Vereinzelt habe ich ja schon den einen oder anderen Beitrag geschrieben oder mich daran beteiligt. Nun möchte ich aber einmal unsere Geschichte aufschreiben, von der Tumorentdeckung bis heute.
Am 13. Juli 2013 hatte mein Papa (damals 59) einen epileptischen Anfall. Er war an dem Tag bei meiner Oma zu Besuch, die Geburtstag hatte. Der Anfall war so schlimm, dass er reanimiert werden musste. Sein Glück war, dass ein paar Häuser weiter ein Rettungssanitäter war, der mitgekommen ist, als er den Notruf gehört hatte. Hätte mein Vater auf den Notarzt warten müssen, wäre er vermutlich Hirntot gewesen... Wir hatten damals wirklich wahnsinniges Glück, auch dass der Anfall nicht 15 Minuten früher passiert ist, denn dann wäre er noch im Auto unterwegs gewesen und das wäre böse ausgegangen.
Er wurde ins Klinikum gebracht, wo eine Auffälligkeit entdeckt wurde. Die Ärzte haben gleich reagiert und ihn nach Erlangen in die Kopfklinik überwiesen, damit er in den Händen von Spezialisten ist. Am 18.07. wurde er operiert, der Tumor wurde so weit wie möglich entfernt.
Ende Juli wurde mein Papa dann aus dem Krankenhaus entlassen, Ende August begann seine Therapie: 6 Wochen lang Bestrahlung und Chemo (Temodal). Die erste Zeit nach der OP war er wahnsinnig optimistisch, hat sich über sein - wie er es nannte - "zweites Leben" gefreut. Wenn man ihn so gesehen hat, hätte man nie gedacht, dass man einen Tumor-Patienten vor sich hat. Leider begann mit der Therapie auch eine sehr schwere Phase für ihn, er hatte schlimme Phasen, in denen er einfach nur fertig war, ihm die Tränen kamen und er wirklich viel Zuspruch benötigt hat. Ich habe ihn jeden Tag in seiner Wohnung besucht, mit ihm geredet und versucht, ihn zu trösten. Für mich war das wahnsinnig schwer, weil es mich selbst sehr berührt hat, ihn so zu sehen, denn bis jetzt kannte ich ihn nur als starken, optimistischen Mann, der allem eine gute Seite abgewinnen kann und sich nie hängen lässt. Ich musste mich in dieser Zeit wirklich sehr beherrschen, dass ich meine Fassung behalte und ihn motiviere, weiterzumachen, quasi "die Starke" für ihn spielen. Wir haben diese Zeit zum Glück überstanden und es ging wieder aufwärts.
Ende September hatte er einen erneuten epileptischen Anfall, der uns wahnsinnig erschreckt hatte! Wir haben das Schlimmste befürchtet, dass der Tumor gewachsen ist und sich der Zustand verschlechtert hat. Aber wir hatten wieder Glück, der Tumor hatte sich nicht verändert, es musste lediglich die Dosis des Antiepileptikums angepasst werden. Von Anfang November bis Anfang Dezember folgte dann die Reha, die er in Heidelberg verbrachte. Diese Zeit hat ihm neuen Mut gegeben, da er viel Kontakt mit betroffenen Menschen hatte, reden konnte und einfach mal aus dem gewohnten Umfeld raus kam, das ihn doch immer nur daran erinnert hat, wie sehr sich sein Leben plötzlich durch die Diagnose verändert hat.
Wir konnten wirklich noch sehr viele schöne Momente zusammen verbringen, für die ich sehr dankbar bin, denn wir hätten anfangs nie erwartet, dass es ihm trotz dieser schlimmen Diagnose noch einmal so gut gehen wird. Man merkte zwar, dass er schwächer wird und nicht mehr so belastbar ist, aber das ist bei einer solchen Krankheit und den Mengen an Medikamenten wohl normal.
Leider hat sich das Blatt nun gewendet. Vor drei Wochen hatte er einen Tag, an dem er nur im Bett lag, weil er zu schwach war, aufzustehen. Am nächsten Tag ist mein Papa im Garten gestürzt und hat sich das Bein aufgeschnitten, so dass es genäht werden musste. Da es zu der Zeit plötzlich relativ warmes Wetter gab, hatten wir vermutet, dass ihm das einfach auf den Kreislauf geschlagen hatte. Ein paar Tage später ging es ihm wieder besser, wir konnten am 29.04. sogar wie geplant seinen 60. Geburtstag mit vielen Freunden und Verwandten feiern, auf den er sich so sehr gefreut hat. Mich hat das so für ihn gefreut, denn ich denke, er hatte das auch als eine Art "Abschiedsfeier" gesehen, eine Gelegenheit, um noch einmal alle seine Freunde um sich zu haben.
Dieser positive Zustand hielt leider nicht lange an, denn schon eine Woche später (06.05.14) ging es ihm sehr schlecht, er musste sich übergeben und konnte aus eigener Kraft nicht aufstehen und seinen Termin in der Strahlenklinik nicht wahrnehmen. Meine Schwester und ich haben ihn schließlich mit dem Krankentransport in die Kopfklinik bringen lassen. Ich hatte wirklich Angst, denn für ihn ist es ungewöhnlich, dass er innerhalb kürzester Zeit mehrere Tage hat, an denen er so schwach ist, dass er nicht aufstehen kann. Nach einem MRT haben wir dann die Horror-Nachricht bekommen: Der Tumor ist gewachsen! Es wurde sofort wieder Chemo angesetzt, diesmal 3 Wochen Chemo und nur eine Woche Pause, über einen unbestimmten Zeitraum.
Ich fühle mich, als hätte mir jemand den Boden unter den Füßen weggerissen. Eben war noch alles gut und wir haben uns so gefreut, dass mein Vater mit der Diagnose so gut leben kann und plötzlich ist wieder alles anders. Die Trauer und Verzweiflung war so groß, dass ich mich kaum zu etwas motivieren konnte und sehr schwer getroffen hat mich, dass mein Freund in dieser Zeit nicht für mich da war. Ich habe mich einfach allein gefühlt, denn meine Schwester und meinen Vater wollte ich mit meinen negativen Gedanken nicht belasten, ich möchte sie motivieren und nicht noch mehr runterziehen.
Samstag, Sonntag und Montag konnte mein Vater aus eigener Kraft kaum aufstehen, am Samstag mussten wir ihm sogar im Bett sein Mittagessen geben. Das zu sehen hat mich einfach nur fertig gemacht. Ich musste mich wirklich beherrschen, um nicht loszuheulen, zumindest nicht vor ihm. Am Dienstag, also gestern, ging es wieder aufwärts, mein Vater war den ganzen Tag wach und hat nicht, wie die Tage vorher, alles verschlafen. Für mich ein kleiner Fortschritt, auch wenn er nur auf dem Sofa lag. Ihm hat das allerdings sehr auf das Gemüt geschlagen, dass er plötzlich zu schwach war, selbstständig einzukaufen oder sich etwas zum Essen zu holen. Ich konnte es in seinen Augen sehen, wie hoffnungslos er ist und wie ihn das alles deprimiert. Man hört auch öfter raus, dass er denkt, dass es nicht mehr lange geht mit ihm und ich hoffe wirklich sehr, dass da nur die aktuelle Hoffnungslosigkeit aus ihm spricht und nicht die tatsächliche Situation.
Meine Schwester und ich versuchen nun, ihn wieder zu motivieren, viel mit ihm zu reden und uns Zeit zu nehmen, damit er wieder neuen Antrieb findet. Es ist schwer, da wir beide voll berufstätig sind und meine Schwester auch eine Tochter hat, aber ich hoffe, dass wir das gemeinsam schaffen werden und wieder bessere Zeiten auf uns warten. Ich will am Freitag früher mit der Arbeit aufhören, um mit meinem Vater in die Stadt zu fahren, ich denke es tut ihm gut, mal wieder unter Leute zu kommen. Ich will ihn endlich wieder lachen sehen und wünsche mir, dass er neuen Lebensmut findet!
Trotz allem bin ich dankbar über die Zeit, die wir noch zusammen verbringen durften. Es sind nun 10 Monate seit der Diagnose vergangen und ich weiß, dass wir damit wahnsinniges Glück hatten! Ich habe nur furchtbare Angst vor allem, was jetzt kommen könnte, denn ich bin einfach noch nicht bereit, mich zu verabschieden. Allein der Gedanke daran macht mich so traurig und verzweifelt, dass ich nicht weiter weiß. Noch schlimmer ist es für mich aber, daran zu denken, dass es ihm schlechter gehen könnte und dass ich ihm nicht helfen kann...
Danke dass es euch im Forum gibt! Es tut gut ,sich das alles mal von der Seele zu schreiben und zu wissen, dass es Leute gibt, die eine solche Situation nachvollziehen können!