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stevi

Hallo,

mein Vater (58 Jahre) beginnt am kommenden Donnerstag mit einer kombinierten Strahlen- und Chemo-Therapie. Da er den Ärzten kaum Fragen stellt, ich etwas weiter entfernt wohne und demzufolge bei den Terminen nicht dabei sein kann, habe ich ziemlich viele Fragen. Das Meiste konnte das Internet und die Info-Hotline der Hirntumorhilfe schon beantworten. Seit letzter Woche wissen wir, dass neben der Strahlen- auch eine Chemotherapie erfolgen wird. Mir ist nicht ganz klar, ob das bei der Diagnose tatsächlich die Standardempfehlung ist.

Hintergrund: Mein Vater hat Ende Juli kurzzeitig (unter drei Stunden) unter Sprachschwierigkeiten gelitten. Nach diversen Untersuchungen wurde der nach meiner Meinung recht große Tumor (rechts frontal) gefunden und ca. zwei Wochen später in Meppen operiert (osteoplastische Trepanation rechts frontal, mikrochirurgische Exstirpation am 2.8.). Mir wurde nach der OP mitgeteilt, dass das was man sehen konnte entfernt wurde. Zunächst hieß es, es sei ein Astrozytom WHO°2. Erst eine halbe Stunde vor der Entlassung wurde ihm dann auf Grundlage des immunhistochemischen Befundes (zwischen Tür und Angel ohne jedes Feingefühl und ohne dass Angehörige dabei waren) mitgeteilt, dass es doch ein anaplastisches Astrozytom ist, das weiterbehandelt werden muss.

Folgende Details aus dem pathologisch-anatomischen Gutachten kann ich noch mitteilen:
CD34: Positive Reaktion der Gefäßendothellen. Mäßig dichtes Gefäßnetz. Keine Oligodendrogliommuster.
CD68: Reichlich Makrophagen und Mikrogliazellen.
GFAP: reaktive Astrozyten positiv. Tumorzellen mit verplumpten Zellfortsätzen ebenfalls positiv.
IDH1: Negativ.
Ki67: Maximal ca. 15% der Zellkerne positiv. Einzelne Mitosen.
MAP2: Nervenzellen und ihre Fortsätze positiv. Tumorzellen ebenfalls im Zytoplasma und in den Fortsätzen positiv. Kein Oligodendrogliommuster.
P53: Negativ.

Ich glaube, dass das Ergebnis mit Ausnahme der Tatsache, dass der Tumor überwiegend entfernt werden konnte und es zu keinerlei Ausfallerscheinungen gekommen ist, ziemlich schlecht ist (insb. "IDH1 negativ" und "Kein Oligodendrogliommuster").

Mein konkrete Frage lautet, ob bei diesem Befund die kombinierte Strahlen-/Chemotherapie standardmäßig gemacht wird (und warum).

Weiß evtl. außerdem jemand, weshalb der MGMT-Status scheinbar nicht überprüft wurde? Laut Info-Telefon scheint dieser Wert für die Prognose doch recht interessant zu sein.

Vielen Dank!

alma

Hallo Stevi,

willkommen im Forum.
Ja, es ist die Standardbehandlung, basierend auf wissenschaftlichen Studien über den Verlauf bei Grad III und Grad IV Tumoren. Sieh mal nach unter NOA (= Neuroonkologische Arbeitsgemeinschaft).
Meine erste Frage: ist der Tumor zweimal untersucht worden oder handelt es sich bei der ersten Feststellung um eine Art Blickdiagnose anhand der MRT-Aufnahmen oder während der OP? Und wenn nicht, hat man das Tumor-material ins Referenzzentrum zur zweiten Begutachtung geschickt (was eigentlich üblich ist).
Zu dem histologischen Befund kann ich dir nicht viel sagen und halte es auch für falsch, wenn man den als Laie zu deuten versucht.
Zum MGMT-Status ist mir bekannt, dass er bei Grad IV Tumoren bestimmt wird. Ob das aber schon bei Grad III der Fall ist, weiß ich nicht. Bei mir (Grad II) ist er nicht gemacht worden.

Liebe Grüße, Alma.

stevi

Hallo Alma,

danke für die Antwort. Der Tumor ist nach der OP zunächst in Meppen und dann in Bremen (Klinikum Bremen-Mitte, Prof. Dr. Bergmann) untersucht worden. Der Chefarzt in Meppen sagte, dass das immer so gemacht wird und bei Unklarheiten ggf. noch eine dritter Arzt eingebunden würde. Die erste Diagnose nach der OP beruhte auf dem histologischen Befund aus Bremen, der mir auch vorliegt; dort steht aber, dass das Gewebe zur endgültigen Einordnung weiter untersucht wird.

Ich bin bzgl. der Chemotherapie etwas unsicher, weil ich unterschiedliche Informationen gefunden habe. Auf der Seite der Deutschen Gesellschaft für Neurologie habe ich z.B. Folgendes gelesen:
"Die wichtigsten Empfehlungen auf einen Blick
(...)
WHO-Grad-III-Tumoren
Standardtherapie des anaplastischen Astrozytoms ist die Resektion oder Biopsie, gefolgt von der Strahlentherapie der erweiterten Tumorregion.
Die Chemotherapie mit Temozolomid oder nach dem PCV-Schema ist nach den Ergebnissen der NOA-04-Studie (Wick et al. 2009b) der Strahlentherapie bei anaplastischen Gliomen einschließlich der anaplastischen Astrozytome gleichwertig.
(...)"
(www.dgn.org/leitlinien-online-2012/inhalte-nach-kapitel/2379-ll-76-2012-gliome.html )

"Nach den Ergebnissen der NOA-04-Studie ist es gerechtfertigt, bei anaplastischen Gliomen, WHO-Grad III, als Primärtherapie nach operativer Resektion entweder eine Bestrahlung der erweiterten Tumorregion oder eine Chemotherapie einzusetzen und im Rezidiv dann mit der jeweils anderen Modalität zu behandeln."
(www.aerztezeitung.de/praxis_wirtschaft/zertifizierte_fortbildung/article/804682/hirntumoren-erfordern-differenzierte-behandlungsstrategien.html )

Danach erscheint mir eine zusätzliche Chemotherapie nicht unbedingt standardmäßig empfohlen zu werden. Wenn ich richtig informiert bin, gibt es Studien zur IDH-Mutation (bei meinem Vater negativ), 1p/19q-Ko-deletion bzw. zum MGMT-Status (z.B. NOA-8 Studie; www.bahnsen.de/onko/zns/gliom/stu/noa8.htm ), die Vorteile durch eine zusätzliche Chemotherapie sehen. Aber bei meinem Vater ist jedenfalls der IDH1-Wert negativ, so dass ich gerne wüsste, was bei den vorgenannten Gegebenheiten für eine zusätzliche Chemotherapie spricht.

alma

Ich habe gelesen, dass MGMT und IDH zwar wichtige Biomarker für die Prognose sind, aber nicht zur Entscheidung über die Therapie herangezogen werden sollten (Deutsche Gesellschaft für Neurologie). Leuchtet mir auch ein, denn das hieße, bei dem noch geringem Wissen über die sonstigen Faktoren, die Einfluss auf den Verlauf haben, eine wertvolle Option aufzugeben.
Ich kann schlecht damit argumentieren, dass Temodal eine gut verträgliche Chemo ist, weil das allein kein Grund ist, sie zu machen, sondern die Notwendigkeit es bestimmt.
Mach es doch so: nimm die Beratungstelefone der Hirntumorhilfe und des KID in Anspruch. Eine Zweitmeinung könnt ihr euch auch holen. Wenn zusätzlich Chemo, sollte man schon dahinter stehen.

Gruß, Alma.

Pipo

Hallo Stevi,

mein Mann hat auch ein reines Astrozytom III und macht seit vier Wochen eine kombinierte Radio-/ Chemotherapie. Diese Kombinationstherapie entspricht der Standardbehandlung bei Grad IV-Patienten, für Grad III läuft in vielen Kliniken eine Studie ( CATNON), in der eben erst untersucht wird, ob eine kombinierte Therapie Vorteile bietet oder in welcher Reihenfolge Bestrahlung und Chemo angewandt werden sollten.
Trotz bisher dünner Studienlage tendieren einige Ärzte, wie auch der Neurochirurg meines Mannes, zu einer aggressiven Behandlung. In unserem Fall scheint es das Richtige zu sein, weil es dem Bauchgefühl meines Mannes entspricht, und er durch Gespräche mit weiteren Ärzten darin bestärkt wurde. Demgegenüber steht das Lager, das sich eine Therapieoption "aufspart", um ein Rezidiv evtl. effektiver behandeln zu können. Es ist schon wie Alma sagt, man muß dahinter stehen - egal, wofür Dein Vater sich entscheidet.
Laut Infotelefon der Hirntumorhilfe soll der MGMT- Wert u. a. deswegen nicht zur Therapieentscheidung herangezogen werden, weil zum einen seine Bedeutung tatsächlich noch nicht wirklich eingeordnet werden kann und zum anderen, weil er keine konstante Größe ist, sich dieser Status z. B. im Rezidiv- Fall ändern kann. Aber ich verstehe Dich, man hat schnell das Gefühl irgendwas verpaßt oder nicht ausgeschöpft zu haben.
Was die 1p/19q-Deletion betrifft (bei meinem Mann ebenfalls negativ) verstehe ich es so, daß für diesen Fall eine Studie ein gutes Ansprechen auf die Chemo belegen konnte, ich weiß aber nicht, ob untersucht wurde, ob Patienten ohne diese Mutation schlechter darauf ansprechen, was ja nicht automatisch der Fall sein muß.
Du hast Dir ja offensichtlich schon einige seriöse Informationsquellen gesucht. Eine Zweitmeinung würde ich trotzdem in jedem Fall einholen, notfalls kannst Du auch alleine mit den Unterlagen zu einem anderen Arzt fahren, falls die Entfernung zu groß ist oder Dein Vater sich nicht fit fühlt.
Am Ende wird aber entscheidend sein, wozu Dein Vater tendiert, er muß das Gefühl haben, das Bestmögliche für sich herauszuholen. Als Angehöriger kannst Du Informationen beschaffen oder organisieren, mein Mann war nach seiner OP auch kognitiv zu stark beeinträchtigt dazu, ich persönlich glaube aber, daß nach allem Abwägen der Betroffene ein Bauchgefühl entwickeln muß.
Liebe Grüße
Natascha

stevi

Hallo Alma und Natascha,

danke für Eure Beiträge.

Den Aspekt "Eine Therapieoption aufsparen" finde ich besonders interessant und meine daher, dass man sich umfassend informieren sollte. Nur dann kann man, wie Ihr auch sagt, hinter dem Therapiekonzept stehen, was ich ebenfalls sehr wichtig finde. Ich habe es jetzt so gelöst, dass ich meinem Vater eine E-Mail mit der Frage "Warum Chemotherapie?" unter Hinweis auf die vorgenannten Quellen geschrieben habe, die er wiederum an den Arzt weitergeleitet hat. Der Arzt wird ihm nun hoffentlich erläutern, weshalb er dieses Konzept wählt. Ggf. werde ich dann noch eine Zweitmeinung einholen. Allerdings ist das alles - wie bereits gesagt - nicht ganz einfach, weil mein Vater am liebsten gar nicht über das Thema reden möchte.

Viele Grüße

Stevi

Pipo

Noch kurz zur Erläuterung des "Aufsparens":

Insgesamt gibt es zwar mehrere, aber nicht so viele Chemopräparate, die bei Hirntumoren eingesetzt werden, dürfte mit der Blut-Hirn-Schranke zu tun haben. Darunter gilt Temodal als vergleichsweise gut verträglich und wird übrigens zu Hause in Kapseln eingenommen.
Was die Bestrahlung betrifft - so wurde es mir bei der Hirntumorhilfe erklärt -, kann man wohl ein Rezidiv, das an der selben Stelle auftritt, nicht mehr so bald mit derselben Methode bestrahlen, weil die für die Gehirnzellen maximale Dosis von 60 Gy schon erreicht wurde, es wird nämlich immer ein Sicherheitssaum, also auch gesunde Zellen mitbestrahlt. Es gibt dann zwar noch Alternativen, aber zunächst nicht mehr die Standardbestrahlung.
Wann und wo ein Rezidiv auftritt, kann natürlich niemand vorhersagen, aber daraus dürfte sich die Überlegung des Aufsparens herleiten, die jedoch nicht alle Ärzte teilen.
Die Strategie meines Mannes ist halt, diesen Zeitpunkt der Rezidivbildung durch eine aggressive Therapie so weit wie möglich hinauszuschieben, aber wie gesagt, ist das letztlich Geschmackssache und ob es funktioniert, wissen wir bei aller Entschlossenheit noch lange nicht.
Es ist zwar verständlich, daß Dein Vater das Thema verdrängt, aber natürlich etwas problematisch, weil jetzt einfach einige Entscheidungen getroffen werden müssen.
Vielleicht wäre es ja möglich, daß Du selbst mal mit seinem Arzt telefonierst, das ist nur ein bißchen fummelig zu organisieren, da könnte theoretisch ja jeder anrufen. Evtl. auch schon einen Termin für die Zweitmeinung vereinbaren, die kompetenten Herren haben nicht immer unbedingt sofort einen Termin frei und bei Deinem Vater soll es ja schon nächste Woche losgehen. Ob Du den Termin dann wahrnimmst, kannst Du dann immer nich entscheiden.
Viele Grüße
Natasch

stevi

Die Frage "Chemo oder nicht" hat sich leider erledigt, denn die Chemo muss auf jeden Fall gemacht werden. Meinem Vater wurde heute bei der Bestrahlung gesagt, dass man den Tumor weiter untersucht hat und es nun doch ein Glioblastom ist. Außerdem ist auf der anderen Seite (links) ein weiterer Tumor aufgetaucht, der angeblich innerhalb von 20 Tage auf über 3,5 cm gewachsen ist und der angeblich nicht operiert werden kann :'-( Wir werden jetzt alle Unterlagen nach Heidelberg schicken und hoffen, dass der Chefarzt dort, Prof. Dr. Wick, noch eine Idee hat :'-(

pfefferminzi

Hallo Stevi!

Eine Operation des Tumors wäre auf jeden Fall positiv und ist so wichtig, dass man sich zur Operabilität auch eine Zweitmeinung einholen sollte.
Ihr hattet jetzt Heidelberg ins Auge gefasst, ein großes Haus - aber Prof. Wick ist Neuroonkologe, euer Ansprechpartner sollte auch ein Neurochirurg sein.

LG

stevi

Vielen Dank für den Hinweis. Daran hatte ich tatsächlich nicht gedacht. Kann jemand einen Neurochirurgen im Norden von NRW oder Niedersachsen empfehlen? In der Nähe wären z.B. Münster und Osnabrück. Noch gut zu erreichen sind außerdem Bremen, Hannover, Duisburg, Essen. Bei dieser Erkrankung würde man natürlich im Zweifel auch bis nach Wien fahren, wenn einem dort besser geholfen wird.

gramyo

Lieber Stevi und Vater,

wenn es dir um eine onkologische Zweitmeinung geht, würde ich dir immer Heidelberg empfehlen.Der Prof. der Neuroonkologie ist ein sehr empathischer und gleichzeitig fachlich kompetender Mediziner, nach unserer Erfahrung.

Wenn es um eine Operation geht , ist Hannover durchaus eine gute Adresse für euch. Da haben einige gute Erfahrungen gemacht.Wir allerdings haben keine OP -Erfahrung gemacht ( 2 inoperable Glioblastome, auch nach Zweitmeinung). Ich habe dir auch eine Nachricht geschrieben, da kannst du ja mal nachschauen.

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Wir wünschen euch von ganzem Herzen eine noch sehr intensive, gute Lebenszeit , die man durchaus haben kann

Gramyo und ihr Mann
der in ihrem Herzen und Leben
einen wunderschönen Platz einnimmt

stevi

Danke Gramyo für den Tipp und die aufmunternden Worte.

Ich werde mich mal genauer über Hannover und Essen informieren.

Felsquellwasser

hallo Stevi
bin dort selbst erfolgreich operiert worden ((PN))
deinem Vater sehr viel Kraft, so schlimm ist eine Chemo nicht
dir die Power duchzuhalten ,es ist oft für Angehörige viel schlimmer ,als für den Erkrankten.
Herzlich
100wasser

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