Thema: Abwarten oder handeln?
Abwarten oder handeln?
Fongi
04.06.2018 08:57:11
Hallo,
bei meinem Neffen ist vor einigen Wochen nach einem epileptischen Anfall ein Grad 2 Astrozytom links parietal, teils auch frontal und temporal diagnostiziert worden. Die Größe ist mit "etwa 8x4 cm" angegeben Es wurde MRT, funktionales MRT und Biopsien gemacht. Ein Neurochirurg hat wegen der Nähe zum Sprachzentrum eine Operation ausgeschlossen. Er hat keinerlei Einschränkungen. Wegen der krampfhindernden Medikation hat er ein vorläufig 6 monatiges Fahrverbot.Was tun? Erst mal abwarten oder sofort loslegen mit Behandlung, und wenn Behandlung, dann womit?
Die Frage wäre: Was bewirkt eine Chemotherapie bzw. Bestrahlung bei einem Grad 2-Tumor? Vergroessert oder verkleinert es die Wahrscheinlichkeit zur Umwandlung in einen Grad 3 oder 4 Tumor? Diese wird in der Literatur mit ueber 80% angegeben. Bezieht sich das auf behandelte oder unbehandelte Patienten oder auf alle? Verlaengert oder verkuerzt es die Zeit bis zu einer Umwandlung in ein malignes Stadium? Erleichtert oder erschwert es die spaetere Behandlung des malignen Stadiums? All das wäre wichtig für eine Entscheidung, es gibt aber so gut wie keine Zahlen dazu im Netz. Zumindestens habe ich keine gefunden.
In diesem Forum gibt es sicherlich einige, die in einem ähnlichen Entscheidungsprozess waren und vieleicht Informationen haben dazu.
Dank und Gruß
F.
bei meinem Neffen ist vor einigen Wochen nach einem epileptischen Anfall ein Grad 2 Astrozytom links parietal, teils auch frontal und temporal diagnostiziert worden. Die Größe ist mit "etwa 8x4 cm" angegeben Es wurde MRT, funktionales MRT und Biopsien gemacht. Ein Neurochirurg hat wegen der Nähe zum Sprachzentrum eine Operation ausgeschlossen. Er hat keinerlei Einschränkungen. Wegen der krampfhindernden Medikation hat er ein vorläufig 6 monatiges Fahrverbot.Was tun? Erst mal abwarten oder sofort loslegen mit Behandlung, und wenn Behandlung, dann womit?
Die Frage wäre: Was bewirkt eine Chemotherapie bzw. Bestrahlung bei einem Grad 2-Tumor? Vergroessert oder verkleinert es die Wahrscheinlichkeit zur Umwandlung in einen Grad 3 oder 4 Tumor? Diese wird in der Literatur mit ueber 80% angegeben. Bezieht sich das auf behandelte oder unbehandelte Patienten oder auf alle? Verlaengert oder verkuerzt es die Zeit bis zu einer Umwandlung in ein malignes Stadium? Erleichtert oder erschwert es die spaetere Behandlung des malignen Stadiums? All das wäre wichtig für eine Entscheidung, es gibt aber so gut wie keine Zahlen dazu im Netz. Zumindestens habe ich keine gefunden.
In diesem Forum gibt es sicherlich einige, die in einem ähnlichen Entscheidungsprozess waren und vieleicht Informationen haben dazu.
Dank und Gruß
F.
Flurina
04.06.2018 09:27:07
KaSy
04.06.2018 09:51:58
Hallo, Fongi,
die statistischen Erhebungen, wie oft Tumore einer bestimmten Art auftreten, helfen Dir und Deinem Neffen insofern leider nicht weiter, dass die Zahlen nichts darüber aussagen, ob Dein Neffe zu diesem oder jenem Anteil gehören wird. Ich denke, dass dieser Ansatz nicht richtig ist.
(Diese Zahlen in der Literatur geben normalerweise Erstdiagnosen an sowie Wahrscheinlichkeiten für Rezidive.)
Ich hätte diese Fragen:
Was hat der Neurochirurg (NC) empfohlen?
Wenn er keine Therapie (sondern Abwarten und Kontroll-MRT, weil "noch WHO II) angeraten hat, ist das erst einmal eine Facharztaussage, mit der man arbeiten kann.
Wenn "nur" die Nähe zum Sprachzentrum eine OP ausschließt, sollte man fragen, ob eine Wach-OP möglich ist. (Darüber kannst Du nachlesen.)
Eine Zweitmeinung ist bei dieser Problematik anzuraten.
Diese sollte umfassend in derselben oder einer Klinik mit NC, Onkologie, Strahlentherapie erfolgen.
Hat bei diesem Umfang der Untersuchungen (Waren es tatsächlich mehrere Biopsien?) bereits eine Tumorkonferenz (mit diesen und evtl. weiteren Fachärzten) zu seinem Fall getagt?
Wie sieht das alles Dein Neffe???
Wie alt ist er?
...
KaSy
die statistischen Erhebungen, wie oft Tumore einer bestimmten Art auftreten, helfen Dir und Deinem Neffen insofern leider nicht weiter, dass die Zahlen nichts darüber aussagen, ob Dein Neffe zu diesem oder jenem Anteil gehören wird. Ich denke, dass dieser Ansatz nicht richtig ist.
(Diese Zahlen in der Literatur geben normalerweise Erstdiagnosen an sowie Wahrscheinlichkeiten für Rezidive.)
Ich hätte diese Fragen:
Was hat der Neurochirurg (NC) empfohlen?
Wenn er keine Therapie (sondern Abwarten und Kontroll-MRT, weil "noch WHO II) angeraten hat, ist das erst einmal eine Facharztaussage, mit der man arbeiten kann.
Wenn "nur" die Nähe zum Sprachzentrum eine OP ausschließt, sollte man fragen, ob eine Wach-OP möglich ist. (Darüber kannst Du nachlesen.)
Eine Zweitmeinung ist bei dieser Problematik anzuraten.
Diese sollte umfassend in derselben oder einer Klinik mit NC, Onkologie, Strahlentherapie erfolgen.
Hat bei diesem Umfang der Untersuchungen (Waren es tatsächlich mehrere Biopsien?) bereits eine Tumorkonferenz (mit diesen und evtl. weiteren Fachärzten) zu seinem Fall getagt?
Wie sieht das alles Dein Neffe???
Wie alt ist er?
...
KaSy
Fongi
04.06.2018 11:30:08
hallo Florina und KaSy,
- eine Zweitmeinung wird in jedem Fall eingeholt werden
- der NC hat wegen der Nähe zum Sprachzentrum von einer Operation abgeraten
- die Biopsien würden aus 2 Bereichen mit jeweils 4 Proben genommen
- Die Proben sind zur Gentypisierung eingesandt (MGMT und IDH1)
-eine Tumorkonferenz hat bereits getagt. Empfehlung ist Bestrahlung (6 Wochen täglich) des betroffenen Bereichs, 4 Wochen Pause, danach Chemotherapie entweder mit der Kombi PCV und CCNU oder Temodar (6 Zyklen mit jeweils 5 Tagen Behandlung und 23 Tage Pause) Alles vorbehaltlich der Ergebnisse der Gentypisierung.
Meine Zweifel sind halt, ob man mit solcher Behandlung nicht den Tumor erst richtig wild machen kann, um es mal laienhaft auszudrücken. Im Forum habe ich mehrmals die Formulierung "keine schlafenden Hunde wecken" gelesen.
Mein Neffe (50) ist noch unentschieden, seine Frau ist eher für die Keule.
Sie hat Bestrahlung und Chemo vor 2 Jahren hinter sich gebracht wegen eines Lymphoms und ist im Moment ohne Befund.
Fongi
- eine Zweitmeinung wird in jedem Fall eingeholt werden
- der NC hat wegen der Nähe zum Sprachzentrum von einer Operation abgeraten
- die Biopsien würden aus 2 Bereichen mit jeweils 4 Proben genommen
- Die Proben sind zur Gentypisierung eingesandt (MGMT und IDH1)
-eine Tumorkonferenz hat bereits getagt. Empfehlung ist Bestrahlung (6 Wochen täglich) des betroffenen Bereichs, 4 Wochen Pause, danach Chemotherapie entweder mit der Kombi PCV und CCNU oder Temodar (6 Zyklen mit jeweils 5 Tagen Behandlung und 23 Tage Pause) Alles vorbehaltlich der Ergebnisse der Gentypisierung.
Meine Zweifel sind halt, ob man mit solcher Behandlung nicht den Tumor erst richtig wild machen kann, um es mal laienhaft auszudrücken. Im Forum habe ich mehrmals die Formulierung "keine schlafenden Hunde wecken" gelesen.
Mein Neffe (50) ist noch unentschieden, seine Frau ist eher für die Keule.
Sie hat Bestrahlung und Chemo vor 2 Jahren hinter sich gebracht wegen eines Lymphoms und ist im Moment ohne Befund.
Fongi
paolo
04.06.2018 12:04:00
Als ich 2013 ebenfalls noch ein Astrozytom°2 hatte, hat man mir nach der unvollständigen operativen Entfernung zum Abwarten und Beobachten geraten.
Man begründete es damit, dass man mit viel Glück auch mehrere Jahre ohne größere Probleme damit Leben kann bevor es sich zu einer höhergradigen Sache entwickelt, und man nicht schon "das ganze Pulver am Anfang verschiessen" wolle um noch genügend Therapieoptionen für die Zukunft zur Verfügung zu haben.
Zwei Jahre später war es dann schon ein Astro°3 mit Übergang zum Glioblastom, so dass ich dann nach erneuter OP eh das volle Programm durchlaufen musste.
Im Nachhinein betrachtet wäre es vielleicht besser gewesen, wenn ich damals schon zumindest eine Chemotherapie gemacht hätte.
Wenn ein gutes Ansprechen des Tumors bei entsprechenden molekularbiologischen Markern zu erwarten ist, würde ich es aus heutiger Sicht machen.
Entscheiden muss es am Ende aber der Patient selbst. Ohne dessen Einwilligung passiert nix.
Davon, dass Hirntumoren durch die Therapie erst so richtig Fahrt aufnehmen könnten, hab ich noch nicht gehört. Eher das Gegenteil. Lieber früh schon therapieren, damit man länger Ruhe hat.
Das werden die behandelnden Ärzte aber besser einschätzen können.
Man begründete es damit, dass man mit viel Glück auch mehrere Jahre ohne größere Probleme damit Leben kann bevor es sich zu einer höhergradigen Sache entwickelt, und man nicht schon "das ganze Pulver am Anfang verschiessen" wolle um noch genügend Therapieoptionen für die Zukunft zur Verfügung zu haben.
Zwei Jahre später war es dann schon ein Astro°3 mit Übergang zum Glioblastom, so dass ich dann nach erneuter OP eh das volle Programm durchlaufen musste.
Im Nachhinein betrachtet wäre es vielleicht besser gewesen, wenn ich damals schon zumindest eine Chemotherapie gemacht hätte.
Wenn ein gutes Ansprechen des Tumors bei entsprechenden molekularbiologischen Markern zu erwarten ist, würde ich es aus heutiger Sicht machen.
Entscheiden muss es am Ende aber der Patient selbst. Ohne dessen Einwilligung passiert nix.
Davon, dass Hirntumoren durch die Therapie erst so richtig Fahrt aufnehmen könnten, hab ich noch nicht gehört. Eher das Gegenteil. Lieber früh schon therapieren, damit man länger Ruhe hat.
Das werden die behandelnden Ärzte aber besser einschätzen können.
Diff
05.06.2018 11:01:19
Bei uns (30 Jahre alt) ist es auch ein Astro 2 diffus. Nach OP 08.2017,(Teilentfernung) wollten sie auch bald Bestrahlen und Chemo machen.
Es wurde dann doch noch zugewartet und bis jetzt sind keine Veränderungen und so hat man mit der Bestrahlung noch nicht begonnen. Die nächste Untersuchung ist in 2 Wochen.
Klar frage ich mich, wäre es wie Paolo sagt, besser gleich zu Bestrahlen? Es gibt auch Fälle wo über viele Jahre alles ruhig ist.
Das sind ganz schwierige Entscheidungen die der Betroffene schlussendlich entscheiden muss.
Paolo wie hast Du Bestrahlung und Chemo verdaut?
Es wurde dann doch noch zugewartet und bis jetzt sind keine Veränderungen und so hat man mit der Bestrahlung noch nicht begonnen. Die nächste Untersuchung ist in 2 Wochen.
Klar frage ich mich, wäre es wie Paolo sagt, besser gleich zu Bestrahlen? Es gibt auch Fälle wo über viele Jahre alles ruhig ist.
Das sind ganz schwierige Entscheidungen die der Betroffene schlussendlich entscheiden muss.
Paolo wie hast Du Bestrahlung und Chemo verdaut?
paolo
05.06.2018 11:43:10
Aziraphale
06.06.2018 09:24:53
Mein Mann, jetzt 49, hat ein Astro II, diagnostiziert vor 3 Jahren. Ebenfalls so relativ groß, nahe am Sprachzentrum, nahe am Bewegungszentrum. OP ausgeschlossen. 1 Jahr Chemo haben bewirkt, dass der Tumor geschrumpft ist. Seitdem seit fast 1,5 Jahren Ruhe. Keine Bestrahlung aufgrund der Gefahr einer Strahlendemenz. Chemo hätte auch länger gemacht werden können, mein Mann hat sich aber den Darm ziemlich ruiniert damit.
Wegen dem Fahrverbot würde ich aber nochmal nachfragen. Nach einem epileptischen Anfall besteht in der Regel ein Jahr Fahrverbot (bei Anfallsfreiheit in der Zeit). Mit der Medikation hat das nichts zu tun. Mein Mann ist jetzt seit 1,5 Jahren anfallsfrei, fährt aber kein Auto mehr.
Wegen dem Fahrverbot würde ich aber nochmal nachfragen. Nach einem epileptischen Anfall besteht in der Regel ein Jahr Fahrverbot (bei Anfallsfreiheit in der Zeit). Mit der Medikation hat das nichts zu tun. Mein Mann ist jetzt seit 1,5 Jahren anfallsfrei, fährt aber kein Auto mehr.
Fongi
06.06.2018 09:47:41
hallo Aziraphale,
das mit der Gefahr der Strahlungsdemenz finde ich sehr interessant. Kennst Du dazu irgendwelche Veröffentlichungen? Mir ist nur eine holländische Studie von 2011 bekannt, die "low-grade glioma" Patienten nach 12 Jahren untersucht haben und bei denen, die bestrahlt wurden, eine stärkere Einschränkung der kognitiven Fähigkeiten gegenüber den nicht bestrahlten gefunden haben. Allerdings waren die vorher operiert worden.
Dank und Gruß
Fongi
das mit der Gefahr der Strahlungsdemenz finde ich sehr interessant. Kennst Du dazu irgendwelche Veröffentlichungen? Mir ist nur eine holländische Studie von 2011 bekannt, die "low-grade glioma" Patienten nach 12 Jahren untersucht haben und bei denen, die bestrahlt wurden, eine stärkere Einschränkung der kognitiven Fähigkeiten gegenüber den nicht bestrahlten gefunden haben. Allerdings waren die vorher operiert worden.
Dank und Gruß
Fongi
ElArch
06.06.2018 09:56:31
ElArch
06.06.2018 11:13:07
Aziraphale
06.06.2018 12:38:06
ElArch keine Ahnung, aber viel Meinung... Wenn Sie schon etwas länger hier wären, hätten Sie schon mal mitbekommen, dass eine solche Demenz kein Scherz ist. Und wenn Sie schon solche Behauptungen aufstellen, bitte ich Sie, diese auch zu belegen. Warum entsteht keine Demenz durch Bestrahlung? Bitte ausführen, dann kann ich Ihre Aussage auch ernst nehmen. Ansonsten ist es für mich nur Gelaber.
AnnikaK
06.06.2018 13:21:51
Jede Bestrahlung am Kopf kann die kognitiven Fähigkeiten nachhaltig beeinträchtigen.
Allerdings gibt es ja heutzutage auch schonendere Bestrahlungsarten (Protonenbestrahlung, Gamma Knife), womit man diese Beeinträchtigungen etwas abschwächen kann.
Ich würde auf jeden Fall nachfragen, ob in diesem Fall so eine Bestrahlung in Betracht kommt.
Allerdings gibt es ja heutzutage auch schonendere Bestrahlungsarten (Protonenbestrahlung, Gamma Knife), womit man diese Beeinträchtigungen etwas abschwächen kann.
Ich würde auf jeden Fall nachfragen, ob in diesem Fall so eine Bestrahlung in Betracht kommt.
Fongi
06.06.2018 13:49:55
Aziraphale
06.06.2018 14:00:25
@Fongi
Eine Empfehlung des Neurochirurgen. Der Tumor meines Mannes ist diffus, nicht klar abgegrenzt. Das Areal, was bestrahlt werden müsste ist sehr groß, es besteht die Gefahr, zuviel gesundes Gewebe durch die Bestrahlung zu zerstören. Die Gefahr stünde in keinem vernünftigen Verhältnis zur aktuellen Gefahr, die vom Tumor ausgeht...
Eine Empfehlung des Neurochirurgen. Der Tumor meines Mannes ist diffus, nicht klar abgegrenzt. Das Areal, was bestrahlt werden müsste ist sehr groß, es besteht die Gefahr, zuviel gesundes Gewebe durch die Bestrahlung zu zerstören. Die Gefahr stünde in keinem vernünftigen Verhältnis zur aktuellen Gefahr, die vom Tumor ausgeht...