Liebe Deubi,
das, was Dich bewegt, ist wirklich nicht einfach.
Einerseits ist es ein Zufallsbefund. Das ist einerseits gut, weil das Astrozytom (wenn es eins ist) rechtzeitig entdeckt wurde, bevor es Schäden anrichten konnte. Andererseits stürzt Dich diese Tatsache in ein tiefes psychisches Loch.
Dass Du jetzt eine übergroße Angst hast, ist nach einer derartigen Diagnose "normal", denn es steht auf einmal ein riesiger Berg vor Dir und Du hast keinerlei Vorstellung, wie Du den bewältigen sollst.
Du schwankst zwischen verschiedenen Therapievarianten und der winzigen Hoffnung, der Berg könnte sich als harmlos erweisen.
Das wird er nicht.
Wenn tatsächlich noch "Platz im Hirn" wäre, würden die Fachärzte nicht nur eine Teilresektion empfehlen. Du schreibst es selbst: "Komplette OP ist zu risikoreich. Mein rechtes Bein würde Schäden zurückbehalten."
Und ja, Du hast Recht, wenn nur ein Teil des Tumors entfernt wird, kann (!) er wieder wachsen.
Wenn aber durch die Biopsie und Teilresektion die Art des Tumors zweifelsfrei festgestellt werden kann, dann gibt es die Möglichkeiten der Bestrahlung und der Chemotherapie. Beide Therapiearten zielen darauf ab, die verbliebenen Tumorzellen so in ihrem Erbgut zu schädigen, dass sie sich nicht mehr teilen können und absterben werden. Sie verbleiben zunächst einige Zeit (Monate ...) dort und werden in dieser Zeit nach und nach abgebaut. Wachsen sollten diese Tumorreste dann nicht mehr.
Der Rat von Etnhh (RTOG 9402 Studie) ist wirklich gut und sollte Dir Mut machen. Gerade in Hinsicht auf Chemotherapien und Bestrahlungen gegen Hirntumoren wird sehr geforscht und es gibt immer wieder besser wirksame und verträglichere Methoden.
Ich selbst hatte (in 08/2016) auch eine Teilresektion wegen der Nähe zum Sehnerv. Allerdings war es ein Meningeom (WHO II) und es war die fünfte Tumor-OP (in zeitlich jahrelangen Abständen). Eine sofortige Bestrahlung im Anschluss wäre gut gewesen, war jedoch (wegen schwer zu behandelnder Wundheilungsstörungen) nicht mögich. Im Laufe eines Jahres wuchs der Tumorrest tatsächlich auf die ursprüngliche Größe an und es wurde ein Meningeom WHO III vermutet. Aber jetzt war die Bestrahlung (10-11/2017) möglich. Sie hatte den Erfolg, dass der Tumor nach zwei Monaten im MRT-Bild eine Auflösung zeigt. Mein Sehvermögen ist gar nicht beeinträchtigt. (Für Meningeome gibt es keine sinnvolle Chemotherapie.)
Du hast den "Vorteil", dass es eine Chemotherapie gibt, die bereits erprobt, verändert und an die genetischen Marker der Hirntumoren angepasst wurde. Es besteht also eine recht große Chance, dass nach einer Biopsie mit Teilresektion (wodurch ein Großteil der Tumormasse entfernt wird) und anschließender Chemotherapie und Bestrahlung keine Schäden verbleiben.
Eigentlich ist Deine Voraussetzung für diese komplexe Therapie besser, umso früher sie begonnen wird.
Noch hast Du keine Ausfallerscheinungen.
Wenn Du erste Ausfallerscheinungen haben wirst, dann ist die Möglichkeit, diese wieder loszuwerden, viel geringer!
Natürlich verstehe ich Dein Wartenwollen.
Aber Deine Psyche wird sich mit diesem "Berg vor Dir" nicht stabilisieren. Die Angst wird nicht kleiner werden.
Auch nach einem Jahr wird der "Berg" genauso groß sein ... oder größer.
Sicher nicht kleiner.
Die durch die Diagnose ausgelöste Angst kannst Du nur verringern, indem Du in nicht allzu ferner Zeit den Schritt gehst und die Therapien beginnst. Dann wird ein Großteil der vagen Ängste weg sein, hinzukommen werden andere, konkrete, denen Du Dich mit Hilfe von Fachärzten, Reha, Physiotherapeuten, psychischer Begleitung besser stellen kannst.
Suche Dir den Arzt, das Krankenhaus, die Station, die in allen drei Therapien gut zusammenarbeiten, weil sie einander kennen. Es sollte eine regelmäßig tagende Tumorkonferenz geben.
Und Du musst ein gutes "Bauchgefühl" haben, denn Vertrauen ist sehr wichtig.
Ein MRT im März/April, also nach drei/vier Monaten, wäre sicher ratsam, um das Wachstumstempo festzustellen, aber auch, um genau zu sehen, wie nah der Tumor an die Risikobereiche heranreicht. Lass Dir das von einem Neurochirurgen genaustens erklären.
Der Weg wird keinesfalls einfach sein, aber Du wirst merken, dass auch Du Kräfte entwickeln wirst, um damit fertig zu werden.
Dafür alles Gute!
KaSy