Ich zitiere Dr. Walter Rella: "... Innerhalb der letzten Jahrzehnte wurde nach dem Beispiel vieler anderer Krebserkrankungen auch beim GBM eine postchirurgische, postradiotherapeutische sog. adjuvante Chemotherapie eingeführt. Als Standardtherapeutika gelten seit 1970 die alkylierenden Nitrosourea-Präparate BCNU (Carmustin intravenös) und CCNU (Lomustin peroral). Seit 1985 wird auch das besser liquorgängige Fotemustin angewandt. Weitere erprobte Mittel sind die ebenfalls alkylierend wirkenden Carbazine MTIC (Procarbazin) und DTIC (Dacarbazin), sowie der Mitosehemmer Vincristin. Mit diesen Chemotherapeutika, allein oder in Kombination in Form einer Polychemotherapie, konnte die MedÜZ bei hochmalignen primären Gehirntumoren etwas verlängert werden. ... Im letzten Jahrzehnt drängt ein neues Chemotherapeutikum - Temozolomide (TMZ) auf den Markt. TMZ befindet sich derzeit in der Phase III-Erprobung, das heißt, man prüft nach den Kriterien der Evidence Based Medicine (EBM) in entsprechend kontrollierten Studien, ob die erwartete bessere Wirksamkeit im Vergleich mit anderen Mitteln statistisch nachweisbar ist... Mit der bloßen Registrierung einer Arznei ist ja noch keinesfalls die Frage beantwortet, ob gewisse statistisch signifikante Vorteile für den Patienten tatsächlich relevant sind und ob sie für den Einzelnen bzw. für die Gesellschaft die Kosten rechtfertigen... Einige Vergleiche mit der ältere Kombination eines Carbazins (DTIC) mit Fotemustin habe ergeben: ... Minimal höhere Ansprechrate von TMZ, aber Anzeichen für eine kürzere Wirksamkeit.... Eine Kosten-/Nutzen-Analyse zeigt, dass die Kosten einer TMZ-Therapie ein Vielfaches der herkömmlichen Behandlung ausmachen und in keinem Verhältnis zu den geringen Vorteilen stehen... Ob sich in Anbetracht der heutigen Möglichkeiten einer besten Palliativtherapie dieser Effekt überhaupt noch zeigen würde, darf zu Recht bezweifelt werden. Indirekte Hinweise können aus Studien abgeleitet werden, welche TMZ zur Behandlung von metastatischen Gehirntumoren einsetzen. Eine rezente derartige Phase II-Studie weist für TMZ plus Radiotherapie eine MedÜZ von 8,6 Monaten aus, gegenüber 7,0 Monaten für Radiotherapie allein. Dieser Unterschied war nicht signifikant (p = 0,45). Übelkeit, Erbrechen und Thrombozytopenien hingegen waren in der TMZ-Gruppe signifikant häufiger...
IMABE, Österreich, 4/2004