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Thema: Astrozytom II - Nach Operation soll Nachbehandlung erfolgen?

Astrozytom II - Nach Operation soll Nachbehandlung erfolgen?
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02.07.2017 20:01:39
Hallo liebe Forenmitglieder,

meiner Lerbensgefährtin (34) wurde am 21.7 ein Tennisballgroßer Astro II Frontal entfernt. War ein Zufallsbefund aufgrund eines zu hohen Gamma GT Werts dem die Ärzte dann nachgegangen waren.
Festgestellt im Februar - nach Kontroll MRT nach 3 MOnaten und keinem Wachstum haben wir uns entschieden den "MItbewohner" rausnehmen zu lassen. Lage frontal und in keinem wichtigen Zentrum. Op verlief sehr gut und alles konnte entfernt werden. Leider war dann erstmal die rechte Seite etwas gelähmt was aber nach gut einer Woche jetzt alles wieder geht. Sprache war auch komplett weg, kommt jetzt aber wieder - auch dank der guten Logopädin. Jeden Tag gibt es kleine Fortschritte - Magensonde weg, Hand geht wieder, Sprechen kommt wieder, Lähmung weg, alleine laufen und auf Klo aber jetzt nach der Histologie der doch für mich und für sie Downpunlkt trotz guter Prognose das alles super verlief bei der OP:
Es soll nachbehandelt werden . Heisst der Neurochiroug meint er wäre jetzt fertig und es übernimmt der Neuroonkologe
Aussage war : Früher hätte man die Patienten nach der OP nach Hause zur Reha geschickt und heute wöllte man das Ergebnis sichern und da wäre es notwendig eine Chemo und Bestrahlung einzuleiten..
Ehrlich - da hab ich mich auf den Hosenboden gesetzt.
Für den ersten war das Ding irgendwie gegessen und nun doch noch nicht.

Jetzt die Frage an Euch die ihr sicher Erfahrungen gemacht habt -
Ist das so? Muss und sollte man nachbehandeln? Muss es immer Chemo und Bestrahlung sein? Muss das im KH gemacht werden oder kann ich sie dafür nach Hause holen? Wie verträgt man so eine Chemo?

Ich bin halt unsicher und möchte Ihr nur das zumuten was wirklich notwendig ist, aber auch nicht zu wenig um später nicht zu sagen hätten wir doch mal..man ist halt auf einmal in so einer Spirale und kann sich nur noch leiten lassen von dem was der Arzt sagt.

LG Lines
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Redza88
02.07.2017 20:44:32
Hey Lines,

Ich kenne mich mit dem Astro nicht aus aber ich habe einiges an Erfahrung mit anderen Patienten unterschiedlichster Tumorerkrankungen gemacht und auch bei meinem Sohn.

Du musst bedenken dass Tumorzellen sehr, sehr klein sind/sein können und selbst wenn der Neurochiurg sagt er hat alles entfernt und auch die Radioonkologen nichts mehr auf den CT/MRT Bildern sehen können, so ist das noch keine Entwarnung dafür das wirklich alles weg ist.
Sprich es könnten ein paar Zellen überlebt haben und die "können" wieder anfangen zu wachsen.
Deshalb, so wurde uns gesagt, macht man in der Regel auch nach totaler entfernung des Tumors postoperativ eine Chemo bzw. Bestrahlung oder auch beides.

Unser Sohn wird im Moment in Essen im WPE Bestrahlt und verträgt es bisher ganz gut. Generell habe ich persönlich eigentlich kaum etwas negatives bezgl. der Nebenwirkungen, Folgeschäden einer Bestrahlung (Ich beziehe mich hier auf die Protonen-/Ionen-Therapie) gelesen.

Das für und wider muss man immer selbst abwiegen.

Alles Gute für euch!
Redza88
alma
02.07.2017 21:01:01
Ihr müsst natürlich nicht.
Aber es gibt Vergleichsstudien, die besagen, dass eine frühe Bestrahlung und Chemo auch schon bei einem Grad II Tumor das Überleben verlängert.
Lasst euch die Studien nennen und lest es selbst nach, wenn möglich. Oder lasst sie euch von den Ärzten zeigen.
alma
Lines
03.07.2017 21:35:51
Vielen Dank für eure Meldungen Alma und Redza. Erstmal für Deinen Sohn alles erdenklich gute und toi toi toi das er weiter alles so gut verträgt!
Und Alma du hast Recht - die Studien werde ich mir zeigen lassen bzw. das ganze Ausmaß nochmal genau erklären lassen.

Es ist schwer sich im Moment überhaupt immer auf dem laufenden zu halten, dachte immer man wird täglich von Ärzte und Co informiert und geupdatet was so grad ansteht aber weit gefehlt. Man muss selbst immer bohren um an das zu kommen was so als nächstes ansteht - sehr anstrengend wenn man zu den Visiten nicht dabei sein kann , weil man arbeitet und die Freundin zwar alles versteht aber weil sie nicht sprechen und schreiben kann aktuell es nicht weitergeben kann. Denke ich werde die Ärtzin nun mal anmailen - die Schwestern selbst
können sicher auch nicht viel dazu sagen oder dürfen es nicht.

Denke es steht echt noch ein langer Weg vor uns - und dennoch man freut sich über jeden kleinen Fortschritt!
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alma
03.07.2017 22:06:19
Bei den Visiten passiert gar nicht so viel. Meine Erfahrung.
Ich brauche es schriftlich, dann komme ich klar.
Deshalb mein Rat: Befunde in Kopie aushändigen lassen, dann kann man in Ruhe die unbekannten Begriffe klären und die Fragen formulieren, die dabei aufkommen.
Das geht nur peu à peu.
Und: der Behandelnde kann besser antworten, wenn die Frage klar gestellt ist. Also von sich aus für die Vereinfachung der Kommunikation sorgen.
alma
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04.07.2017 12:58:16
Hallo Alma,

habe deinen Rat befolgt und prompt heute Antwort bekommen. Es ist tatsächlich gar nicht einfach den gerade zuständigen Auskunftspflichtigen zu erreichen. Aber hab dann nach meiner Mail heute einen Anruf bekommen das ich mich am Donnerstag zur Vorbesprechung der Strahlentherapie im Strahlenzentrum mit der Freundin einfinden soll. Dort wird dann weiteres besprochen.

Auf die Frage ob sowas Ambulant gemacht werden könnte, meinte die Dame ja - man kriegt für sowas dann Taxischeine vom KH. Auf die Frage Dosierung und LÄnge der Bestrahlung konnte sie nichts sagen, es hingen von einem IPV Wert ab der noch nicht vorliegt - was könnte das fürn Wert sein? Von Chemo hatte sie jetzt nichts gesagt - gut möglich aber wohl das noch ein Arzt anruft - werd heute auf jedenfall zur Visite da sein vielleicht kriege ich noch mehr raus...
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alma
04.07.2017 14:16:47
Bestens.
Bestrahlung kann man ambulant und stationär machen. Stationär, wenn es anders nicht geht. Ist aber etwas belastend, weil man mit schwer krebskranken Patienten konfrontiert ist.
Und wenn man sie angefangen hat, muss man es auch durchziehen.
Nur, um zu sagen, dass nach einem praktikablen Weg für den Patienten gesucht wird.
Dosis und Länge sind bei Standard 60 Gray, verteilt auf 5 Tage in der Woche, 6 Wochen lang. Also 2 Gray pro Sitzung und WE dazwischen.
Ob es bei deiner Freundin Standard wird, weiß ich natürlich nicht.
Chemo läuft extra, in der Neuroonkologie bzw. Neurochirurgie. Man kriegt ein Rezept oder die Tabletten in die Hand und macht es zu Hause.
alma
paolo
04.07.2017 14:54:53
Ich hatte 2013 auch noch ein Astrozytom°2 rechts, nah am Bewegungszentrum.
Damals haben die Ärzte nach der Operation zur "wait and see"-Variante geraten, in der Hoffnung, dass der Tumor sich möglichst lange ruhig verhält. Begründung war, dass man bei einem zweier auch noch ein wenig zuwarten kann, um dem Patienten nicht mehr zuzumuten als unbedingt nötig wäre, und um gleichzeitig nicht so früh schon "das ganze Pulver zu verschießen", so dass man dann im Fall der Fälle noch mehr Optionen offen hat.
Das erschien mir plausibel, und es gibt ja durchaus auch Patienten, die ohne Nachbehandlung viele Jahre ohne Probleme mit einem Astrozytom°2 weiterleben.
Leider hatte ich nicht so viel Glück, und 2015 kam das malignisierte Rezidiv. Jetzt ist es ein Glioblastom.
Ich habe mich natürlich oft gefragt, ob es nicht besser gewesen wäre, wenn ich mich damals mit dem zweier schon dem ganzen Programm an Nachbehandlung unterzogen hätte. Jetzt kann man es eh nicht mehr ändern, und das Grübeln wird mir keine zufriedenstellende Erkenntnis mehr bringen. Jetzt muss nach vorn geschaut werden und nicht zurück.
Am Ende muss es jeder für sich entscheiden:
Nachbehandlung mit den entsprechend möglichen Folgen/Komplikationen/Auswirkungen auf die Lebensqualität (die aber nicht unbedingt auftreten müssen), obwohl es vielleicht nicht nötig wäre,
oder
keine Nachbehandlung, aber mit dem Risiko dass es sich auch relativ schnell zu einer höhergradigen Sache entwickeln kann.
Das ist sicherlich keine leichte Entscheidung.

Zur Nachbehandlung selbst:
Ich habe nach der zweiten OP eine kombinierte Radiochemo von 6 Wochen und anschliessend 6 Monate adjuvante Chemotherapie absolviert, die ich ohne irgendwelche Komplikationen durchlaufen habe. Ich war nur die erste Woche der Radiochemo stationär im Krankenhaus, da die Ärzte erst mal schauen wollten wie gut ich alles vertrage. Nach der Woche konnte ich wieder nach Hause und bin dann jeden Tag zu den Bestrahlungen ins Krankenhaus gegangen. Die Chemo-kapseln habe ich auch zu Hause immer eine Stunde vor dem Frühstück geschluckt.
Mir ging es sogar so gut, dass ich die ca.2-3km zum Krankenhaus und zurück jeden Tag zu Fuß gegangen bin, obwohl ich einen Transportschein für ein Taxi hatte. Das fanden die Ärzte natürlich nicht so toll, aber mir tat das Laufen und die frische Luft auch einfach gut. Ich hab in der ganzen Zeit nebenbei auch noch vorsichtig leicht Sport getrieben (nichts zu anstrengendes, Liegestütze, Situps, Ergometer), und zur Ablenkung/Entspannung ein wenig Gitarre gespielt.
Während der ganzen Zeit wurden die Blutwerte regelmäßig überwacht, so dass die Ärzte stets direkt sehen konnten, wie mein Körper auf die Behandlung reagiert. Die Werte waren immer in Ordnung.

Du siehst also: nicht jeder Patient bekommt schlimmste Nebenwirkungen von den Behandlungen die man da über sich ergehen lässt. In der Regel vertragen junge Patienten die Behandlung besser als alte, und deine Freundin gehört ja mit 34 auch noch zu den vergleichsweise jüngeren Patienten. Heisst nicht, dass das alles nur ein Zuckerschlecken ist. Ich hatte natürlich auch gelegentlich mit Schwindel, Übelkeit, Kopfschmerzen, Schlafproblemen, Wadenkrämpfen u.ä. zu kämpfen. Und durch das Kortison war ich im Gesicht völlig aufgedunsen und habe wegen dem Heißhunger innerhalb kürzester Zeit fast 15 Kilo zugenommen, die ich zum Glück mittlerweile längst wieder abgelegt habe.
Jeder Patient reagiert anders auf die Therapien, und man wird natürlich vor Beginn über die Nebenwirkungen und Begleiterscheinungen ausführlich informiert. Wenn man dann die Liste mit den ganzen möglichen Komplikationen vor sich liegen hat, dann ist man natürlich erst mal erschrocken, was da so alles passieren kann. Aber keine dieser Nebenwirkungen muss unbedingt auftreten. Manche vertragen das alles ohne Probleme, andere kommen damit überhaupt nicht zurecht. Jeder Patient ist anders.

Ich wünsche Euch alles Gute für die kommenden Monate, auf dass ihr das alles reibungslos und erfolgreich übersteht.
paolo
Lines
04.07.2017 22:21:06
Vielen Dank für deine ausführliche Schilderung Paolo und Wünsche.. Wirklich nicht einfach auch was du schon alles erlebt hast in den letzten Jahren! Geht einem echt nah.

Wenn ich es richtig verstanden habe hattest du einen Astro 2 und hast nach der Op diesen nicht nachbehandeln lassen, standest also vor der selben Frage wie wir jetzt. Wurde er denn bei dir komplett entfernt oder wie hatten sie es erklärt das OP Ergebnis?

Geb dir aber auf jedenfall keine Schuld daran das du den Zweier nach der OP nicht nachbehandeln hast lassen direkt - ich finde man wird da schon ziemlich in eine Entscheidungsphase geworfen, welche man für sich ohne Erfahrungen eigentlich gar nicht treffen kann.Auch wir wurden direkt von Anfang an in solch eine Entscheidungssituation gebracht nach der Erstdiagnose.
Anfangs hatten wir auch das Wait and See Ding, jetzt im Februar. Da hiess es wir warten erstmal ab bei Ihnen ob es in 3 Monaten wächst oder nicht und dann können sie immer noch entscheiden ob es raus soll oder nicht. Es wuchs zum Glück nicht und es gab auch keine Komplikationen - aber nach der Op sagte man uns zum Glück haben sie es jetzt operieren lassen es waren nur wenige mm zum Sprachzentrum und dann hätte man es nicht so operieren können ohne das man das SZ beschädigt.

Letztlich wollte meine Freundin das es dann raus soll - sie konnte nicht mit dem Gedanken leben das da was ist und man weiß nicht was genau - ich fand und finde das so mutig und tough von ihr.

Wie ich es so rauslese aus euren Beiträge kann und wird es wahrscheinlich auf eine kombierte Sache hinauslaufen zur Nachbehandlung, was wohl dann wohl auch Sinn macht.

Heute kam sie mir im KH schon entgegen gelaufen, sie kann inzwischen wieder etwas lesen und leicht schreiben - jeden Tag ein Stück mehr Selbstständigkeit - das alles macht Mut. Denke sie will einfach Heim. Werde sie am Donnerstag dann begleiten und mir das "Strahlenprogramm" erklären lassen.

Paolo, ich wünsch dir auch alles erdenklich gute und viel Zeit um noch viel tolles zu erleben!

LG Lines
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paolo
05.07.2017 00:59:48
Zitat Lines:
[..."Wenn ich es richtig verstanden habe hattest du einen Astro 2 und hast nach der Op diesen nicht nachbehandeln lassen, standest also vor der selben Frage wie wir jetzt. Wurde er denn bei dir komplett entfernt oder wie hatten sie es erklärt das OP Ergebnis?"...]

Bei der Operation wurde laut Aussage der Ärzte alles, was makroskopisch sichtbar war, entfernt. Mir war natürlich klar, dass da noch Tumorzellen vorhanden sein konnten, aber durchaus auch die Möglichkeit bestand, dass sich der Tumor erst mal längere Zeit ruhig verhalten oder nur sehr langsam weiterwachsen würde. Man kann ja auch im Nachhinein nicht genau sagen, wie lang der Tumor gebraucht hat um auf diese Größe zu wachsen. Vermutlich trug ich den schon eine ganze Weile mit mir herum ohne dass er sich bemerkbar machte. Ich hab mir auch sämtliche Unterlagen (OP-Berichte, Radiologieberichte, Ergebnisse der pathologischen Begutachtung des entnommenen Gewebes, alle MRT-Aufnahemn usw.) geben lassen und alles in Ruhe und intensiv durchgearbeitet. Der Chirurg hat mir bei Unklarheiten auch alles ganz genau erklärt und mit mir die weiteren Optionen besprochen.
Letzlich habe ich die Entscheidung getroffen, erst mal abzuwarten, da auch aus ärztlicher Sicht zu dem Zeitpunkt nicht die zwingende Notwendigkeit bestand da unbedingt die "schweren Geschütze" auffahren zu lassen.
Ich war 28 und erst mal einfach nur glücklich, dass ich die OP ohne irgendwelche bleibenden Schäden überstanden hatte, und wollte wieder zurück ins Leben und den Restsommer genießen.
Leider ist es dann doch nicht so gelaufen wie erhofft, aber Garantien gibt es bei solch einer Erkrankung eh nie.
paolo
alma
05.07.2017 08:21:57
Hallo Paolo,

kann ich vollkommen verstehen. Ich habe auch so und aus denselben Gründen gehandelt und hielt das für richtig.
Damals (2012, 2013) war noch nicht die Rede von einer Kombinations-therapie bei Grad II. Es gab wenig Studien zu solchen Tumoren, weil die Untersuchungszeit bei langsam Wachstum mehrere Jahre dauern kann.
Ich habe schon von Grad II Tumoren gehört, die nicht mal operiert, sondern nur beobachtet wurden.
Da sich dein Glioblastom aus niedrigeren Vorstufen entwickelt hat, hast du vielleicht gute Chancen auf einen längeren Verlauf. So jedenfalls wird es gesagt.

LG, Alma.
alma
Ketri
09.07.2017 18:19:45
Hallo Lines,
vor kurzem habe ich mich in einer ähnlichen Situation wie deine Lebensgefährtin befunden. Bin 41, Astrozytom II (IDH mut) re frontal, Komplettresektion im März 2017. Zunächst wurde von einem Mediziner „wait-and-see“ empfohlen, allerdings schon mit der Einschränkung, dass im Tumorboard kontrovers diskutiert wurde. Der Onkologe sah das anders und empfahl Strahlen- gefolgt von Chemotherapie.
Er berief sich dabei auf eine Studie von Buckner et al., (N Engl J Med, 374; 14; April 7, 2016; S. 1344 ff.), in der die Langzeitergebnisse der RTOG 9802 Studie präsentiert wurden. Untersucht wurden „Risikopatienten“ (subtotale Resektion bei Alter <40, Ausmaß Resektion egal bei Alter >40) mit unterschiedlichen GradII Gliomen, die entweder alleinige Radiotherapie oder RT gefolgt von einer Chemotherapie (PCV) bekamen. (Anmerkung - darüber wurde schon an anderer Stelle in diesem Forum diskutiert.)
Insgesamt war sowohl das progressionsfreie Überleben als auch das Gesamtüberleben durch die Kombination von RT + CT verlängert. Also ein Argument sowohl überhaupt für eine Behandlung als auch für eine kombinierte Behandlung. Etwas ernüchternd sind allerdings die Ergebnisse in der Astrozytom-Gruppe. Der positive Effekt ist hier geringer. Zudem sind die Ergebnisse statistisch nicht relevant. Außerdem gibt es noch eine relativ große Patientengruppe, die keinen Vorteil durch die Behandlung hat, ohne dass dafür Gründe bekannt wären.
Jetzt ist die Frage – zählt man sich mit um die 40 und Komplettresektion zu den „Risikopatienten“? Sollte man die Ergebnisse auf Niedrigrisikopatienten extrapolieren? Wie weit kann man sich auf statistisch nicht relevante Ergebnisse stützen?
Sowohl mein Onkologe als auch die eingeholte Zweitmeinung hatte keinen Zweifel an einem möglichen Nutzen einer RT und CT. Ich bin der Meinung, dass es zu diesem Zeitpunkt keine besseren, belastbareren Studien gibt und mir erscheint es gerechtfertigt, die Ergebnisse auf mich anzuwenden. Schließlich geht es in allen Fällen darum, die unvermeidlich verbleibenden Tumorzellen zu dezimieren. Ich hoffe, durch die Therapie die Wahrscheinlichkeit für eine längere Schonfrist zu erhöhen. Mehr nicht.
Bei der langwierigen und extrem anstrengenden Entscheidungsfindung („Es ist Ihre Entscheidung!“) hat mir ein Psychoonkologe geholfen. Er fragte, wie es denn für mich wäre, wenn ich ein frühes Rezidiv bekäme. Wäre ich dann mit mir im Reinen, wenn ich mich gegen eine Behandlung entschieden hätte? Ich glaube, dass ich das nicht wäre. Ich würde hadern. Daher meine Entscheidung.
Noch als Ergänzung: Ich habe mich für eine Protonenbestrahlung am WPZ in Essen entschieden (ambulant) und werde eine Chemo mit Temozolomid (ambulant) anschließen. Im Moment befinde ich mich noch in der Bestrahlung, die ich total gut vertrage.
Ich hoffe, Ihr findet eine gute Entscheidung für Euch!
Ketri
alma
09.07.2017 19:40:54
Das ist mir dann doch etwas zu einseitig positiv.
Längeres Gesamtüberleben ist ein Aspekt. Der andere sind die Nebenwirkungen. Ich habe seit der RT massive Probleme mit Erschöpfung. Vermutlich Störung im Knochenmark. Es werden nicht genug Blutzellen gebildet und wenn es sich verschlimmert, steuert man auf eine Art Leukämie zu. Davon war in der Aufklärung durch die Strahlentherapeuten nicht die Rede.
Frühes Rezidiv - schlimm. Aber nur 1-2 Std. am Tag aktiv sein können - schlimm genug. Möglicherweise bis ans Lebensende. Es geht schon 1,5 Jahre so. Beginn: 4-6 Wochen nach Ende der RT.
Das nur als Info abseits der Überlebensstatistik.
alma
Ketri
09.07.2017 21:39:59
Hallo Alma,
ich kann deinen Einwand gut verstehen und du bringst damit natürlich das ganze der Diskussion zugrunde liegende Dilemma auf den Punkt, das ich in meinem Beitrag kaum erwähnt habe. Ich habe letztlich nur die Endentscheidung als "meinen Weg" in dieser schwierigen Situation darstellen wollen. Aber zu Beginn der ganzen Geschichte war ich absolut dagegen, jemals bestrahlen zu lassen. Ich hatte zu viel Angst vor den Folgen. Auch die Ärzte haben unterschiedliche Meinungen vertreten, einige auch gegen eine Behandlung. Sowohl wegen der möglichen Spätfolgen als auch wegen der oben bereits erwähnten „Munition für das Rezidiv“. Ich habe ewig gehadert, gelesen, unterschiedliche Meinungen eingeholt (die Strahlenärzte waren einhellig sehr optimistisch was ihre Behandlung betrifft und haben auch auf konkrete Nachfragen hin immer gesagt, dass bei der Lage des Tumors etc. von keinen nennenswerten Spätfolgen auszugehen sei, sowohl bei konventioneller Bestrahlung als auch bei der Protonentherapie, so ungefähr wie du es auch beschreibst) und letztlich drei Monate für die Entscheidung gebraucht – und hätte wahrscheinlich noch einmal 9 Monate dranhängen können. Vielleicht hätte ich mich ohne meine drei Kinder anders entschieden. Den Kindern unterstelle ich, dass sie von einem längeren Überleben ihrer Mutter profitieren, auch wenn es für mich mit wie auch immer starken Einschränkungen der Lebensqualität einhergehen kann. Betonung auf „unterstelle“. Ich hatte das Gefühl zwischen zwei Übeln unbekannten Ausmaßes entscheiden zu müssen – und habe mein persönliches Übel aus o.g. Gründen gewählt. Ich hoffe, das rundet das Bild etwas ab.
Ketri
alma
09.07.2017 23:48:38
Die Ärzte wollen natürlich, dass man die Therapie macht, v.a. die Strahlenärzte. Sie haben ja nichts anderes als ihre Therapieform. Entsprechend wird aufgeklärt. Das ist ein bisschen unehrlich, doch auch darin steckt ein Dilemma. Sie wissen es nicht und sollen wie Wetterpropheten Prognosen stellen. Also wird das gesagt, was am wenigsten falsch ist. Der Patient weiß es auch nicht und hofft, dass er von gravierenden Nebenwirkungen verschont bleibt
Es ist gut, dass wir diese therapeutischen Möglichkeiten haben. Aber es hat auch eine Kehrseite. Oder eine Art Doppelgesicht. Das vermeintlich Heilende ("heilen" ist das falsche Wort) zerstört auch.
Wir haben eine Wahl oder meinen, sie zu haben, und tragen für unser Ja oder Nein die Verantwortung.
Mein Argument war auch so: wenn frühes Rezidiv, dann hast du es mit deiner Entscheidung vergeigt.
Ich finde inzwischen aber, dass ich diese Verantwortung gar nicht tragen kann. Dazu bin ich nicht aufgeklärt genug. Ich bräuchte, um eine Entscheidung zu treffen, Studien, die es gar nicht gibt, z.B. die: was passiert, wenn man sich nicht behandeln lässt?
Und mir sind die Studien auch zu intransparent. Ich kriege nur die Zahlen gesagt, wüsste aber gern viel mehr über die Probanden. Alter, Symptome,
Tumorbiologie, Rezidivhäufigkeit, bisherige Behandlungen, Allgemeinzustand, Krankheitszustand usw. Andere Probanden, andere Zahlen. Und vielleicht einer dabei, dessen Verlauf dem meinen ähnelt.

Wir übernehmen die Verantwortung für unsere Entscheidung auf der Grundlage von recht geringem Wissen.
Und wir entscheiden aus Angst. Denn die Überlegung "frühes Rezidiv" ist im Grunde ein Konstrukt, das Angst macht und es auch soll. Ich kann andere Konstrukte dagegen halten und dann würde ich womöglich anders entscheiden.
Das ist verwirrend.
Ich habe lange mit der RT gewartet (6 Monate nach der OP) und erinnere mich noch gut, wie das die Ärzte verstört hat. Geradezu, als würde ich in mein Unglück rasen. Ich fand das seltsam, denn es ist doch meine Sache und sie wissen es auch nicht besser, was meinen Fall angeht. Es war, als hätten sie mehr Angst vor dem Tumor als ich.
Dagegen ist meine Fatigue für sie völlig uninteressant. Das macht mich skeptisch, ehrlich gesagt. Ich fühlte mich von den, die das mit ihrer Therapie verursacht haben, allein gelassen.

Wenn ich drei Kinder hätte, wäre ich vielleicht schneller mit meinen Entscheidungen. Aber dann wird der Entschluss von den Lebensumständen beeinflusst und nicht von der Frage, ob die Therapie in sich sinnvoll ist.
alma
styrianpanther
10.07.2017 08:44:49
Guten Morgen ,

Verfolge eure Diskussion mit Interesse. Ich habe 11/2012 ein astro II ( zuerst als oligoastro diagnostiziert) , Golfballgrösse entfernt bekommen, Lage rechts frontoparietal gelegen. Keine Chemo und keine Bestrahlung. Seither wait and see und MRT alle 3 Monate.

Drei Jahre lange für mich “schwierige“ Rehaphase (konnte mich nicht konzentrieren und hatte Panikattacken usw, was aber durch stetiges zuwarten und meditieren und einige andere lustvolle Tätigkeiten besser und bessere wurde)
Seit 10/2015 Wiedereingliederung in die Arbeit, was mich zwar fordert aber zufrieden stellt.
Seit der Op besteht ein Resttumor, der langsam aber stetig wuchs, aufgrund der drei Monate MRT Intervalle in der radiologischen Befundung als stabil bezeichnet wurde, aber im Langzeitvergleich dann doch als Progridienz gedeutet wird. Seit März 2016 nehme ich hochdosiert indischen Weihrauch und der Tumor ist noch immer da, das Wachstum zuerst langsamer, vielleicht auch gestoppt...genau kann man das gar nicht sagen, zumindest jetzt noch nicht.
Jedenfalls beschäftige ich mich auch mit der Frage, was wäre wenn, aber auch, was ist der nächste Schritt.ich habe mir einige Zweit-, und Drittmeinungen eingeholt, alles bzw.einiges wäre denkbar...Reoperation (mit teils unklaren Folgen und Aussicht da der im Mrt sichtbare Teil richtung gyros präcentralis “unterwegs“ bzw dort sichtbar ist), Chemotherapie(wenn, dann mit und Methadon, wäre meine Entscheidung) und ggf. Kombinierte Radiotherapie( nicht mein Favorit).
Die Ärzte bzw. Mein Onkologe vor Ort rät mir gar nichts mehr, ich müsse schlussendlich entscheiden, und einer Option vertrauen. Auch weiteres kontrollierendes zuwarten wäre aufgrund meiner aktuellen Situation noch denkbar. Ich habe keinerlei Ausfälle, keine Epilepsie,keine Beschwerden, kann arbeiten, habe auch sonst nichts Unangenehmes.

So habe ich mich derzeit entschieden , weiter Weihrauch zu nehmen (komplementär: mehr Meditation, Reiki, Lu Jong, curcuma, mehr grünen Tee, Selen, Vitamin d, brokkoli, Sport, Leben und Familie, und weniger Denken, computer/ handy ;-), Arbeit, Kaffe, Alkohol,Hitze,Schärfe usw. ) daher werde ich meine Arbeit auf 20 wochenstunden reduzieren und genieße meine absolute Beschwerdefreiheit .
Das Risiko, die falschen oder zu späten Entscheidungen getroffen zu haben, bleibt.
Styrianpanther
styrianpanther
alma
10.07.2017 20:56:23
Ja, das Risiko bleibt. Das gilt für alle Entscheidungen bei der Behandlung von Hirntumoren.
Du weichst ja auch immer weiter vom standardisierten Patienten ab. Das macht die Ärzte ratlos.
Ein mutiger Weg, in dem viel Arbeit und Auseinandersetzung steckt.

Gruß, Alma.
alma
Lines
11.07.2017 19:52:07
Hallo und nochmal danke für eure Zahlreichen Meinungen und Hilfen,

musste heute nochmal in die Klinik - MRT für Strahlentherapie Vorbereitung.
Dann noch ein Anruf gestern vom Onkologen zwecks Besprechung der Chemo - inzwischen 3 Wochen nach OP. Er müße mit uns sprechen es hätte sich was geändert im histologischen Befund.
Pathologen hätten sich aufgrund der diffusität alles nochmal geprüft usw. und man sei sich nun sicher das es ein Glioblastom ist.

Wir sind gerade erschlagen und die Gedanken sind - von einem nicht Kontrastmittel annehmenden Erstbefunde Astro 2 , zu einem anaplastischen Gliom und jetzt soll es ein Gliablastom sein.
Alles ohne Vorzeichen..

Mir geht selbst fast die Kraft nun aus..bin verzweifelt..

Angeblich soll jetzt die CeTeg Studie angezogen werden, da hätte man gute Erfahrungen gemacht - harte Chemo Keule und Bestrahlung - weiss nicht wie ich helfen kann jetzt - was haltet ihr von Methadon auf eigenen Kappe?

An der Uni Bonn hat man uns als ich es erwähnte eher mit Contra dazu begegnet - wäre ja alles gar nicht erwiesen und eher schädlich laut Amerikanischen Studien.. meine Gedanken fliegen durcheinander - schlechter Traum auf einmal alles
Lines
alma
11.07.2017 20:59:50
Hallo Lines,

ein Riesenschreck. Praktisch aus dem Nichts.
Trotzdem: komm erstmal zur Ruhe und sammle Infos.
Zweitmeinung?
Histologischen Befund noch mal genau ansehen, mit welchen biologischen Parametern ihr es zu tun habt. Vielleicht gibt es so etwas wie Glück im Unglück. Gendefekte, die für ein gutes Ansprechen auf RCT sprechen.
Welche Vorteile hat eine Studie für euch? Genau recherchieren, auch über andere Ärzte.
Methadon - warum auf eigene Kappe, statt einen Arzt zu suchen?
Mach dir eine Liste mit Fragen.
Habt ihr euch eine eigene Krankenakte angelegt? Das wäre der erste Schritt.
Und ein gutes Netzwerk aufbauen. Vielleicht auch mit Psychoonkologen.

LG, Alma.
alma
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