Hallo, Onlyjoking,
ich wurde mehrmals operiert und auch einige Male in der Folge bestrahlt. Da es sich bei mir um WHO-III-Meningeome handelte, für die es keine sinnvolle Chemotherapie gibt, hatte ich Deine Frage nicht auf mich bezogen. Aber es geht um die Wiedereingliederung und da habe ich mehrfache Erfahrungen.
Bereits vor meiner ersten Operation sagte mir mein Neurochirurg sehr ehrlich, dass ich etwa sechs Monate benötigen würde, um erst dann wieder mit dem "Hamburger Modell", also der schrittweisen Wiedereingliederung, für die Dauer von etwa sechs Monaten zu beginnen. Das war für mich zusätzlich zur Hirntumor-Diagnose zwar erschreckend, aber es war ehrlich und es stimmte.
Nach sechs Monaten begann ich an sehr wenigen Tagen und mit sehr, sehr wenigen Stunden einen Monat lang zu arbeiten. In meiner Erinnerung war der Beginn wie ein Jahr ohne Urlaub, obwohl ich ja ein halbes Jahr zu Hause gewesen war und mich dort mittlerweile sehr gut gefühlt hatte.
Arbeit ist etwas ganz anderes. Man kann nicht einfach mal Pause machen, sondern ist sofort "voll drin", auch wenn es sich nur um zwei oder drei Tage mit nur je zwei oder drei Stunden handelt. In diesen wenigen Stunden musst du voll da sein.
Für deine Überlegungen, ob, wann und mit welchem Umfang du starten möchtest, ist die Eigenbeobachtung sehr wichtig.
Fühlst du dich zu Hause so fit, dass du dich langweilst?
Oder legst du noch häufiger als vor der OP Pausen ein?
Besprich die Wiedereingliederung zunächst mit deinem Hausarzt. Der sollte dich ein wenig bremsen, weil er an deiner Gesundung und der späteren dauerhaften Arbeitsfähigkeit interessiert ist. Er hat so ein Formular mit vier Ausfertigungen (Arbeitgeber, Krankenkasse, Hausarzt, du), wo er vor allem einträgt, was er für die einzelnen Monate an Arbeitsumfang vorschlägt. Das bespricht er mit dir.
Ich habe im ersten Monat an zwei Tagen nur je zwei Stunden gearbeitet.
Das kann zum Austesten genug sein. Wenn du merkst, das klappt, ist es gut. Wenn du aber völlig kaputt nach Hause kommst oder mit Kopfschmerzen oder deutlich mehr gestresst, dann ist das ein Zeichen, dass du zu früh begonnen hast. Du bist während der Wiedereingliederung arbeitsunfähig, kannst die Arbeit also sofort wieder abbrechen.
Im zweiten Monat habe ich an drei Tagen je zwei Stunden gearbeitet.
Im dritten Monat vier Tage mit je drei Stunden.
Im vierten Monat waren es an jedem Tag vier Stunden.
Im fünften und sechsten Monat kam ich dann langsam auf die volle Arbeitszeit.
Das gelang nach der ersten OP gut "nach Plan".
Aber ich hatte mehrmals Wiedereingliederungen.
Einmal habe ich im zweiten Monat den Arbeitsumfang nicht gesteigert, es ging also langsamer bis zur vollen Arbeitszeit.
Bei mir war es auch so, dass ich die Zeit für die Wiedereingliederung etwa an der Zeit "gemessen" habe, in der ich zuvor arbeitsunfähig gewesen war.
Natürlich hängt das auch vom Beruf ab, also von der beruflichen Belastung. In meinem Beruf gab es "Null" Pausen, ich musste stets "voll da sein", auch wenn offiziell "Pause" war. Etwa die Hälfte der Arbeitszeit fand zu Hause statt, abends, wenn die drei Kinder im Bett waren.
Insgesamt hatte ich jeweils das Gefühl, dass ich etwa zwei Jahre nach der OP und den Folgebehandlungen wieder so richtig fit war. Das bemerkt man erst im Nachhinein. Ich hatte aber auch keine besonderen speziellen Ausfälle. Die "Persönlichkeit" musste erst wieder zu sich finden, die kognitiven Hirnprozesse hatten gelitten und mussten vor und während der Arbeit trainiert werden, die Psyche hatte "einen Knacks" bekommen, der Verarbeitungsprozess "Ich hatte ... habe einen Hirntumor" dauert lange, das sollte man nicht verdrängen, sonst holt es einen umso kräftiger ein und man fällt schmerzhaft und langwierig auf die "Nase".
Nach den späteren OP+Bestrahlung dauerte das Ganze jeweils immer länger, nach der vierten OP+Bestrahlung gab es noch etwa zwei Jahre lang die halbwegs begründete Hoffnung, wieder arbeiten zu dürfen, aber es ging nicht mehr. Immerhin hatte ich vor meiner ersten OP 15 Jahre und danach 16 Jahre arbeiten können.
Wer das kann und möchte, sollte es unbedingt tun.
Aber langsam, damit es sicher ist.
(Ich habe das "Auf die Nase fallen" mit einem anderen Neurochirurgen nach meiner dritten OP durch enen zu frühen Arbeitsbeginn heftig erleben müssen und wünsche es niemandem.)
Ich hoffe, Dir helfen meine Ratschläge.
Sprich mindestens mit deinem Arbeitgeber darüber, was (!) du hattest, damit er dich im ungünstigsten Fall schützen kann.
Wenn du schwerbehindert bist, hat er ohnehin die Pflicht, regelmäßg mit dir Gespräche darüber zu führen, ob und wie du klarkommst und welche Erleichterungen er für dich am Arbeitsplatz organisieren sollte, damit du die Arbeit genauso gut erledigen kannst wie sonst. Das ist keine Bevorzugung, sondern ein "Nachteilsausgleich". Denn, wenn du vier Stunden arbeitest, ist es noch lange oder für immer so, als wenn ein Gesunder sechs oder acht Stunden arbeitet. Mach dir das für dich immer klar. Du musst kein Held sein, auch wenn du es dir beweisen willst. Den anderen musst du nichts beweisen.
Ich wünsche dir zum richtigen Zeitpunkt einen langsamen und guten Start in dein Arbeitsleben.
Ich selbst war (außer dieses eine Mal) nach bzw. zwischen den OP nahezu nicht krank, die Langsamkeit des Beginns war also gut.
KaSy