Hallo,
ich bin Angehörige eines an einem anaplastischen Meningeom erkrankten und operierten Mannes, der eine leitende Position inne hatte, Alter: 60 Jahre.
Am 18.3. stellte man den Hirntumor fest (Aphasie und Gedächtnisstörungen). Er wurde am 28.3. in Erlangen operiert, bekam vorher hochdosiert Cortison. Man konnte den Tumor komplett entfernen. Er war sehr groß, rund 6 x 4 cm. Erst hieß es Meningeom, nach der OP dann vermutlich Epymeom, bösartig. Man schickte den Tumor nach Göttingen und 6 Wochen lang warteten wir auf die Diagnose. Kurz nach der OP fiel er in eine tiefe Depression, verweigerte Essen und Behandlungen. Erst als er wieder in seine Heimat verlegt wurde, schaffte man es dort auf der Palliativstation, ihn langsam aus der Depression zu holen. Er war klar und ansprechbar, hatte nach wie vor die Aphasie, wollte aber endlich die Bestrahlung beginnen, da wir nach 6 Wochen endlich die Diagnose anaplastisches Meningeom erhielten. Noch bevor diese angesetzt werden konnte, schwächelte sein rechter Arm und sein Bein. Neue Diagnose: Hirnabszess. Also wieder nach Erlangen. Die OP verlief gut. Er war danach ansprechbar, telefonierte mit allen unseren Bekannten und Verwandten, was er lange nicht gemacht hat und war unserer Meinung nach völlig klar.
Wieder in Hof konnte ich ihn endlich besuchen. Er war auch zu diesem Zeitpunkt klar, allerdings immer wieder sehr schnell oben draußen, also gereizter Stimmung. Die Lage spitzte sich dann Tag für Tag zu. Ich konnte ihn zeitweise kaum mehr ansprechen, ohne dass ich ein "halt die Klappe" zu hören bekam. Letztlich wurde er hyperaktiv, ließ uns wissen, ihm ginge es prima, er sei eh der Beste, hatte richtiggehend Sprechdurchfall, redete und redete. Allerdings wurde er auch verwirrter, fand im Klinikum sein Zimmer nicht mehr, wenn er auf anderen Stationen herum lief. Konnte er bisher sein Handy einwandfrei bedienen ging das nicht mehr wirklich gut, er löschte Programme, die er eigentlich gebraucht hätte. Er rief kreuz und quer alles an, was er in seinem Handy eingespeichert hatte, teilweise auch mitten in der Nacht, selbst Leute, die er sonst nie angerufen hätte, z. B. seinen Urologen. Und er fand keinen Papierkorb mehr. Er verteilte alles, was er in die Hände bekam Kreuz und quer im Zimmer, zerlegte jede Zeitung in ihre Einzelteile. Es sah regelrecht nach Bombe aus, mehrfach am Tag. Er konnte keinen TV mehr selber einschalten bzw. umschalten, hielt die Schwestern der Palliativstation am Laufen und meckerte inzwischen nicht nur mich, sondern auch das Personal an.
Ich weiß, dass er mit folgender Medikation von Erlangen kam: Dexametason (3-3-3 mg), Lorazepam 0,5 mg (1-1-1-0), Temazepam 20 mg (0-0-0-1), Citalopram 20 mg (1-0-0-0), Enoxaparin 40 mg, Ceftriaxon 2 g (2x), Hydrochlorothiazid 12,5 mg (1-0-0-0), Atorvastatin, Tamsulosin, Pantoprazol, Cantesartan, Levothyroxin, Allopurinol alle 1 x am Tag. Wenn ich es richtig verstanden habe, hat man das Lorazepam in Hof wohl abgesetzt und als er so auffällig wurde, wieder verabreicht.
Nach einer Blutentnahme stellte man fest, dass das Schilddrüsenmedikament zu hoch gegeben wurde, das freie T4 lag bei 19,8 mit Ref. 7,00 - 15.6 und wurde dann erst mal pausiert, ebenso das Citalopram. Weil man sich nicht mehr zu helfen wusste, kontaktierte man telefonisch die Bezirksklinik in Rehau, die rieten, das Tavor wieder abzusetzen. Was man auch tat, sich aber dann dazu entschloss, ihn in Rehau stationär zur Medikamenteneinstellung aufnehmen zu lassen.
Am Tag vor der Überstellung war mein Mann völlig von der Rolle. Er war zwar ansprechbar, und klarer als die Tage davor, wusste aber nicht mal mehr, dass er überhaupt operiert worden war.
Am Tag der Umverlegung erlitt er einen epileptischen Anfall.
Medikation zu diesem Zeitpunkt: Dexamethason 2 mg (1-1-1), Pantozol 40 mg (1-0-0), Atorvastatin 40 (0-0-1) Allopurinol 100 (1-0-0), HCT 12,5 (1-0-0) Candesartan 16 (1-0-0), Mirtazapin 7,5 (0-0-0-1), Melperon 50 mg (1-1-1-1), Clexane 0,4 x.c. (1-0-0) zur Nacht 20 mg Remestan.
Er wurde in Hof auf die Neurologie verlegt, war ansprechbar und wusste auch, wieder alles. Man sprach davon, ihn medikamentell einstellen zu wollen. Meine Hoffnung, ihm Rehau zu ersparen, wurde zunichte gemacht, als er nach einer Woche Neurologie wieder auf die Palliativ verlegt werden sollte und alles beim Alten war. Er war wieder übellaunig gereizt, verteilte um sich alles was er in die Hände bekam und war genauso durcheinander wie vorher. Also wurde er nach Rehau in die Bezirksklinik verlegt, wo er sich seit einer Woche befindet.
Wollte er noch am zweiten Tag nach Hause (da war er seit 3 Monaten nicht mehr), ist inzwischen davon nicht mehr die Rede. Er verwechselt Tage, Monate und versteht meiner Meinung nach auch manchmal nur die Hälfte von dem, was man ihm sagt. Ich versuche schon in kurzen Sätzen zu sprechen, aber selbst das scheint ihm irgendwie zu viel zu sein. Wobei ich hier nicht genau weiß, ob es der Verwirrung zu verdanken ist oder der Aphasie, die Tage und Monate verwechselte er nämlich auch schon nach der ersten OP. Er ist längst nicht mehr so aggressiv wie er es vorher war, allerdings ist er immer noch durcheinander, mit kleinen klaren Momenten. Er ist immer hungrig und immer müde und heute ist mir aufgefallen, dass er Wassereinlagerungen in den Füßen hat (der Arzt sagt, das könne auch von einem Medikament kommen, das er bekäme - ich habe mir den Namen nicht gemerkt). Nach wie vor würde das Zimmer aussehen wie Bombe, erzählte mir das Personal, weshalb man seinen Spind abgeschlossen habe.
Immer wieder, wenn ich den Ärzten klar legen will, dass mein Mann vorher ansprechbar war und klar und nicht so verwirrt und ob es nicht an der Medikation liegen könnte, hält man mir die "Grunderkrankung" vor die Nase und dass man ja nicht wisse, was dabei "beschädigt" wurde. Ich kann dann nur wieder und wieder beteuern: Er war ansprechbar und "normal" und ganz weit weg vom momentanen Zustand.
Der Tumor ist entfernt worden und auch der Abszess. Kann es denn wirklich sein, dass er jetzt derart neurologisch auffällig wird? Ich würde ihm so gerne helfen, weiß aber nicht, wie und was ich noch tun kann. Macht denn die Bestrahlung in diesem Zustand überhaupt Sinn? Ich würde sie am Liebsten erst mal auf Eis legen. Wäre es nicht sinnvoller, ihn nach Hause zu holen und dann erst mal etwas Luft holen zu lassen oder gleich auf Reha zu schicken und falls ja, welche Reha wäre dann sinnvoll? Ist in diesem Zustand eine Reha überhaupt möglich oder gibt es gerade für solche Patienten richtige Rehaangebote und wo wären die? Was kann ich selbst noch in die Wege leiten? Wie wäre ihm am Besten geholfen? Ich weiß einfach momentan nicht weiter. Ich bitte den langen Bericht zu entschuldigen. Aber ich war grad so verzweifelt. Ein Mann kommt aus dem Berufsleben und endet nach erfolgreicher Hirn-OP in der Psychiatrie? Das kann es doch nicht gewesen sein. LG Geli