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Dalaw

Hallo zusammen,
komme gerade aus der Besprechung der neuesten MRT-Aufnahmen von meiner Onkologin. Trotz schrumpfendem Tumor und ansonsten guten Blutwerten soll jetzt die Temodalgabe eingestellt werden.
Im Juni letzten Jahres wurde bei mir ein Glioblastom (MGMT hypermethyliert) festgestellt, inoperabel da Mitte-Mitte auf dem Corpus Callosum gelegen, 4,6x3,1cm. Danach folgten Bestrahlung+Temodal - Rückgang auf 3,6x3,1cm, und jetzt nach 6 Zyklen 5/28 Temodal 360mg (und D,L-Methadon 2x30 Tropfen) erneut ein deutlicher Rückgang. Zahlen habe ich noch keine, ich schätze 2x2cm.
Jetzt soll die Temodalbehandlung eingestellt werden, "um unser Pulver nicht zu verschiessen".
Das erscheint mir widersinnig, die Behandlung schlägt gut an und meine Blutwerte sind auch noch in vertretbarem Rahmen, Nebenwirkungen habe ich praktisch keine. Ich vermute, meine Ärztin hat Bedenken vom Stupp-Protokoll abzuweichen, über Gründe könnte ich nur mutmaßen.
Oder habe ich etwas nicht bedacht?
Mein Bauchgefühl jedenfalls sagt mir es wäre keine gute Idee jetzt auf das Temodal zu verzichten, bei Grippe (jaja, ist was anderes ;-) ) o.ä. soll man ja, wg, Resistenzen, auch nicht die Antibiotika einfach absetzen.
Was soll ich tun, abwarten und schauen oder auf mein Bauchgefühl vertrauen und auf einer Fortführung beharren?
Vielen Dank!

Josh

Hallo Dalaw,

willkommen hier im Forum. Ich würde definitiv auf einer Fortführung der Temodalbehandlung bestehen. Sowieso, weil das Temodal ja auch Wirkung zeigt. Das mit dem "verschossenen Pulver" ist meiner Ansicht nach Quatsch, sollte Temodal nicht mehr anschlagen, gibt es auch andere Alternativen wie z. B. CCNU + Methadon.

Viele Grüße
Josh

Prof. Mursch

Leider gibt es meines Wissens keinerlei Daten, die die eine oder andere Entscheidung wirklich stützen.
Auch Prof. Wick, Heidelberg, sagte letztens, dass die 6 Monate rein subjektiv festgelegt sind.

Man weiss aber, dass bei einer primär guten Verträglichkeit späte Nebenwirkungen eher unwahrscheinlich sind.


Prof. Dr. med. Kay Mursch
Neurochirurg
Zentralklinik Bad Berka

toto

Hallo Dalaw,
mein Mann beginnt am Ostersonntag mit dem 63. Temodalzyklus.
Blutwerte und Allgemeinbefinden sind top.

Bis jetzt scheint es zu wirken - Ostern sind es 5 Jahre :-)

Viele Grüße
toto

dropsi

Das freut mich sehr für euch. 5 Jahre... so soll es bitte weitergehen!

suace

"Wir" sind bei guter Verträglichkeit seit fast 3 Jahren dabei.
Soweit mir bekann ist, verlängert TZM laut aktueller Studienlage nicht signifikant die Gesamtüberlebenszeit aber wohl doch die Zeit bis zum nächsten Rezidiv.
Wir werden dann wegen der schweren Niereninsuffizienz tatsächlich keine weitere Therapieoption haben. Trotzdem haben wir und gemeinsam mit unserem NCH für die Fortführung der Therapie über die 6 Monate hinaus entschlossen
Bei der derzeit noch eher dünnen Datenlage wird uns nie jemand sagen können, ob unser Weg richtig oder falsch ist - und damit ist der Weg frei für das Bauchgefühl. Und das sagt uns , daß es gut so ist wie wir es handhaben.
Ich würde mir wohl an Deiner Stelle noch eine Zweitmeinung einholen

Dalaw

Vielen Dank für eure Antworten, ich werde um Fortführung der Temodalbehandlung bitten und eure Antworten mitreichen. Mal schauen wie es weitergeht :-)

paolo

Ich war in einer ähnlichen Situation. Der Onkologe im Krankenhaus, in dem ich auch operiert wurde, wollte ebenfalls nicht vom Stupp-Schema abweichen. Das hatte mich etwas verwundert, da nach der Bestrahlung und während den 6 adjuvanten Temodalzyklen der Tumorrest laut MRT-Aufnahmen ein regredientes Verhalten zeigte. Die Blutwerte waren auch immer in Ordnung, und die Nebenwirkungen minimal.
Die Begründung des Onkologen war, dass die Folgen einer länger als 6 Zyklen dauernden Temodaleinnahme noch nicht ausreichend erforscht sind.

Bin dann nach Rücksprache mit dem Neurochirurgen, und auf eigenen ausdrücklichen Wunsch, mit einer Empfehlung von Ihm für eine Fortsetzung der Temodaltherapie bei guter Verträglichkeit als individueller Behandlungsversuch bei einem niedergelassenen Onkologen untergekommen, bei dem auch schon andere seiner Patienten längerfristig in Behandlung waren/sind.

Ich habe jetzt insgesamt 17 Zyklen TMZ absolviert und noch verhält sich der Tumor ruhig. Kein neues Wachstum zu sehen, etwas weniger Kontrastmittelaufnahme, MRT-Verlaufskontrollen weiterhin alle 3 Monate.


Zur Datenlage, und die sieht in der Tat etwas mau aus, habe ich 4 Studien gefunden, deren Ergebnisse zwischen 2012 und 2015 veröffentlicht wurden.
Verglichen wurden Krankheitsverläufe von Patienten, die nach der Standardbehandlung (OP+Radiochemo) 6 Zyklen Temozolomid bzw. 12 oder mehr Zyklen (in einer der Studien sogar bis zu 101 Zyklen) absolvierten.
Die Kurzfassungen dazu gibt es hier:

https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/22382781
(Alberta,Canada/2012)

http://meetinglibrary.asco.org/content/108657-132
(Neu Delhi, Indien/2013)

https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/25434389
(Catania, Italien/2014)

https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC4638461/
(Tokio,Japan/2015)



!!!***Alle folgenden Angaben ohne Gewähr und ohne Anspruch auf Richtigkeit. Bin weder Arzt noch Akademiker. Es handelt sich hier lediglich um Auflistungen bzw. meine Interpretation der gefundenen Daten.***!!!

Die 4 Publikationen kamen zu dem Ergebnis, dass mehr als 6 Zyklen bei guter Verträglichkeit und Ansprechen des Tumors sinnvoll erscheinen, und auch sehr lange Einnahmen keine deutlich erhöhte Toxizität zeigten.
In den 4 Studien waren die jeweiligen PFS/OS-Werte für die Patienten die mehr als 6 Zyklen bekamen auch höher als in den Vergleichsgruppen, welche lediglich die üblichen 6 Zyklen bekamen.
Die angegebenen PFS/OS Werte schwanken je nach Publikation jedoch stark.
Auch wiedersprüchliche Angaben sind zu finden. So kommt die Studie aus Japan zu dem Ergebniss, dass mehr als 12 Zyklen keinen zusätzlichen Nutzen für den Patienten zu bringen scheinen:"More than 12 cycles of chemotherapy showed no additional survival benefit."(Neuro Oncol. 2015 Nov; 17(Suppl 5): v26. PMCID: PMC4638461).
Die italienische Studie hingegen spricht eher für eine langfristige Einnahme: "median survival correlates with MGMT promoter methylation status as well as with the number of TMZ cycles administered. Long-term TMZ therapy appears feasible and safe." (Neurosurg Focus. 2014 Dec;37(6):E4. doi: 10.3171/2014.9.FOCUS14502.,PMID: 25434389)

Auf Grund der geringen Patientenzahlen der jeweiligen Studien lassen sich jedoch keine statistisch relevanten Ergebnisse ableiten, was auch die stark schwankenden PFS/OS-Werte erklärt. Lediglich Tendenzen sind erkennbar, wobei auch da bedacht werden muss, dass Korrelation nicht mit Kausalität gleichzusetzen ist.


Die, zum jetzigen Zeitpunkt der Forschung, wichtigen Faktoren bei der Behandlung mit Temozolomid sind scheinbar:
-MGMT-Status hypermethyliert
-guter Allgemeinzustand (Karnofsky-Wert > 80)
-größtmögliche Resektion
-Alter des Patienten

Um statistisch signifikante Ergebnisse zu erzielen und entsprechend fundierte Aussagen bezüglich der langfristigen Behandlung mit Temozolomid treffen zu können sind weitere randomisierte Studien mit möglichst hoher Patientenanzahl notwendig.

Logossos

Es gibt aktuelle Veröffentlichungen aus diesem und dem vorigen Jahr, in denen es heißt, dass durch Temodalgabe nach den 6 Zyklen keine Verlängerung des Gesamtüberlebens (OS) erreicht wird. Dieses Ergebnis wurde durch Auswertung sehr vieler Krankenverläufe gefunden. Einzelheiten in der Rubrik "Aktuell" auf meiner Webseite über Glioblastomstudien, deren genauen Titel ich wegen der Nutzungsregeln hier nicht nennen darf.

logossos.

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