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Thema: Behandlung bei diffusem fibrillärem Astrozytom WHO-Grad II

Behandlung bei diffusem fibrillärem Astrozytom WHO-Grad II
Corinna und Janine
06.09.2004 16:11:51
Hallo!

Bei unserem Vater, 61, wurde Anfang August 2004 ein diffuses fibrilläres Astrozytom II linkszentral diagnostiziert. Erste Symptome waren eine wochenlang anhaltende Müdigkeit und Trägheit, ausschlaggebend für die Einweisung ins Krankenhaus waren dann Lähmungserscheinungen in der rechten Körperhälfte, also in Arm und Bein wie in der Artikulationsmotorik. Eine Operation scheint wegen der Lage des Tumors absolut unmöglich, und auch sonst wurde wegen Art und Form des Tumors vorerst keine Behandlung angesetzt, also weder Bestrahlung noch Chemo, weil diese zum jetzigen Zeitpunkt wohl eher schaden als nützen würden. Abwarten ist also auch hier der beschrittene Weg - mit einer Kontroll-MRT alle vier Wochen. Der behandelnde Arzt, Dr. Braunsdorf vom Städtischen Klinikum in Magdeburg, der im Internet auch das Medizin-Forum für Neurochirurgie leitet, sagte von sich, dass er generell sehr offensiv mit Tumoren umgehe, dass es hier aber nicht angezeigt sei, was sich mit anderen hier veröffentlichten Meinungen ja durchaus deckt.
Doch psychologisch ist es sehr schwer, mit dieser Null-Behandlung umzugehen, v.a. weil obige Symptome nach wie vor auffällig sind und sich naturgemäß eher verstärken als verringern werden.
Zwar geht unser Vater regelmäßig zur Physiotherapie, doch nennenswerte Erfolge zeigen sich bisher nicht, auch ist er seit dem Auftreten des Tumors insgesamt sehr passiv und schwer zu motivieren, sich mit der Situation auseinander zu setzen, das Leben, so gut es eben geht, wieder aufzunehmen und zu "kämpfen".

Hat jemand ähnliche Erfahrungen gemacht? Gibt es nicht doch einen Weg, das Wachsen des Tumors eher jetzt aufzuhalten, wo die Lebensqualität noch einigermaßen hoch ist, anstatt erst später? Habt ihr sonst irgendwelche Bewältigungstipps?

Corinna und Janine
Corinna und Janine
Jeanette[a]
07.09.2004 09:58:55
hallo corinna und janin,
ich kann gut verstehen, dass dieses abwarten und nix tun können schwer auszuhalten ist.anfangs war das bei uns auch so.mein mann hat den gleichen tumor wie euer vater auch inoperabel.anfangs sind wir von klinik zu klink um uns 2. und 3.meinungen einzuholen, da wir uns nicht damit abfinden wollten nichts zu tun.letztendlich haben wir uns aber doch fürs wait and see entschlossen und es war eine gute entscheidung.mein man hat den tumor seit märz 03 bzw da wurde er entdeckt. bisher kein wachstum. es geht ihm gut bis auf seine epi-anfälle ("nur" fokale) und motorik-störungen im linken bein.
für die psyche muß man natürlich was tun...das ist ganz wichtig!!! wie wäre es mit einer therapie und oder einen kuraufenthalt in einer psychosomatischen klinik.ich hoffe ich konnte ein wenig mut machen und glaubt mir man kann gut damit leben nichts zu tun....es dauert nur ein weilchen sich damit abzufinden.
liebe grüße und viel kraft
jeanette
Jeanette[a]
Corinna[a]
08.09.2004 22:41:46
Hallo Jeanette,
danke für deine lieben Worte. Mut gemacht hast du auf jeden Fall und beruhigt auch. Für eine Ärzte-Odyssee hat man ja auch nicht gerade Energien überschüssig in solchen Momenten... Und Therapie oder Kur sind ein guter Tipp, das gehen jetzt wohl als nächsten Schritt an. Ansonsten melden wir uns vielleicht wegen anderer Fragen noch mal später.

Dir und deinem Mann bis dahin alles Liebe und alle Lebensfreude.

Corinna
Corinna[a]
Roland[a]
09.09.2004 17:08:45
Hallo,
wir haben gerade heute das Ergebnis der MRT meiner Frau Nadia (38, beidseitiges Astro II) erhalten.
Der Tumor hat sich seit seiner Entdeckung 10/2002 (Zufallsfund - beschwerdefrei) nicht veraendert. Wir verfahren nach wait and see mit Kontroll MRT jetzt alle 6 Monate (anfangs alle 3 Monate).
Hoffe. dass dies noch sehr lange so positiv bleibt und dass ich Euch ein wenig Mut machen konnte.
Saluti,
Roland
Roland[a]
Michael[a]
14.09.2004 02:53:46
bei mir (45) wurde vor 26 Monaten ein diffuses Astro II festgestellt. Nach vielen Beratungsgesprächen habe ich mich schließlich fürs "wait and see" entschieden, obwohl der allergrößte Teil des sichtbaren Tumors links frontal in einem gut operablen Bereich sitzt. Aufgrund der Lage habe ich - mal mehr, mal weniger - Aufmerksamkeits- und Konzentrationsstörungen sowie Kopfschmerzen. Die MRT-Bilder sehen seit 26 Monaten unverändert aus. Ich nehme regelmäßig ein Weihrauchpräparat und gelegentlich Schmerzmittel.

Ich gebe die Hoffnung nicht auf. Und klare Worte haben mir letztlich am meisten geholfen.

Ich fand es schwierig, eine Entscheidung zu treffen. Denn die medizinischen Fakten kommen einen erst einmal hart an:
Ein Astro II gilt leider als unheilbar. Die Meinungen, wie die Erkrankung am besten zu behandeln sei, gehen weit auseinander, einheitliche Empfehlungen gibt es nicht. Bis vor einiger Zeit ging man davon aus, dass eine Chemotherapie oder eine Bestrahlung keine lebensverlängernde Wirkung hat. Auch auf die Frage, ob eine Operation das Überleben verlängert oder nicht, schien es keine schlüssige Antwort zu geben. So haben mir denn auch zwei Neurochirurgen unabhängig voneinander gesagt, die Entscheidung für oder gegen eine OP hänge nicht selten auch vom Temperament des Patienten ab. Meines Wissens gibt es inzwischen Hinweise, dass auch Astro-II-Patienten einen gewissen Nutzen aus einer Chemotherapie (z. B. nach dem PC-Schema) bzw. aus einer Hochkonfirmationsbestrahlung ziehen können. Eine Operation verlängert nach neueren Daten aus Norwegen offenbar nur dann die Überlebenszeit, wenn der sichtbare Tumoranteil vollständig entfernt werden kann (siehe den Beitrag "Long-term survival in patients with low-grade gliomas" hier im Forum; über die Suchfunktion schnell zu finden, wenn man '993' eingibt)
Ein Astro II kann sehr langsam wachsen. Ich hoffe also, dass wir Alle die Zeit erleben werden, in der die Medizin diese Krankheit in den Griff bekommen hat.

Gerade weil der Tumor eurem Vater ja schon ernstere Probleme bereitet, würde ich raten, weitere medizinische Meinungen einzuholen. Beispielsweise bei Dr. Cyron am Uniklinikum Freiburg oder bei Dr. Dresemann am Franz-Hospital in Dülmen bezüglich einer Chemotherapie oder z. B. bei Prof. Engenhart-Cabillic am Uniklinikum Marburg oder PD Dr. Wurm an der Charitée in Berlin bezüglich einer Strahlenbehandlung. An den Unikliniken in Köln, München und Freiburg u.a. gibt es die Möglichkeit, inoperable Hirntumoren mit einem radioaktiven Implantat ("Seed") zu behandeln. An der Regensburger Uniklinik läuft oder lief eine Studie mit Roaccutan, das die diffuse Ausbreitung der Tumorzellen beim Astro I und II eindämmen soll ('3015' oder 'Roaccutan' in die Suchfunktion eingeben). Erkundigt euch an anderer Stelle, ob nicht doch wenigstens eine Teilentfernung möglich und sinnvoll ist. Beschwerden macht nämlich häufig gerade auch das Ödem, das den Tumor umgibt - eine Operation - ggf. im offenen MRT - könnte eurem Vater vielleicht Entlastung bringen. Gegen die Schwellung im Gehirn kann auch die Einnahme von Weihrauch helfen (muss man als Kassenpatient selbst bezahlen), oder von Cortisonpräparaten, die ich aber nur dann einnehmen würde, wenn es gar nicht anders geht.

Wie kommt man als Patient seelisch mit dieser Erkrankung und ihren Folgen klar? Was gibt mir Kraft? Woraus schöpfe ich Hoffnung?
Die Diagnose eines Astro II hat mich als Patient zur Auseinandersetzung mit meinem Tod gezwungen, genauso aber auch zur Auseinandersetzung mit meinem Leben. Leider herrscht - auch hier im Forum - eine ziemliche Scheu, dieses Thema zu berühren. Ich war in der ersten Zeit sehr froh, dass mir einige Menschen nicht nur mit "Die Medizin ist doch schon unheimlich weit" oder mit "Alles wird gut" begegneten, sondern mich auch in meiner Angst vor Krankheit, Leiden und Sterben ernst nahmen, mich in meiner Hilflosigkeit, Verzweiflung und Wut stützten und mich hielten, wenn ich nur noch weinen konnte.
Ich habe mir Rat beim Psychologen geholt. Das hat mich, zumindest was meine großen und kleinen "Alltagsexistenzsorgen" angeht (Verlust von Partnerin, Wohnung, Arbeitsstelle und Ersparnissen) gelassener gemacht. Es hat mir geholfen, mit ein paar Dingen aus der Vergangenheit abzuschließen und meinen Blick noch mehr nach vorne zu richten. Ich habe mir mehr Klarheit darüber verschafft, warum und wofür ich gerne lebe. Es ist wichtig, Pläne für die Zukunft zu machen, die realistisch sind und die einen gleichzeitig auch ein wenig fordern.
Manchmal hilft es mir, die Krankheitssymptome zu ignorieren und die Gedanken an das, was auf mich noch zukommen mag, zu verdrängen. Ich versuche Stress zu vermeiden und mehr auf das zu achten, was mir gut tut. Ich versuche, einigermaßen regelmäßig zu meditieren und mich geistig zu stärken. Körperliche Bewegung und eine ausgewogene Ernährung kurbeln erwiesenermaßen das Immunsystem an, ebenso das Musikhören und Singen.
Es gibt mir Kraft, zu wissen, dass Menschen auf der Welt sind, die ich liebe, die mir beistehen und die mich nicht im Stich lassen werden. Den vielleicht größten Teil meiner Kraft und Ruhe schöpfe ich aus dem Glauben an etwas Höheres und an etwas in uns, das unvergänglich ist.
All das trägt zu einer Lebensqualität bei, die vielleicht nicht mehr die gleiche ist wie früher, das Leben aber nach wie vor sehr lebenswert für mich macht.

Ich hoffe, ihr könnt in eurem Vater etwas anstoßen, was ihn dazu führt, sich wieder dem Leben zu stellen!
Alles Gute - Michael
Michael[a]
Roland[a]
17.09.2004 11:36:16
Hallo Michael,
Du sprichst mir mit Deinen Empfindungen aus der Seele...bei meiner Frau sieht es ja aehnlich aus wie bei Dir: Ihr Astro II ist seit 24 Monaten gottseidank unveraendert (d.h. seit seinem Zufallsfund). Keiner weiss wie lange sie ihn hat und was am besten zu tun ist. Da ist engmaschige Ueberwachung wohl das einzig sinnvolle.
Meine Frau weiss nicht so ganz genau, wie sich ein Astro II verhaelt und sie setzt sich damit nicht wirklich auseinander. Ihr geht es blendend und sie ist so hoffnungsvoll, dass er nie mehr waechst und wir trotzdem gemeinsam alt werden koennen. Ich selbst fange so viel wie moeglich fuer sie ab und halte mich medizinisch auf dem Laufenden.
Ich hoffe, dass fuer alle Betroffenen eine Heilung in Zukunft moeglich sein wird....denn wie Du auch sagst, ein Astro II kann sehr langsam wachsen, und einige Fortschritte macht die Medizin ja doch.
Ciao,
Roland
Roland[a]
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