ich wünsche euch allen ein ruhiges Pfingstfest, seid lieb gegrüßt Manuela

Dr.z

Es verstehen sehr wenige Leute, die sich nie mit dieser Erkrankung außernandergesetzt haben, was es im reellen Familienleben bedeutet. Die Frage mach "wie geht es",müßte immer Euch bedeuten. Ich finde ,dass die Angehörigen um ein vielfaches mehr belastet sind, als bei jeder anderen Erkrankung, und der Patient selbst sowieso. Die Seltenheit der Erkrankung, die daraus resultierenden recht schleichend vorangehenden Untersuchungen und Therapiemöglichkeiten aus schulmedizinische Sicht geben ja kaum Hoffnung und immer diese Statistiken. Eigentlich müßte man sich Augen und Ohren zuhalten und sagen ich lebe mein Leben. Wenn man bei der Erstdiagnose schon hört."Lebenslimitiernd, lebensbestimmend , rezidiveren kreist das im Kopf herum und läßt einen nicht mehr los.
Eine tickende Bombe, nur den Zeitpunkt bestimmt jeder selbst.
Deswegen sage ich immer den Umständen entsprechend gut.Jede Untersuchung, jedes Ärztegespräch kann bald veraltert sein und alles ist komplett anders.Die Kunst ist es nur in wenigen Momenten vielleicht unbeschwert und frei agieren zu können. Als Patient sowie an Angehöriger.

Schwan01

Hallo Dr.z, Du hast den Nagel auf den Kopf getroffen, es ist wirklich eine Kunst in wenigen Momenten unbeschwert und frei zu agieren.
Ich habe die Erfahrung gemacht das die Patienten "besser" damit umgehen und das jetzt, hier und heute so gut leben wie sie es können, erlebe ich ganz oft bei meiner Tochter, sie lebt viel bewusster, macht sich über sehr vieles Gedanken, überlegt bis sie handelt.
Selbst wenn man sagt den Umständen entsprechend gut, stößt man auf Unverständnis. Es stimmt die Angehörigen sind um ein vielfaches mehr belastet, wenn man realisiert hat was überhaupt los ist, fängt man an sich zu informieren....nimmt Kontakt auf mit der Diakonie....es bleibt wenig Zeit für etwas anderes.

Dein Beitrag ist sehr gut geschrieben, danke.

hortensie

Liebe Sheriff01, Liebe Dr. z.,
vielen Dank für eure Antworten. Es ist so schön, das es dieses Forum gibt. Man erfährt immer wieder, das man mit seinen Problemen nicht allein ist und wir uns dadurch gegenseitig Kraft geben können. Im Moment bin ich glücklich über die erfolgreiche OP und er hat sich ganz lieb bedankt, das ich für ihn da bin. Für ihn ist es ein Riesenproblem, Geduld mit sich selbst zu haben und seinen Ängsten Ausdruck zu verleihen. Ich hoffe auch mit eurer Hilfe ihm auf seinem Wege beistehen zu können. Danke allen Mutmachern.

Iwana

Hallo Hortensie
Ev. hat dein Mann die Gefährlichkeit der Krankheit nicht ganz erfasst, oder es ist so wie ich es gemacht habe, ihm voll bewusst und er will sein Umfeld nicht belasten und "spielt" es deshalb runter. Das ganze auszublenden und sich aufs hier und jetzt zu konzentrieren ist als Betroffene/r die einzige Möglichkeit um Tag für Tag weiterleben zu können, Vorallem dann wenn langsam Defizite zu Tage kommen... Eine andere Möglichkeit bleibt nicht als einfach weitermachen...

Ich hoffe aber für dich, dass ihr trotzdem die wichtigen Dinge bald besprechen könnt, damit du dann etwas zur Ruhe kommst, ich habe es jedenfalls so erlebt, dass als ich alles geschrieben hatte meine Patientenverfügung, klar war wie das Setting für meinen Sohn nach meinem Tod aussieht (er ist 8), ich zur Ruhe kam.

Gruss Iwana

gramyo

Liebe Hortensie,

in ganz vielen Dingen kann ich meinen Vorrednerinnen nur zustimmen.
Noch einmal möchte ich Iwanna`s Sichtweise unterstützen, dass man als Betroffener sich absolut auf das Hier und Jetzt konzentriert und damit auch gelassener bleibt.

Bei meinem Partner war es zum Glück so, dass er unmittelbar nach dem MRT in ein Kreiskankenhaus kam (Diagnose : Raumforderungen im Kopf, schon da Verdacht auf Glioblastom).

In dieser allerersten Schocksituation wollte er unbedingt eine Patientenvollmacht, sein Testament und für mich die Vorsorgevollmacht machen.
Danach wollte er nur so gut wie möglich leben.Das haben wir auch sehr gut bis zu seinem Ende auf dieser Erde leben können..

Auch ich kann nur sagen, dass uns hier das Forum dabei sehr unterstützt hat und es hier auch absolut das Verständniss gibt, was bei den meisten "Aussenstehenden " nicht vorhanden ist.Es ist "hier" wirklich ein sehr schönes Geben und Nehmen.

Wenige Freunde/Freundinnen sind besser und bewirken auch mehr, als die "allgemeine , häufig oberflächliche Anteilnahme".
Dass du in psychoonkologischer Therapie bist, finde ich sehr gut und wird eine gute Hilfe für dein Leben sein.

Von ganzem Herzen wünsche ich euch , dass ihr immer wieder, trotz Einschränkungen , kleine Zeiten des Glücks und eine intensiv, gefühlte Zeit in eurem Leben habt.

Herzliche, verständnisvolle Grüße
von Gramyo mit Burkard im Herzen und Leben ... Hier und Jetzt...

Antworten nur für eingeloggte Benutzer möglich

Nur angemeldete Nutzer können eine Antwort erstellen. Bitte loggen Sie sich ein oder erstellen Sie einen Account.