Hallo liebe Berlin 21,
hab keine Angst vor dem, was auf euch zukommt.
Gib deinem Mann Zeit - viel Zeit und sei geduldig, auch wenn er etwas länger für alles braucht. (Sorry, dass es so lang ist, aber ich weiß nicht, wie ich das kurz fassen soll!)
Mir ging das nach meiner OP damals auch so. Zum einen hatte ich sehr große Erinnerungslücken und zum anderen fiel es mir sehr schwer "angemessen zu reagieren", zeitlich, wie auch in meiner Wortwahl.
Ich bekam fast alles mit, außer negative Worte, die filterte mein Hirn komplett raus, aber ich konnte nur sehr langsam auf alles reagieren. Dabei kam ich mir manchmal vor, als würden die anderen glauben, dass ich nicht mehr ganz klar im Kopf sei. So war es aber nicht. Meine Konzentration war schlichtweg weg.
Als ich wieder zu Hause war, saß ich manchmal sehr lange einfach nur auf dem Fußboden und weinte sehr lange und wusste eigentlich nicht warum, aber es wirkte befreiend. Eine Freundin, die damals auf mich aufpasste ließ mich glücklicher Weise in der Position, sie fragte mich lediglich, ob ich da sitzen bleiben wolle und warum ich weine. Ich konnte ihr keine Antwort geben. Dann nahm sie mich an der Hand, zog mich hoch und sie ging mit mir auf unsere Couch. Dann las sie mir einfach kleine harmlose Kindergeschichten vor, bis ich mich beruhigt hatte. Es war total komisch, aber sie drängte mich zu nichts und genau das half mir, mich wieder zu beruhigen.
Die Ärzte der Uni meinten damals, dass es eine psychosomatische Verlangsamung sei, darüber sprach ich erst kürzlich mit meinem Neuropsychologen. Er aber meinte zu mir, dass er eher eine rein kognitive Verlangsamung darin sah und er meinte, dass das zum Teil durch die sehr langen Krampfanfälle kommen kann, aber wohl eher durch die OP hervorgerufen wurde. Meinem Körper hingegen war das scheinbar egal, denn "Spazierengehen" wurden von mir im Stechschritt absolviert. Mein Schatz musste ich damals immer an die Hand nehmen, dass ich ihm nicht "wegrenne". Wobei ich nie rannte, im klassischen Sinne.
Es dauerte eine ziemliche Weile bei mir und je weniger mich einer bedrängte, desto besser kam ich wieder zurecht.
Allerdings litt ich das erste Jahr wirklich an totaler Selbstüberschätzung - theoretisch, denn ich ging alles im Kopf immer und immer wieder durch, dass ich wichtige Arbeitsschritte ja nicht vergesse.
Schlimm war es für mich und ist es bis heute, wenn eine neue ungeplante Situation auf mich einpurzelt. Meine Spontanität hat ganz schöne Einbußen gemacht, aber ich arbeite dran. ^^
Negatives undStress bringen einen leider rel. schnell wieder in eine Art Verlangsamung, die zwar nicht mehr so ausgeprägt ist, wie am Anfang, aber schon deutliche Zeichen tragen.
Das Hauptproblem ist, dass man es selbst erst im Nachhinein erkennt, aber nie in der Situation.
Ich wünsche dir ganz viel Geduld und lass deinem Mann bitte die Freiheiten, die er braucht. Nur, weil man langsamer denkt, ist man nicht blöd - sorry, aber ein anderes Wort fällt mir gerade nicht ein.
Die Verlangsamung kam bei mir zustande, weil ich wahnsinnig viele Gedanken auf einmal in meinem Kopf hatte, die quasi fortwährend durchrauschten. Vergleichbar mit einer Datenautobahn, wo alles blitzschenll durchflitzt und dann muss man eine Lücke finden, wo man Eindrücke von außen aufnehmen, verarbeiten und darauf reagieren kann.
Das Gehirn beschäftigt sich dann sozusagen mit sich selbst, was einem die Reaktionen unheimlich erschwert.
Bei mir ist meine OP am 04.02. 3 Jahre her und ich hoffe, dass es auch da wieder o.B. sein wird.
(anapl. Oligodendrogliom WHO III vorn re. frontal rezidiv etwa faustgroß, aber gut abgekapselt - zu 98% operativ entfernt)