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Thema: Buchtipp: Eugen und der freche Wicht

Buchtipp: Eugen und der freche Wicht
A2J
13.01.2004 08:48:23
Vom kleinen Wicht im Kopf

Ein Kind mit Hirntumor als Protagonist eines Bilderbuchs

Die Zürcher Zeichnerin und Comic-Künstlerin Anna Sommer und der Zürcher Kinderarzt Michael Grotzer erzählen in einem Bilderbuch vom kleinen Eugen, in dessen Kopf sich ein Tumor eingenistet hat: «Eugen und der freche Wicht» ist ein Aufklärungsbuch über die Behandlungsmethoden im Spital, aber auch eine spannende Geschichte.

Kinderbücher zum Thema Krankenhaus haben meist den Anspruch, Kindern die Angst vor dieser Institution zu nehmen. Häufig bekommen darin die kleinen Protagonisten die Mandeln operiert, oder aber der Blinddarm muss dran glauben. Auch mittelschwere Verletzungen bei Unfällen sind beliebt. Wie aber schreibt und illustriert man ein Bilderbuch über Hirntumor? Über ein Kind, das an einem solchen Hirntumor erkrankt ist? Dass so ein Buch nötig ist, hat der Zürcher Kinderarzt Michael Grotzer gemerkt. Er ist Leiter der Hirntumor-Sprechstunde im Zürcher Kinderspital (er wurde soeben für seine Forschungen zu Prognosefaktoren spezifischer Hirntumore, die im Kindesalter auftreten, mit dem Georg-Friedrich- Götz-Preis ausgezeichnet). Und dort sieht er, wie schwierig es ist, Kindern und Eltern zu erklären, was genau mit einem Kind, das einen Hirntumor hat, im Spital passiert.

Vom Umgang mit der Angst
In Zusammenarbeit mit der Zürcher Illustratorin und Comic-Zeichnerin Anna Sommer ist deshalb «Eugen und der freche Wicht» entstanden, ein ebenso sachkundiges wie spannendes Buch, das also den beabsichtigten Zweck erfüllt und das man gleichzeitig gerne in die Hand nimmt und liest, auch wenn man selber niemanden kennt, der an einem Hirntumor erkrankt ist. Und das ist bei diesem Thema wirklich aussergewöhnlich. Denn in der Geschichte von Eugen kommen Computertomograph, Hirnoperation, Intensivstation sowie Chemo- und Bestrahlungstherapie vor, Behandlungsmethoden und -apparate also, die keineswegs nur Kindern Angst machen.

Schnörkellos und gerade erzählen Michael Grotzer und Anna Sommer die Geschichte von Eugen, der plötzlich nicht mehr mit den anderen Kindern spielen will - weil er Kopfschmerzen hat, und ausserdem ist ihm schlecht. Die Kinderärztin, die Eugens Gleichgewichtssinn untersucht, schickt ihn weiter ins Spital, denn «dort gibt es Geräte, mit denen man tief in den Kopf hineinschauen kann». Und dort wird er dann auch entdeckt, der Tumor, der «freche Wicht». Schwarz und grinsend guckt er einem aus dem Buch entgegen. Wenn ein Tumor ein Wicht ist, wenn man ihm ins Gesicht schauen kann, dann wirkt er gleich ein bisschen weniger bedrohlich. Eugen will wissen, warum sich der Wicht gerade bei ihm eingenistet hat: Vielleicht, weil er zu viele Süssigkeiten gegessen oder nicht immer die Wahrheit gesagt hat? Der Arzt kann ihn beruhigen. Eugen hat nichts falsch gemacht, «der Wicht nistet sich ganz einfach dort ein, wo es ihm passt».

Sachlich und verspielt
Nun beginnt die Behandlung, die Operation zunächst, dann die lange, auch schmerzhafte Rekonvaleszenz, schliesslich noch eine Bestrahlung. Am Schluss ist Eugen wieder zu Hause. Der Wicht ist weg. Trotzdem muss Eugen seinen Kopf regelmässig untersuchen lassen. - Vielleicht liegt es an der Selbstverständlichkeit, mit welcher diese Geschichte erzählt wird, an der ruhigen, klaren Sprache, an den sachlichen und doch immer wieder auch verspielten Bildern von Anna Sommer, dass einem das Thema plötzlich ganz normal vorkommt, sogar für ein Kinderbuch. Sicher hilft auch, dass Anna Sommers Klinikwelt ein bisschen wie aus dem Spielzeugkasten wirkt, Realitäten also mit einer gewissen Distanz abbildet. Und natürlich ist wichtig, dass Eugen am Ende gesund wird. Denn Kinder (und Eltern) mit den Formen der Behandlung eines Hirntumors bei Kindern vertraut zu machen, das kann dieses Buch auf geradezu begeisternde Art und Weise leisten. Kinder (und Eltern) auf den möglichen Tod vorzubereiten hingegen, damit wäre das Medium Kinderbuch überfordert.

Gerda Wurzenberger

Anna Sommer, Michael Grotzer: Eugen und der freche Wicht. Edition Moderne, Zürich 2003. 72 S., Fr. 36.-.
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