www.hirntumorhilfe.de
Herzlich willkommen im Forum der Deutschen Hirntumorhilfe!

Thema: Astrozytom - Tod eines Freundes - Strafanzeige

Astrozytom - Tod eines Freundes - Strafanzeige
Theoden
20.05.2004 00:16:41
Astrozytom - Tod eines Freundes - Strafanzeige wegen Totschlags und schwere Mißhandlung Schutzbefohlener?

Im letzten Jahr ist ein sehr guter Freund von mir eine Woche vor seinem 25. Geburtstag an einem Astrozytom gestorben. In der Klinik habe ich immer wieder, oft mehrmals täglich besucht. Dann wurde er zum Sterben nach Hause entlassen. Die Familie war davon wohl radikal überfordert - sie wurde an einem Montag in einer 5minütigen Visite davon in Kenntnis gesetzt, daß die Klinik ihn am folgenden Tag entlassen wollte. Sie hat immerhin erreicht, daß sie bis Mittwoch Zeit zum Umbau eines Zimmers bekam. Über Alternativen (Palliativstationen, ambulante palliative Begleitung) wurde sie offensichtlich nicht informiert. Der Hausarzt muß die Begleitung übernommen haben.

Als ich ihm am Sonnabend wieder zu Hause besuchte, war er schon kaum aus den Tiefschlafphasen wach zu bekommen. Der Vater hatte große Probleme, ihn mit Wasser und den Tabletten (Kortison zur Reduktion des Hirninnendrucks udn Antiepileüptika gegen Krampfanfälle, da der Tumor auf das Bewegungszentrum drückte) zu versorgen. Bis zum Schluß hat man offensichtlich auf eine intravenöse Flüssigkeitssubstitution verzichtet - und ich frage mich, ob hier nicht versuchter Totschlag durch Unterlassen vorliegt.

Es heißt, die Familie habe sich mit dem Arzt im Vorfeld darauf geinight, für den Fall, daß er gar nicht mehr schlucken können würde, auf die Gabe der Tabletten zu verzichten - er hätte sonst daran ersticken können. Am darauf folgenden Freitag war diese Situation eingetreten. Offensichtlich hat man am Todestag gar keinen Arzt mehr hinzugezogen. Er hatte drei Krampfanfälle, um Mieternacht hatte er eine Pulsfrequenz von 3 pro Sekunde (!!!) und niemand hat dies irgendwie gelindert. Der Vater muß ihm aber wohl irgendwie Schmerzmittel verabreicht haben (wie, wenn er nicht mehr schlucken konnte?)

Ich frage mich, ob hier nicht bis zum Schluß eine subkutane Versorgung mit Medikamenten hätte stattfinden müssen. Der Arzt hat offenbar darauf gesetzt, daß die noch gesunden Hirnareale durch das Absetzten der Medikation langsam zerquetscht wurde - ohne jegliche Symptomlinderung. Hier dürfte es sich um vollendeten Totschlag durch Unterlassen und eine schwere Mißhandlung Schutzbefohlener gehandelt haben udn ich frage mich, ob ich Strafanzeige gegen die Familie und gegen den behandelnden Arzt stellen muß.

Es heißt, die letzten Lebensreize seines Sohnes häten den Vater noch tagelang in die Albträume hinein verfolgt. Ich vermute, daß er erstickt ist. Oft erlischt ja die Atmung als letzte Hirnfunktion, andererseits bleibt der Atemreiz erhalten. Deshalb wird ja beim Abstellen von Herz-Lungen-Maschinen stets zunächst der Atemreiz medikamentös unterdrückt, so daß der Patient friedlich einschlafen kann. Ähnliches ist bei ihm anscheinend nicht passiert. Arzt und Familie haben ihn wahrscheinlich zum Sterben verurteilt - und ich frage mich, ob nicht das Strafrecht eine Möglichkeit wäre, andere Patienten vor diesem Schicksal zu bewahren.
Theoden
PD DR. Mursch
20.05.2004 15:55:33
Eine Antwort auf Ihr Schreiben ist sehr schwierig, auch wenn man 14 Jahre Erfahrung mit der Begleitung von Sterbenden in der neurochirurgischen Intensivmedizin hat.
Zuerst sei die Frage gestattet, wem Sie mit strafrechtlicher Verfolgung nutzen wollen.
Die Familie ist mit dem Tode eines 25-jährigen Sohnes schon genug gestraft und kann sicherlich auf die Anzeige eines "Freundes" verzichten.
Das Sterben eines Menschen ist mittlerweile völlig aus der Erfahrung des modernen Menschen verschwunden, da fast jeder in der Klinik stirbt. Was ein "normaler" oder "qualvoller" Tod ist, ist kaum zu beurteilen, gerade, wenn eine Hirnbeeinträchtigung vorliegt. Ob Ihr Freund gelitten hat oder nicht, können Sie vielleicht garnicht beurteilen.
Ihre Aussage zu der Schmerzmedikation stützt sich auf Vermutungen.
Ich weiß nicht, was Sie mit "Herz-Lungen-Maschinen" meinen, aber wenn man eine Beatmung beendet, so DARF man die Atmung nicht medikamentös unterdrücken, denn sonst handelt es sich um die Tötung eines Menschen. Stellt man bei einem hirntoten Menschen die Beatmung ab, so braucht dieser Mensch keine Medikamente mehr.
Sicherlich ist es furchtbar, eine überforderte Familie mit einem Sterbenden alleine zu lassen, aber können Sie wirklich beurteilen, ob dies so war?
Vielleicht hilft Ihnen auch ein sachliches Gespräch mit der Familie mehr, als eine Klage oder Anzeige. Oder suchen Sie Public-Relation durch Musterprozesse?
Ich freue mich auf Ihre Antwort.

PD Dr. Mursch
Neurochirurgie
Zentralklinik
Bad Berka
PD DR. Mursch
Theoden
21.05.2004 12:46:01
Eine Antwort auf Ihr Schreiben ist sehr schwierig, auch wenn man 14 Jahre Erfahrung mit der Begleitung von Sterbenden in der neurochirurgischen Intensivmedizin hat. Zuerst sei die Frage gestattet, wem Sie mit strafrechtlicher Verfolgung nutzen wollen.

** Wenn er tatsächlich einen vermeidbar grausamen Tod gestorben ist, weil ein Feld- Wald- und Wiesen-Hausarzt, den NICHTS für die Begleitung Sterbender qualifizierte, in Absprache mit der Familie einen "Abbruch Lebensverlängernder Maßnahmen" beschlossen hat, der dem Patientenwillen widersprochen hat ("sein Wille hiel ihm im Stuhl"), dann kann eine Strafanzeige jedem Arzt und jeder familie gegenüber eine deutliche Warnung markieren: Ein familienfreundliches Frühableben ist absolut ethisch intolerabel.

** Ich habe meinen Freund noch oft in der Klinik besucht - bei meinem ersten Besuch rief ich vorher nochmal bei den Eltern an, um mich nach den Öffnungszeiten der Klinik zu erkundigen. Sein Vater sagte mir: naja, sie können ja hinfahren, aber sie werden ohnehin "nicht mehr viel von ihm haben" - redet so ein Vater von seiem SOHN?!?

Die Familie ist mit dem Tode eines 25-jährigen Sohnes schon genug gestraft und kann sicherlich auf die Anzeige eines "Freundes" verzichten.

** Der Sohn war gestraft mit seiner Familie - im Frühjahr teilte er mir noch mit, daß er dort niemanden habe, mit dem er über SICH reden könne, so vieles, was seine Person ausmache, werde weiter tabuisiert. Kann man in einer solchen Familie gesund werden, die das Comingout des Sohne ignoriert und die sich lieber heroisch um das Grab des Sohne versammelt, als IM LEBEN zu ihm zu stehen? - Ich möchte klarstellen: Ich war nicht mit ihm zusammen, aber er hat mir sehr viel bedeutet und ich hätte mir gewünscht, daß er mit seinem Partner glücklich geworden wäre - der aber kam im Frühjahr ums Leben. Es ist einfach so bitter. Und können Sie sich vorstellen, selbst einen Tumor zu haben und in der Familie NIEMANDEN zu finden, der einen in der Trauer auffängt? Die Familie hatte ihn in dem Augenblick aufgegeben, als mit eienr Heilung nicht mehr zu rechnen war. Seither war er nicht mehr der "Sohn" oder "Bruder", er war ein Todgeweihter, der sich gefälligst ranhalten soll, da ja eh nichts mehr zu hoffen ist. IST DAS NICHT ENTSETZLICH?!?!?

Das Sterben eines Menschen ist mittlerweile völlig aus der Erfahrung des modernen Menschen verschwunden, da fast jeder in der Klinik stirbt. Was ein "normaler" oder "qualvoller" Tod ist, ist kaum zu beurteilen, gerade, wenn eine Hirnbeeinträchtigung vorliegt. Ob Ihr Freund gelitten hat oder nicht, können Sie vielleicht garnicht beurteilen.

** Denken Sie, daß ein Herz-Kreislauf-Zusammenbruch mit einer Pulsfrequenz von 3 Schlägen pro Sekunde, den ich bei Bewußtsein erlebe (erst zum Schluß muß er durch dei Schmerzmittelgaben das Bewußtsein verloren haben), ein angenehmes Sterben darstellt?!?

Ihre Aussage zu der Schmerzmedikation stützt sich auf Vermutungen.
Ich weiß nicht, was Sie mit "Herz-Lungen-Maschinen" meinen, aber wenn man eine Beatmung beendet, so DARF man die Atmung nicht medikamentös unterdrücken, denn sonst handelt es sich um die Tötung eines Menschen. Stellt man bei einem hirntoten Menschen die Beatmung ab, so braucht dieser Mensch keine Medikamente mehr.

** Ich habe diese Information aus der Litertur. Wenn man bei Menschen, die künstlich beatmet werden müssen, die Verlängrung der Beatmung nur das Herauszögern eines qualvollen Sterbens sei, dann sei es gegebenenfalls legitim, die Beatmung abzubrechen - dann müsse aber der Atmungsreflex unterdrückt werden, um ein qualvolles Ersticken in Panikanfällen zu verhindern. Ich vermute, diese Information bezog sich auf anscheinend irreversible Komapatienten?

Sicherlich ist es furchtbar, eine überforderte Familie mit einem Sterbenden alleine zu lassen, aber können Sie wirklich beurteilen, ob dies so war?
Vielleicht hilft Ihnen auch ein sachliches Gespräch mit der Familie mehr, als eine Klage oder Anzeige. Oder suchen Sie Public-Relation durch Musterprozesse?
Ich freue mich auf Ihre Antwort.

** Ich kann nur sagen: Ich fände den Gedanken entsetzlich, eines Tages so sterben zu müssen, und meine eigene Angst vor einem derartigen Sterben zwingt mich dazu, hier weiterzubohren. Es heißt, nach Schätzungen von Pathologen würden 80 % aller Tötungsdelikte in Deutschland nicht einmal erkannt. Ich vermute, daß er einem solchen Delikt zum Opfer fiel. Die Familie war auf einen einzigen Punkt fixiert: "hoffentlich daurt es nicht lange". So haben sie ein Ende mit Schrecken einem Schrecken ohne Ende vorgezogen: Vogel friß oder stirb.

** Dabei hätte die subkutane Versorgung mit Antiepileptika und Kortison problemlos fortgeführt werden können - es wäre eine gnädige Begleitung IM STERBEN gewesen, der Verzicht darauf war m E. kein Verzicht auf Lebensverlängernde maßnahmen im Sinne des Gesetzes. Und diese Einschätzung kann ich nur von Fachjuristen prüfen lassen, oder?

Theoden
Theoden
PD DR. Mursch
21.05.2004 19:00:12
Ich denke, Sie werden im Nachhinein den "grausamen Tod" weder belegen noch widerlegen können, sicherlich nicht mit Hilfe von Juristen.
Wenn Sie allen Ernstes eine vorsätzliche Tötung vermuten, ist es legitim, Ihren Weg zu gehen.
Ich hoffe, Sie wissen, was Sie damit tun.
Subkutane Versorgung mit Aniepileptika und mit Kortison ist NICHT problemlos möglich, bei Antiepileptika sogar unmöglich.
Alles Gute.
PD DR. Mursch
Theoden
22.05.2004 08:58:57
Warum ist die subkutane Versorgung mit Kortison schwierig und mit Antiepileptika unmöglich? Das ist mir neu.
Theoden
Priv.-Doz. Dr. Mursch
22.05.2004 14:07:52
Aufgrund der Aufnahmebedingungen in den Körper (Pharmakokinetik) werden Antiepileptika fast nur oral gegeben. Es gibt letztenedlich bis auf die Benzodiazepine, die keine richtigen AE sind, nur Valproat und Phenytoin, die intravenös gegeben werden können, aber subkutan nicht ausreichend wirken würden. Subkutan applizierte Kortikoide wirken ebenfalls nicht ausreichend systemisch.
Priv.-Doz. Dr. Mursch
Theoden
22.05.2004 16:27:04
Aber hätte eine derartige Medikation, wie Sie sie eben beschrieben haben, den Tod nicht "humaner" gemacht? Das klingt ja so, als ob eine intravenöse Gabe zumindest bestimmter Präparate die Symptome wenigstens hätte lindern können. Mein Problem ist, daß ich als Laie die Stituation nicht beurteilen kann. Ich habe keine Einsicht in die Krankenakten, weil ich kein Angehöriger bin, auch könnte ich die nicht angemessen ionterpretieren. Ein unabhängiges medizinisches Gutachten kann ich doch nur durch eine Anzeige erwirken, oder? Denn die Angehörigen dürften kein Interesse daran haben, die Tod nochmals untersuchen zu lassen, und mir ist die ganze sache nicht geheuer - dazu gab es zu viele Spannungen zwischen ihm und seinen Angehörigen.
Theoden
Bianca[a]
29.05.2004 23:48:00
Hallo Theoden,
wieso denn eine Strafanzeige? Weil Ihrer Meinung nach die Lebensverlängerungsmaßnahmen Ihres Freundes nicht ganz ausgenützt worden sind? Ist es denn nicht besser, bei einem so schwerkranken Mann zu hoffen, dass er bald von seinem Leid erlöst ist?
Mein Mann ist auch an einem Glioblastom gestorben. Ich habe meinen Mann mit Hilfe seiner Familie bis zum Schluß zu Hause gepflegt. Alles haben wir versucht, damit er bei uns bleibt. Vergebens. Heute bin ich der Meinung, es ist nicht immer gut, den Leidensweg durch Medikamente oder anderem hinauszuzögern. Es war schlimm, mitanzusehen, wie ein geliebter Mensch so leiden muß. Und irgendwann kommt der Wunsch, dass das alles ein Ende hat. Dem Kranken zu liebe, weil der leidet.
Wären Sie Tag und Nacht bei Ihrem Freund gewesen, an seiner Seite gesessen und hätten mit ihm mitgelitten, ich glaube Sie würden nie auf den Gedanken kommen, eine Strafanzeige zu machen.
Auch wenn bei der Familie Ihres Freundes Ungereimtheiten waren, ändert das nichts an der Tatsache, dass Ihr Freund schwerkrank war und sterben mußte.
Alles Gute
Bianca
Bianca[a]
Suse[a]
31.05.2004 19:37:56
Hallo Theoden........

mit welchem Recht, wirfst du hier mit Begriffen um dich, die fachlich falsch sind und die es teilweise auch nicht gibt?
Du solltest dich erst einmal darum bemühen fundierte Grundkenntnisse anzueignen.

Ich habe großes Mitgefühl, das du einen guten Freund verloren hast...
Doch warum, wenn du doch ein so guter Freund warst- wo warst du denn? Warum warst du nicht an seiner Seite?

Werde erst einmal wieder klar und versuche deine Trauer zu bewältigen, vor allem zu bearbeiten. Ich würde an deiner Stelle erst noch einmal gaaaaanz ruhig nachdenken, einen gaaaaaanz großen Schritt zurück weichen und dann Hilfe suchen. Schließe dich einer Selbsthilfegruppe an, oder such einen Psychologen auf, aber streu nicht noch mehr Salz in deine Wunden und die der Angehörigen deines verstorbenen Freundes.

In diesem Sinne

Eine Angehörige,

Jeder ist für sein Schicksal verantwortlich, und kann eine Entscheidung treffen, egal welche, es wird immer die richtige sein.............................

LG Suse
Suse[a]
NACH OBEN