Liebe fasulia,
entschuldige bitte, dass ich etwas weiter aushole.
Ich habe sehr lange überlegt, ob ich das überhaupt tun soll, weil es nicht unsere Sache als Laien ist, Berichte von Konferenzen mit 1500 Neurochirurgen zu diskutieren. Und als Besserwisser möchte ich auch ungern dastehen, weil sich hier manchmal Leute finden, die das gar nicht mögen.
Ich schreibe es trotzdem.
Es ist bisher gar nicht möglich, aus dem allerersten MRT, wo ein Meningeom einigermaßen sicher vermutet wird, festzustellen, welchen WHO-Grad dieses Meningeom hat. Dazu ist der Neurochirurg auf die Untersuchung des von ihm in einer Operation entnommenen Tumormaterials angewiesen. (Biopsien werden bei Meningeomen meist (?) nicht entnommen.
Das Ergebnis dieser histologischen Untersuchung steht nach frühestens einer Woche zur Verfügung. Erst dann kann man sagen, ob ein WHO-Grad II (atypisch) oder WHO-Grad III (anaplastisch) vorliegt. In diesen beiden Fällen wird über eine weitere Therapie entschieden, da WHO-Grad-II/III-Meningeome eine deutlich höhere Wahrscheinlichkeit haben, Rezidive zu bilden.
Diese Rezidive entstehen dadurch, dass sich bei höhergradigen Tumoren Tumorzellen bereits im umliegenden Gewebe befinden. Diese Zellen konnte der Neurochirurg aber nicht sehen und auch nicht erahnen, also hat er zur Schonung des Gehirns dieses Hirngewebe nicht entfernt.
Also muss über eine Strahlentherapie nachgedacht werden, die das Tumorgebiet und den Bereich um den Tumor mit bestrahlt, um diese Tumorzellen an ihrer weiteren Teilung zu hindern und damit die Rezidivgefahr zu verringern.
Mit der "Prognose", womit vermutlich die Überlebenszeit mit einer sehr guten Lebensqualität gemeint ist, hat die Feststellung des WHO-Grades tatsächlich wenig zu tun. Viele Patienten mit WHO-I-Meningeomen erleiden durch die Operation derartige Schäden, dass sie sogar nicht mehr arbeiten können, dauerhafte Nachbehandlungen benötigen usw.
Ich selbst dagegen konnte nach 3 WHO-II/III-Meningeom-OPs (1995; 1999; 2007) bis 2011 noch 16 Jahre lang arbeiten, bevor ich wegen der weiteren (2011, 2016) aus dem Beruf ausscheiden musste.
In den letzten Jahren haben sich die Therapiemöglichkeiten für Meningeome verändert.
Bisher hieß es immer, dass die Operation als erstes durchzuführen ist. Dann hatte man natürlich ziemlich rechtzeitig den histologischen Befund, um entscheiden zu können, ob eine weitere Therapie erforderlich ist.
Mittlerweile sind aber die beiden Methoden der Radiochirurgie hinzugekommen, die auch als erste Therapie bei kleinen Meningeomen durchgeführt werden können. Wenn nur die Radiochirurgie erfolgt, gibt es keine Chance, den WHO-Grad des Meningeoms und damit die Wahrscheinlichkeit für Rezidive bzw. ein erneutes Wachstum des bestrahlten Tumors vorherzusagen. Diese Unsicherheit für die behandelnden Ärzte und für die besorgten Patienten zu verringern, war vermutlich das Ziel der Untersuchung.
Wenn man nämlich aus der histologischen Untersuchung entfernter Meningeome bereits weiß, welchen WHO-Grad sie haben, dann kann man rückwirkend für diese (565) operierten Patienten schauen, worin sich die ersten MRT-Bilder bezüglich der inzwischen bekannten WHO-Grade unterscheiden.
Laut dem Text wurden vier bzw. eigentlich fünf Merkmale verglichen:
- Tumorgröße (und Tumorform)
- Kontrastmittelaufnahme
- Lage des Tumors im Gehirn
- Größe des Ödems um den Tumor herum
Diese Untersuchungsmethode führte zu dem Ergebnis, dass die Größe des Tumors und seine Lage im Gehirn in Bezug auf die bereits bekannten WHO-Grade keine Rolle spielen. Wo der Tumor liegt und ob er klein oder riesig ist, hat mit dem WHO-Grad und demzufolge mit der Rezidivwahrscheinlichkeit nichts zu tun.
Aber für drei Merkmale hat man Unterschiede feststellen können:
- WHO-I-Meningeome nahmen das Kontrastmittel gleichmäßig auf, während die höhergradigen Tumoren es nicht ganz gleichmäßig aufgenommen haben.
- WHO-I-Meningeome hatten im ersten MRT meist eine recht gleichmäßige, runde Form, während die höhergradigen Tumoren sehr verschiedene Formen haben konnten.
- Ödeme fanden sich (meist?) nur um höhergradige Menigeome.
Diese Erkenntnis kann den Neurochirurgen und den mit verschiedenen Geräten arbeitenden Strahlenärzten dabei helfen, die ersten MRT-Bilder zu nutzen, um eine Vermutung über den WHO-Grad und damit auch über die Rezidiv- und Wachstumswahrscheinlichkeit des zu behandelnden Meningeoms zu äußern.
Möglicherweise kann diese Vermutung für die Ärzte, aber auch für die Patienten entscheidend dafür sein, für welche Therapie entschieden wird.
(Derartige Schlussfolgerungen wurden in dem Bericht leider nicht genannt.)
Gerade hier im Forum schreiben doch immer wieder Meningeompatienten, dass sie selbst entscheiden sollen, ob ihr (mitunter zufällig gefundenes) relativ kleines Meningeom operiert werden soll und zu welchem Neurochirurgen und in welche Klinik sie gehen sollen. Oder ob sie sich für die (einfach erscheindende) Radiochirurgie entscheiden sollen, aber welche Art der Radiochirurgie sollen sie wählen, in welchem Zentrum sollen sie sich vorstellen, mit welcher Wartezeit müssen sie rechnen. Zweit- und Drittmeinungen sind gefragt.
Und dabei spielt auch die Frage eine Rolle, wie hoch die Rezidiv- bzw. Wachstumswahrscheinlichkeit nach der erfolgten Behandlung ist.
Und dafür ist die Kenntnis des WHO-Grades sinnvoll, den man möglicherweise aus den ersten MRT-Bildern vermuten kann.
Für den bereits operierten Patienten und seine Ärzte ist nicht mehr von Bedeutung, ob sich der histologisch festgestellte WHO-Grad bereits im ersten MRT durch eine ungleichmäßige Form und Kontrastmittelaufnahme und ein Ödem bereits vermuten ließ oder nicht.
Ich hoffe, mich verständlich ausgedrückt zu haben, welcher Zweck mit der "Untersuchung" vermutlich verfolgt wurde. Wissen kann ich es nicht ...
KaSy