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Morphia

Guten Abend meine Lieben,

einige Zeit bin ich hier nun stiller Mitleser... zittere mit, habe geschmunzelt, bisweilen gelacht, und auch geweint...

Nun aber mal ganz ehrlich, ungeschönt...

Seit meiner Diagnose im Dezember 2017 - Anaplastisches Astrozytom III
durchlebe ich immer wieder Phasen extremer Emotionen, Gedanken und auch Verdrängungsmechanismen ...

Da ist von depressiven Tagen an denen ich mich verkrieche, Tagen an denen ich alles mit allen Sinnen geniesse und liebe, Tagen voller Hoffnung und Angst, Tagen voller Sorgen um meine Liebsten, Tage an denen mir alles scheissegal ist und Tagen voller Exsesse dabei.
Wenn ich in einer Phase der Exsesse bin, betrinke ich mich, nehme auch mal Drogen... und bereue alles im Nachhinein sehr... Ich WEISS es ist nicht gut, sogar kontraproduktiv... Ich WEISS das es mir mehr schadet als nützt... Und doch mache ich das alle paar Monate mal, drehe total frei, denke mir das es doch eh scheissegal ist und ziehe das knaalhart ein paar Tage durch, bis das Selbstmitleid, das Mitdenken, das überlegen wieder größer sind... Dann tue ich mir erst richtig leid und bejammere alles, danach tun mir alle anderen leid und dann finde ich mal wieder alles super unfair und kacke...

Bin ich wirklich der Einzige dem es so geht? Der nicht nur hypergesund lebt, sondern auch mal "durchdreht" wenn ihm alles zu viel wird?
Ich kann damit doch nicht alleine sein...
Manchmal finde ich die Texte die ich finde (nicht nur hier, sondern auch auf anderen Plattformen) so verdammt aufgeklärt und ruhig das ich kotzen möchte...
Ich hänge so sehr am Leben... Möchte doch unbedingt nochmal Oma werden (Was bei 5 Kindern, 3 davon erwachsen, ja greifbar scheint) und noch soviel anderes sehen/erleben... Und habe meine Mutter im Jahr 2014/2015 mit ihrer Krebserkrankung begleitet... 4 Monate von der Diagnose bis zum letzten Atemzug... ich war die ganze Zeit bei ihr, auch während des sterbens... Bis sie für immer eingeschlafen war...
Ich dachte, es würde einen mehr verstehen lassen... Und mir jagt es eine Heidenangst ein, sodass ich manchmal einfach nur verdrängen will und das dann auch durchaus tue (Alkohol, Drogen, Medikamente, Zocken, etc.) um mich ja nicht mit dem Thema beschäftigen zu müssen (Was man sowieso schon dauernd muss: Termine, Arzt und Krankenhausbesuche, Therapien, Angehörige, Gruppen, was weiß ich nicht noch alles)

Bitte... Ich will nur wissen, ob auch andere mal ihre echt miesen Scheisstage haben, was sie dann tun um nicht völlig abzusaufen und welche Skills anderen helfen um ein bisschen besser auf sich selber aufzupassen in solchen Phasen, denn Exsesse helfen ja keinem, besonders mir selber nicht, sondern schaden mir in vielen Punkten...
Wie kann ich mir selber Mut machen? Mir selber helfen?

Zum Onkopsychologen und zum normalen Psychotherapeuten gehe ich schon... Genauso wie ich in ein paar Gruppen bin, die ich je nach eigener Verfassung besuchen mag/kann oder nicht!

Ich will nur wissen, ob ich der einzige Mensch bin, der manchmal alles scheisse findet und dann seinen Kummer auch durchaus mal ertränkt, wissend, das die Tage danach eigentlich noch beschissener werden!

Eure Mel

(Sorry für den Ton im Beitrag, aber ich finde, man darf solche Dinge auch mal frei raus sagen! Krebs ist scheisse! Die Behandlungen oftmals auch, es tut weh, entmutigt, kostet unheimlich viel Kraft und manchmal hat man eigentlich keine Lust mehr wieder aufzustehen... was man dann doch irgendwie wieder tut... Und der Mist geht wieder von vorne los... Wie in so einem Hamsterrad -.-)

P.P.S. Entschuldigt, ich habe wohl gerade eine besonders "schwarze" Gefühlslage... Sollte das hier unerwünscht sein (Was ich schade fänd) dann bitte Bescheid geben, dann poste ich sowas nie wieder. Danke!

Efeu

Hallo Mel,

erst mal will ich dir danke sagen für deinen ehrlichen, offenen Beitrag. Find ich auch mutig, du hast recht, es wird hier oft eher abgeklärt geschrieben, so dieses "das schaff ich schon".
Ich versuche es mir ja auch einzuhämmern, dass es nur an mir liegt, ich alles annehmen muss USW, USF.

Ich kann dir nur von mir sagen, ich habe regelmässig meine Ausraster, verzweifle, weine, schreie, laufe davon, und wenn ich mich nicht ganz beherrschen kann, verletze ich mich selbst, das ist ein altes Muster bei mir, um Druck rauszunehmen, quasi ein Notventil.

Alkohol und Drogen kann ich nicht mehr nehmen, die Auswirkungen sind katastrophal beim Alkohol, und Drogen bin ich abstinent, da ich als Jugendliche heroinabhängig war.

Meine erste OP ist bald 4 Jahre her, die Behinderungen werden mehr und ich glaub, ich werd mich nie daran gewöhnen. Ich vermisse soooo viel von meinem früheren Leben. Habe Enkelkinder die ich so gut wie nie sehe, weil ich Menschen nicht mehr ertrage, lebe absolut einsam, sonst geht es nicht....ja, und ich ringe, jeden Tag, um einen Frieden in mir, mit mir, mit allem.

Liebe Grüsse,
Efeu

Harte Nuss

Hallo Mel,
ich finde es gut, dass du so offen deinen "Frust" aufgeschrieben hast. Auch ich habe von Zeit zu Zeit Frust. Ich schreibe es dann in so eine Art Tagebuch. Nach dem aufschreiben geht es mir besser.
Dann versuche ich meinem Hobby nachzugehen.
Hast Du Kummer / bist nicht munter / geh in den Garten und grab ihn unter.
Wir sind nicht auf Erden, um ein Museum zu hüten, sondern um einen Garten zu pflegen, der von blühendem Leben trotzt.
harte Nuss

ness

Harte Nuss,das hast du sooo wahr und wunderbar geschrieben, werd es mir aufschreiben und aufhängen, danke dafür.

Mel,jaaa ich dachte was schreibt sie da über mich...diese Momente,Stunden oder Tage an denen wirklich die Fliege an der Wand stört...ich geh in den Keller zum Gips giessen, basteln ,irgendwas "tun"nicht sitzen und nachdenken...raus ins Leben...meine zwei (Mann u Tochter)sagen gern, ach gehts Wieder los heut...jaa und erst macht mich die Bemerkung noch wütiger und dann lachen wir zusammen, meistens.,.,Dieses Leben hab ich so nicht gewollt und bin dann doch froh und dankbar zu leben eben...ich denke wenn wir uns eingestehen und erlauben "mal eine Tasse an die Wand"zu werfen gehts etwas zaghaft besser.Tasse werfen war der O-Ton meines Doc weil ich mal einfach "was zum runterkommen "haben wollte und er sagte ds verschiebt nur ,wer die Asse ab an die Wand,aber die Scherben musst du auch aufkehren...jaaa er ist Imme rnoch mein Doc..genauso einen brauchst an der Seite, oder ??Glg Ness

Ninja89

Hallo Mel,
Ich finde deine Worte auch sehr treffend und toll das es mal gesagt wird. Meinem Mann (32) geht es genau so. Manchmal gibt es Tage die laufen ganz gut und dann muss er einen Monat jeden Tag beruhigungsmittel nehmen weil er nicht weiß wer unsere Tochter zum Altar führen wird und wie viele gemeinsame Zeit wir noch haben. Er hat richtige Angstzustände entwickelt und geht nicht mal mehr einkaufen. Mein Mann geht zu einem Psychologen und redet mit einem Pastor...
Ich gehe ganz stark davon aus das es noch sehr sehr viele weitere gibt die auch alles scheiße finden.... Was ja auch vollkommen nachvollziehbar ist....
Aber ich finde den Ansatz von Ness auch wunderbar das man doch auch froh über das Leben sein kann auch wenn es so nicht gewollt war. Und ich schmeiße auch als Angehörige meine Tasse an die Wand ☺️

LinaK

Ich beteilige mich auch am Tassenweitwurf! Es gibt einfach so Tage...
Lina

Aziraphale

Komischerweise hab ich das von meinem Mann noch nicht erlebt. Manchmal etwas aggressiv, aber da habe ich nie das Gefühl, dass das vom Frust kommt. Ich hingegen würde gerne mal in den Wald gehen zum Schreien. Tassen zum an die Wand werfen hätten wir auch genug, vielleicht wäre das auch eine Option.

Abstürze und Exzesse können wir uns nicht leisten, wir haben einen 9jährigen Sohn und da ist die Aufgabe schon groß genug, ihn psychisch stabil zu halten.

Morphia

Hey, danke für eure Antworten.
Ich sehe schon, so unterschiedlich wir alle sind, so unterschiedlich gehen wir alle auch damit um!
Trotzdem schön zu sehen, dass ich mit meinen komischen Phasen nicht alleine bin, danke :)

Alles liebe eure Mel

Tan_84

Hallo zusammen,

ich bin auch "nur" eine angehörige. Aber mein Mann (37) hat auch solche Phasen :( Alkohol und Drogen nimmt er aus überzeugung nicht. ich habe auch den ein oder anderen Heulkrampf, gerade dann wenn mir unbeteiligte erklären wollen, dass ich mein Leben nicht nur nach Ihm richten kann, dass ich mehr für mich tun soll, wenn ich doch mal ein langes Wochenende Wegfahren soll... da könnte ich um mich schlagen.

Zum Glück ist er noch in der körperlichen Verfassung Rasen zu mähen und das tut er... so kurz geschoren war das Grün noch nie. Aber dabei sagt er, "fühlt er sich nützlich" er hat sonst keine Festen Aufgaben und diese fehlen ihm enorm. ich habe nun auch noch einen Kantenschneider gekauft, nur damit wenn der Rasen nicht schnell genug wächst, er was anderes schneiden kann. Die Gartennachbarn freut es mitlerweile auch, wenn es eigentlich zu laut ist, aber nun mäht er links und rechts einfach auch noch mit.

Ich wünsche euch allen viel, viel Kraft und genug Nachschub an Tassen (ich habe auch Teller ausprobiert, die klirren auch total gut :))

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