Bei der Behandlung von Hirntumoren tritt die Besonderheit hinzu, dass Gehirn und Rückenmark durch die Blut-Hirn-Schranke vom Blutkreislauf abgegrenzt sind. Diese Schranke dient als Schutzmechanismus und erlaubt nur den Übertritt bestimmter Moleküle in ausreichenden Mengen in das Gehirngewebe.
Da diese Blut-Hirn-Schranke zwar bei den meisten bösartigen Tumoren gestört ist, nicht jedoch bei den gutartigen Tumoren, werden vorzugsweise solche Substanzen in der Behandlung von Hirntumoren eingesetzt, die diese Schranke passieren können. Die meisten in der Hirntumortherapie eingesetzten Chemotherapeutika schädigen direkt die Erbsubstanz (DNA) der Tumorzellen. Beispiele sind:
•Nitrosoharnsoffe (ACNU, BCNU, CCNU)
•Temozolomid
•Procarbacin
Andere Substanzen stören den Stoffwechsel der Tumorzellen, speziell die Stoffwechselvorgänge, die für die Neubildung der Erbinformation (DNA) wichtig sind. Beispiele hierfür sind:
•Methotrexat (MTX)
•Cytarabin (Ara-c)
Nitrosoharnstoffe
Die Nitrosoharnstoffe ACNU (Nimustin), BCNU (Carmustin) und CCNU (Lomustin) gehören zu den am häufigsten eingesetzten Zytostatika in der Behandlung von Hirntumoren, speziell Gliomen. Die Nitrosoharnstoffe wirken über eine Schädigung (Alkylierung) der Erbsubstanz (DNA) von Tumorzellen. Sie gelangen relativ gut über die Bluthirnschranke auch zu Tumoranteilen, die jenseits der Bluthirnschranke liegen.
In Deutschland wird CCNU vor allem im Rahmen der PCV-Kombinationstherapie eingesetzt, während BCNU nur noch wenig benutzt wird, weil vermutlich die Nebenwirkungsrate (Lungenschädigung) bei BCNU höher ist als bei den anderen Nitrosoharnstoffen. ACNU wird vor allem aufgrund der guten Ergebnisse der NOA-01-Studie in Kombination mit einem anderen Zytostatikum, VM26 (Teniposid) eingesetzt. Neben der Lungentoxizität der Nitrosoharnstoffe, die vermutlich bei BCNU am größten ist (s.o.), führen die Nitrosoharnstoffe wie auch andere Zytostatika zu einer Veränderung der Blutwerte, insbesondere der Thrombozyten und der Leukozyten. Im Unterschied zu anderen Zytostatika tritt der tiefste Wert für die Blutzellen, der Nadir genannt wird, verspätet ein, d. h., der Nadir ist erst nach 5-6 Wochen, manchmal auch noch später, zu erwarten. Dies erklärt, warum die Intervalle zwischen einzelnen Zyklen der Chemotherapie bei Behandlung mit diesen Substanzen länger sein müssen als bei anderen Zytostatika.
Temozolomid
Temozolomid ist eine DNA-schädigende (alkylierende) Substanz, die im letzten Jahrzehnt für die Gliom-Therapie entwickelt und zugelassen wurde und bezüglich ihrer Wirksamkeit bei vielen anderen Hirntumoren getestet wurde. Temozolomid penetriert die Bluthirnschranke gut. Vergleichende Studien zur Wirksamkeit zwischen Nitrosoharnstoffen und Temozolomid fehlen. Gegenüber den Nitrosoharnstoffen ist Temozolomid jedoch besser verträglich. Eine vergleichbare Lungentoxizität tritt nicht auf. Bei Temozolomid fehlt auch die Langzeittoxizität für das Knochenmark, die den dauerhaften Einsatz von Nitrosoharnstoffen einschränkt. Die Wirksamkeit von Temozolomid ist für die Ersttherapie und Rezidivtherapie bei hoch malignen Gliomen (anaplastische Tumoren und Glioblastom) gut belegt und bei gutartigeren Tumoren naheliegend.