Hallo an alle,
ich schaue nicht so häufig in das Forum, denn oft kann ich es nicht ertragen. Aber wenn es mir schlecht geht und die Nacht zum Tag wird, lese ich eure Beiträge, finde Mitleidende und hoffe auch Tipps. Bei meinem 80-jährigen Vater wurde im Februar ein Glioblastom teilweise entfernt, es folgten Bestrahlungen und mittlerweile 3 Chemos.
Das erste Anzeichen, das etwas nicht stimmt, war an meinem Geburtstag und dann ging es rasend schnell, dass er nur noch plapperte, keine sinnvollen Worte mehr bilden konnte, obwohl die wohl in seinem Kopf noch richtig waren. Vor der OP bekam er Cortison, das schon mal etwas half, und nach der OP sah es richtig gut aus. Aber nach und nach wurde die Sprache schlechter, er verlegte Dinge und verstand/begriff vieles nicht mehr. Ich ging zu jedem Arztgespräch mit, auch weil ich teilweise "übersetzen" musste und egal wieviel Zeit die Ärzte sich ließen (und jeder nahm sich sehr viel Zeit), musste ich ihm daheim alles noch mal erklären. Er hatte sich auch verändert. Mein früher immer witziger Papa wurde auf einmal "bissig", denn er merkte, dass sein Kopf nicht mehr das macht, was er soll. Ende April ging ich wegen meiner Depression in eine Klinik, vor dem Glioblastom ging es mir schon nicht gut und das gab mir den Rest. Mein Sohn kümmerte sich um seinen Opa, fuhr mit ihm zum Arzt und wusste auch, wo er hin muss, wenn ...
Nach knapp 3 Wochen rief er mich an, weil er meinen Vater in die Klinik brachte, da er orientierungslos war. Es wurde ein CT gemacht und nach Aufnahme in der Klinik auch ein MRT. Der Anfangsverdacht, dass der Tumor gewachsen ist, hat sich nicht bestätigt. Also wurde das Cortison erhöht, um den Hirndruck zu senken. Bei dem Aufenthalt wurde dann auch die Palliativstation eingebunden und die haben ihn im Hospiz angemeldet, anfangs ja wegen dem Verdacht, dass der Tumor gewachsen ist. Die Klinik wollte ihn dann loswerden und er kam in Kurzzeit-Pflege (das Drama habe ich an anderer Stelle geschildert) und ist seit letzter Woche im Hospiz.
Auch wenn der Tumor nicht sichtbar gewachsen ist, hat sich sein Zustand sehr verschlechtert, aber er hat keine Schmerzen. In den ersten beiden Tagen haben wir ihn im Hospiz nicht besucht, es gibt ja immer noch Beschränkungen und ich dachte, es sei besser, wenn er sich erst einmal ohne uns dort einlebt. Am Samstag war ich dann bei ihm und seitdem hab ich Tränen in den Augen. Als ich kam, war er am Essen und es hat ihm anscheinend gut geschmeckt. Ich brachte ihm Kirschen mit, die er auch alle gegessen hatte. Aber er hat kaum gesprochen. Er ließ in den letzten Monaten alles über sich ergehen, aber irgendwie war ihm nie wirklich bewusst wie schwer krank er ist. Nach Wochen mit Bestrahlung und Chemo gab ich ihm Infomaterial über ein Programm für Krebskranke und meinte, das wäre ja nichts für ihn, da er keinen Krebs hätte. Als ich ihm sagte, dass es man bei Tumoren im Kopf nicht Krebs sagt, giftete er mich an, warum ich das vor ihm verschweige, was ich nicht tat. Ich versuchte auch vor seinem Umzug ins Hospiz, zu sagen, was Hospiz bedeutet, aber ich erreichte ihn wohl nicht - meine Mutter wurde von einem ambulanten Hospiz bis zu ihrem Tod betreut.
Er war die ersten Tage noch in einer "Soft"-Quarantäne, aber ich glaube, es wurde ihm jetzt wirklich bewusst wie ernst seine Krankheit ist. Er hat zum Glück noch keine Schmerzen, aber er ist nicht mehr ER, er existiert nur noch, aber er lebt nicht mehr. Ich weiß nicht, ob er sich von mir "verraten und verlassen" fühlt, aber ich kann nicht zu mir nehmen und ich kann auch nicht zu ihm ziehen. Mein Bruder, der weiter weg wohnt, war gestern bei ihm und brachte ihm eine Mini-Stereoanlage mit einigen CDs, die er gerne hört. Seine Antwort war, das könnt ihr wieder mitnehmen... Er war immer ein wandelndes Musiklexikon, es war nie still in der Wohnung. Er hat jede Freude verloren.