Vor dieser Frage stand ich vor 7 Jahren mit meinem damals ebenfalls dreijährigen Kind auch. Unsere Situationen sind nicht ganz vergleichbar, ich will aber doch versuchen, mitzureden. In 7 Jahren sieht und lernt man viel.
Erstens: drei Monate für den Befund Eures Kindes (wenn ich das richtig verstanden habe) und (wiederum wenn ich richtig verstehe) Befunde aus Bonn und Rom sind nicht das allerüblichste. Ist vielleicht das "anaplastische Astrozytom" eine Verlegenheitslösung? Bei einem Erwachsenen ist diese Diagnose der Vorhof der Hölle, bei einem Kind gibt es vielleicht noch die Hoffnung, dass es diesem Schicksal entgeht. Kindliche Hirntumore sind in (fast) jeder Hinsicht anders als die der Erwachsenen.
Ich weiß nicht, wo Euer Sohn operiert und (hoffentlich) betreut wird. Betreuung heißt für mich, dass der Arzt sich über die Art des Tumors, über die Aussagekraft des Befunds Gedanken macht, dass er auf eine große Erfahrung betreffen kindliche Tumore zurückgreift, um Euch zu beraten. Ist dies nicht der Fall, weitere auf Kinder spezialisierte Neuroonkologen befragen!
Routinemäßig wird ein bereits dreijähriges Kind mit einer derartigen Diagnose ohne Rücksicht auf Verluste bestrahlt, so sehen es auch die Protokolle (damals HIT-GBM, heute HIT-HGG) vor. Die Erstdiagnose meines Sohnes lautete "anaplastisches Gangliogliom". Bis heute ist mein Sohn trotz ursprünglicher Empfehlung der Uniklinik, in der er sich zuerst in schlechter Betreuung befunden hat, weder bestrahlt, noch hat er eine Chemotherape bekommen.
Meine Entscheidung, die sich aus der Empfehlung unserer Neurochirurgin entwickelt hat, lautet: den Zeitpunkt einer Behandlung hinausschieben, solange dies nur möglich ist. Bisher bereue ich diese Entscheidung nicht.
Wir alle sind als Eltern in der dummen Situation, Gott spielen zu müssen. Wir entscheiden, ob und wie unsere Kinder zu leben haben, und das ist hart. Indem wir über die weitere Behandlung unseres Kindes entscheiden, müssen wir zuerst für uns mehrere Fragen beantworten: Ist uns als Eltern jeder Preis für das Überleben recht? Wie hoch ist dieser Preis? Wie lange Zeit kann mein Kind nach abgeschlossener Radiochemotherapie noch leben? Wie wird es im Falle des Überlebens in 5 Jahren sein und wie in 10? Wird es je ein lustiger schlauer Bursche in einer normalen Grundschule sein, oder ein gehänselter Lernbehinderter mit ständigem Leistungsabfall? Und wenn es entgegen aller Prognosen mal das Erwachsenenalter erreicht, was wird aus ihm?
Ich wollte und habe meinen schlauen Grundschüler, der bald aufs Gymnasium wechselt. Die Zukunft steht in den Sternen, und sein Stern ist nicht gerade der glücklichste. Solange er aber lebt, soll er gut leben.
Mark, entscheidet, wie es für Euch alle gut ist. Lasst Euch aber sehr gut beraten, fragt nach älteren ähnlichen Fällen, fragt nach Nutzen und Risiko und vor allem nach den Risiken, die jetzt eine abwartende Haltung mit sich bringen würde. Lasst auch ein PET machen. Vielleicht ist es wie bei uns sauber und Euer Kind gewinnt nochmal Zeit. Drei Monate sind bei Euch schon vergangen und das ist nicht wenig bei dieser Diagnose.
Alles Gute
Victoria