
sharanam..
Ich erinnere mich noch genau an das Grauen und die namenlose Angst, als ich nach meiner 2. OP im Gertaudenkrankenhaus auf der Intensivstation aufwachte:
Da war eine bodenlose Angst in mir, die ich nicht verstehen oder zum Ausdruck bringen konnte, unsägliche Schmerzen im Gehirn…ich konnte nicht reden, nicht gehen, wusste nicht mehr, wer ich war oder wie ich heiße…endlose Verlorenheit.
Im Krankenzimmer Tage später bemerkte ich, dass ich meinen Körper und die Gliedmaßen nur sehr unkontrolliert bis gar nicht mehr bewegen oder kontrollieren konnte, Panik erfüllte mich tagelang mit endlosen Schmerzen, ich nahm kaum wahr, was Ärzte oder meine Freund, der Tag und Nacht hingebungsvoll für mich da war, sagten der was um mich herum geschah.
Mein Zustand war weiter kritisch und so wurde ich gar nicht erst nach Hause entlassen, sondern gleich in eine Spezial-Reha-Klinik verlegt. Dort erfuhr ich eine wunderbare Behandlung und Betreuung, mein Freund kümmerte sich wie immer auch aufopferungsvoll um mich.
Dennoch, das Grauen und die namenlosen Ängste und vor allem diese fürchterlichen Behinderungen blieben. Wenn ich stand oder gehen wollte, spürte ich meine Beine nicht, schaute diese wie eine Fremde an, die Beine gehorchten mir nicht…nur mühsam konnte ich lernen, ein paar Schritte zu laufen.
Als mein Sohn zu mir zu Besuch kam, wusste ich nicht wer das da war und wie dieser Mann hieß und fragte ihn, wer er sei und was er von mir wolle?
Die Sprachbehinderungen (Aphasie) und die Defizite in meiner körperlichen Motorik (Apraxie)…das namenlose Grauen, die Todesängste und das unsägliche Gefühl, ein wertloser Krüppel geworden zu sein, nagten an meiner Psyche…ich wollte nur noch sterben!
In dieser Phase wich mein Freund nicht mehr von meiner Seite, Hand in Hand mit den Psycho,- Ergo und sonstigen Therapeuten der Rehaklinik wurde daran gearbeitet, mich wieder halbwegs hinzukriegen.
Was hinkriegen?..wenn ich mit meinem Freund versuchte, auf die Straße oder im Park der Rehaklinik spazieren zu gehen, konnte ich nur wenige Schritte machen, dann war wieder aus, alle Geräusche um mich herum machten mich wahnsinnig, mein Gesichtsfeld war und ist eingeschränkt, bei schnellen oder mehreren Bewegungen vor meinem Gesicht herum schaltet das Gehirn einfach ganz ab…Funkstille, wieder Angst und Panik.
Einmal wurde ich von einem Pfleger zum nahe gelegenen Frauenarzt gefahren und nachdem er mich an der Rezeption dort abgeliefert hatte, ging er raus, vermutlich rauchen. Die Eingangsschwester fragte mich nach meinem Namen, ich starrte sie wohl seltsam an, Sie wurde ganz verlegen aber ich konnte meinen Namen nicht sagen. „Woher kommen Sie denn und um was geht es bei Ihnen?! Wieder dieses seltsame Starren von mir, gepaart mit unendlicher Verlegenheit und Peinlichkeit, ich konnte nichts aussprechen, nicht einmal sagen, woher ich gekommen war.
Tage und Wochen später zu Hause weiter diese Behinderungen, die Schmerzen, die Ängste, das Grauen gepaart mit Depressionen, die einfach so ohne Warnung mich in ein Riesenloch fallen ließen. Dann saß ich stunden- oder tagelang im Wohnzimmer, die Glieder seltsam verdreht, starrte ins Leere und war eigentlich gar nicht mehr da.
Die Psychiater von der Charité, wo ich deswegen behandelt wurde, redeten von einem hirnorganischen Psychosyndrom, wohl durch die OP bedingt mit der Verletzung des Gehirns und dem fehlendem Hirnareal, was Prof. Vogel herausgeschnitten hatte. Die nachfolgende Psychotherapie brachte gar nichts und so wurde ich einfach weiter sediert, heißt mit Psychopharmaka ruhig gestellt. Mein Freund hat mich dann nach Hause zurückgeholt.
Es dauerte viele Monate, bis ich wieder halbwegs normal mich bewegen und auch sprechen konnte und dies auch nur, da mein Freund nie aufgab und mich immer weiter forderte. So konnte ich zu Beginn nicht eine Treppe hoch oder runtergehen und so krabbelte ich wie ein Krebs auf allen vieren die Treppe hoch und runter. Ein Rollator half mir, wenn meine Beine wieder „weg“ waren und ich nicht mehr laufen konnte.
Herr Prof. Vogel erklärte mir bei den Visiten, dass er weiträumig den Tumor ausgeschnitten habe, dabei sei der komplette Hippocampus entfernt worden, der vordere linke Schläfenlappen. Was das genau im Gehirn für Folgen haben kann, konnte bis heute mir kein Arzt oder Wissenschaftler genau sagen, die Standardantwort war:“ Die Erforschung des Gehirns ist noch nicht soweit, dies genau zuordnen zu können. Der Hippocampus ist eine wichtige Schaltzentrale des Gehirns, hier werden die Emotionen struktuiert, das Erinnerungsvermögen ist hier großenteils angesiedelt, die Koordination der Körperfunktion etc.
Was mir bestätigt werden konnte, war, dass ich keine Kontrolle über meine Emotionen mehr habe, von einem Moment auf den anderen ins bodenlose stürzen konnte mit schweren psychischen Affekten, von denen mein Freund ein Trauerlied singen konnte!
Ja, es ist so, dass wir uns gemeinsam durch unermüdliche Arbeit an mir und meinen Syndromen es geschafft haben, dass ich mich wieder halbwegs normal bewegen und ausdrücken kann. Durch natürliche Krebsheilweisen habe ich auch bis heute den Glioblastom völlig zum Verschwinden gebracht.
Dennoch, die Defizite sind zum Teil noch da wie die Depressionen, namenlose Ängste, Auren aus meiner Epilepsie und eine Wesensfremdheit, die ich selber nicht verstehen kann, nicht in den Griff bekomme. Da kommt immer wieder die Todessehnsucht, nichts mehr wert zu sein, nicht mehr zu der Gesellschaft zu gehören, so anders zu sein…
fast noch schlimmer empfinde ich die chronische Schlaflosigkeit, die sich die Ärzte nicht erklären können und gegen die kein Mittel wirkt.
Ich schlafe nie länger wie 2 Stunden und quäle mich dann durch die Nacht.
Die Zeit wird zur endlosen Qual und tagsüber bin ich ausgemergelt und zu nichts zu gebrauchen.
Mein Feund sagte dann zu mir: „He….ich kann Dir da nicht folgen, niemand kann dies der nicht selbst davon Betroffener ist…Du brauchst dringend weitere Betroffene, mit denen Du Dich austauschen und verstehen kannst, die es erlebt haben und wissen, wie das so ist….
Und so haben wir uns nach Foren umgesehen, wo ich diesen Austausch finden könnte, einen Austausch mit Meinesgleichen, mit Betroffenen, wo ich mich vertrauensvoll fallen lassen und austauschen kann.
Dies kann niemals mit sogenannten Angehörigen stattfinden, immer nur innerhalb Betroffener, am besten natürlich mit Betroffenen, die auch einen Hirntumor haben.
Ich sag dies nicht, um die Angehörigen damit auszugrenzen oder abzuqualifizieren, ganz im Gegenteil. Selbst mein Freund, der nun fast 10 Jahre hingebungsvoll immer für mich da war und mich besser kennt wie ich selbst, kam eines Tages zu der klaren Erkenntnis:
Du brauchst Deinesgleichen, brauchst Betroffene…kein noch so nahestehender Angehöriger kann sich da hineinfallen lassen, geht einfach von der Natur der Sache her nicht, sagte er, denn das muss man selbst erlebt haben. Nur dann kannst Du Dich wirklich austauschen, Dich fallenlassen und innerlich gegenseitig helfen und etwas bewirken.
Nein, mit meinen geschilderten Problemen hier, die eigentlich ein Hilfeschrei meiner Seele sind, habe ich nichts mit Angehörigen zu tun, die können mir da nicht helfen.
Ich brauche Meinesgleichen, Betroffene, mit denen ich mich vertrauensvoll dort austauschen kann, wo ich ungestört bin, denn nur dann kann ich mich, können wir uns wirklich öffnen und austauschen.