Liebe hsz,
ich verstehe Deinen Unmut über "das Gesundheitssystem", vor allem aber die Besorgnis um "den Angehörigen".
Die erste Therapie (08-12/2018) ist richtig und fachgerecht erfolgt.
(Was Du mit "oberflächlicher" Untersuchung meinst, weiß ich nicht. Es sollte ein MRT mit Kontrastmittel gemacht worden sein. Darauf erkennt der Neurochirurg relativ sicher ein Meningeom. Jetzt gibt es nur eine Möglichkeit - die Operation. Diese ist nach Deiner Beschreibung komplett richtig verlaufen.
Natürlich wäre es möglich gewesen, sich zu vergewissern, ob es wirklich ein Meningeom oder ein anderer Hirntumor ist und welchen Grad er hat. Das wäre nur mit einem operativen Eingriff, der "Biopsie" möglich gewesen.
Operiert werden musste sowieso, also wurde der Eingriff so schnell wie möglich vorgenommen.
Lebensbedrohliche Erkrankungen müssen vorgezogen werden.)
Das recht schnell entstandene Rezidiv an anderer Stelle (im März 2019) wurde operiert und eine weitere Strahlentherapie empfohlen.
(Das widerspricht nicht der Aussage des Arztes, der von einen sehr langjährigen Erfolg der 1. Bestrahlung sprach.)
Die Überlegung einer 2. Bestrahlung ist richtig. Bei der Bestrahlungsplanung muss darauf geachtet werden, dass sich die neuen Bestrahlungsfelder nicht mit dem der Erstbestrahlung überschneiden, da die Folgen schwerwiegender werden könnten.
Insbesondere trifft das jetzt zu, da (wenn ich das richtig verstanden habe) die Bestrahlung noch läuft und drei Stellen (!?) bestrahlt werden, wobei die erste Stelle ein zweites Mal bestrahlt wird (?!).
Die Zweitbestrahlung der ersten Stelle, wo es ja wegen der Erstbestrahlung kein Rezidiv, also einen Erfolg gab, halte ich für nicht sinnvoll, falls es wirklich so ist.
Eine Chemotherapie wäre überlegt worden,, schreibst Du. Ja, es ist richtig, es gibt für Meningeome, auch für anaplastische Meningeome keine Chemotherapie, die nicht mehr schaden als nützen würde.
Ich selbst bin seit 1995 WHO-III-Meningeom-Patientin, habe fünf Tumor-OPs (1995, 1999, 2007, 2011, 2016) und drei Bestrahlungsserien (2000, 2011, 2017) hinter mir und lebe jetzt mit einem Restmeningeom.
Eine Chemotherapie für mich wurde im Jahr 2016 auch u.a. von der Tumorkonferenz erwogen, aber es gibt keine.
Bei mir wurde aber konsequent darauf geachtet, dass sich die Bestrahlungsfelder keinesfalls überschneiden und dass sie den Risikobereichen nicht zu nahe kommen.
(Das mit der erneuten Bestrahlung in demselben Bereich sehen einige Strahlentherapeuten anders.)
Du schreibst weiter, dass der erste gute Ansprechpartner ein Radiologe sei, der nach Bestrahlungsende im Juli 2019 über die Weiterbehandlung entscheiden würde, aber es nach Abschluss der Strahlentherapie keinen Ansprechpartner mehr gäbe.
Das wirft bei mir weitere Fragen und Hinweise auf:
Der Radiologe ist ausschließlich für die Durchführung und Auswertung der MRT zuständig. Er darf keine Therapieempfehlungen geben, sondern sollte das den Neurochirurgen und Strahlentherapeuten überlassen.
Die Strahlentherapeuten haben die gesetzliche Pflicht, ihre bestrahlten Patienten im Normalfall fünf Jahre lang auf Spätfolgen der Bestrahlung zu untersuchen. Dein Angehöriger ist mit anaplastischen Meningeomen und bereits zwei Bestrahlungsserien kein "Normalfall" mehr, in seinem Fall sind lebenslang MRTs und Kontrollen durch die zuständigen Strahlentherapeuten und eigentlich auch die Neurochirurgen verpflichtend. (Es sei denn, der Patient will das nicht.)
Deine weiteren Probleme sind wirklich gut zu verstehen, aber nur teilweise zu ändern:
Dass das Bestrahlungsgerät mitunter ausfällt, ist nicht schön. Aber daran hat niemand Schuld! Allerdings sollte das Personal (nicht unbedingt der Arzt) am Gerät in dieser Situation ganz besonders dem Patienten zugewandt sein. (Mit mir wurde vom Team am Beschleuniger immer äußerst entgegenkommend und sehr freundlich umgegangen.)
Dass Neurochirurgen (in vermutlich einer Uni-Klinik) ihre Assistenzärzte auch handeln lassen, damit muss man umgehen, wenn man in einer Uni-Klinik ist. Der Chefarzt legt die Behandlung fest und dann dürfen und müssen die Assistenzärzte die Behandlung übernehmen. Sie vergewissern sich jedoch immer bei ihren Chef- oder Oberärzten, wenn es Probleme gibt!
Wenn ein Patient im Wartezimmer vergessen wird, ist das eine Katastrophe, aber dafür ist die Schwester zuständig, dort sollte man nachfragen.
Unmittelbar vor einem Eingriff kann eigentlich kein Tumorboard mehr tagen, denn der Eingriff ist ja bereits durchdacht, geplant und sollte nur bei akuten Veränderungen beim Patienten geändert werden. Diese Operationen sind völlig individuell. Sie werden gründlich vorher durchdacht. Sie werden mit einem professionellen OP-Team hochpräzise durchgeführt. Sie dauern mehrere Stunden. Und dafür ist die Uni-Klinik richtig, denn dort kann es ein wenig mehr Möglichkeiten im OP-Saal geben, z.B. ein MRT-Gerät im OP- Saal.
Alle anderen technischen und ärztlichen Voraussetzungen gibt es auch an allen anderen Kliniken mit einer Neurochirurgie.
Aber auch dort wird es jetzt noch keine Empfehlungen zu einer weiteren Therapie nach dem Juli 2019 geben. Es muss der Erfolg der bisherigen Therapien abgewartet werden. Der Angehörige sollte danach eine AHB beantragen lassen (vom Strahlenarzt) und sich dort erholen und "aufbauen" lassen nach dieser enorm langen und sehr belastenden Therapiezeit.
Was Euch helfen könnte, wäre eine psychoonkologische Betreuung, eine palliative Beratung (hat nichts mit "gleich tot" zu tun!), eine normale Psychotherapie, jedenfalls eine oder mehrere außenstehende Fachkräfte, die nicht direkt etwas mit den Therapien zu tun haben. Sir können das ausgleichen, was die Ärzte nicht geschafft haben - die persönliche Zuwendung. Das ist jetzt ganz wichtig.
Denn Dein Beitrag ist voller verständlicher Wut oder Ärger, den Du auf alle richtest, die eigentlich dem Angehörigen helfen wollen und es auch getan haben.
Richte Deine Wut gegen dieses verdammte Meningeom.
Dafür kann kein Arzt etwas!
Keine Schwester oder die Leute vom Personal sind daran Schuld.
Niemand ist daran Schuld.
Und niemand hat das verdient!
Der Patient nicht!
Und Du auch nicht!
Ich wünsche Euch von Herzen alles Gute, möge dieser Therapiestress ein Ende haben und die Kontrollen nach der AHB kein weiteres Wachstum oder Rezidive zeigen. Ich verstehe das aus eigenem sehr langem Leben, das ich so nie wollte, sehr sehr gut.
KaSy