MaxMüller

Moin,

ich bin zwar ein sehr positiver Mensch, aber alles hat irgendwann einmal ein Ende. Mit Ende 34 bin ich das erste Mal an Krebs erkrankt. Zu meiner Krankheitsgeschichte:

- an einem heißen Tag, nach meiner zweiten Halbmarathon-Vorbereitung bin ich das erste Mal umgekippt und hatte einen Blackout (vermutlich Ohnmacht), weil ich mich gefragt hatte, wie ich in mein Bett gekommen bin und was ich die ganze Zeit gemacht hatte. Ich bin auch erst gegen Abend wach geworden. Ich habe es erst auf den Kreislauf geschoben auch wenn ich nicht zu Kreislaufbeschwerden neige, aber wer geht schon von einem Gehirntumor aus?

- drei Monate später auf dem Weg von der Arbeit nach Hause bin ich ein Weiteres Mal umgekippt, dieses Mal gab es keine Ausrede. Ich bin aufgewacht, in die entgegengesetzte Fahrtrichtung haben mich zwei Sanis aufgegabelt, das ist das erste an das ich mich noch erinnern kann.

- Ab da an hat sich mein Leben auf den Kopf gestellt. Gerade war ich noch Halbmarathon-Läufer und plötzlich drehte sich alles nur noch um Krankenhaus-Termine, Chemo und Bestrahlung. Das erste Mal habe ich noch ganz gut weggesteckt. Da war ich schon nach sieben Tagen Aufenthalt wieder auf den Beinen - als wäre nichts gewesen. Es war sogar eine Wach-OP, weil sie nicht riskieren wollten mein Sprachzentrum zu zerstören. Ich war gefühlt fünf Minuten wach, im Endeffekt waren es wohl vier Stunden im wachen und nochmal vier Stunden im narkotisierten Zustand. Es war gar nicht so schlimm, hätte ich mich von der Arzt-Perspektive aus gesehen, hätte ich bestimmt auch anders reagiert. Ich habe nur die Fixierung gemerkt, also ich konnte mich nicht bewegen. Alles andere, also die elektrischen Impulse habe ich nicht mitbekommen, auch nicht das mein Schädel aufgeklappt war. Ich musste nur Piktogramme erkennen und aufsagen, das war meine einzige Aufgabe.

- Nach dem pathologischen Befund der Schock. WHO Grad 3, ein anaplastisches Astrozytom. Gut, positiv sehen. Immerhin ist es kein Glioblastom, noch mal Glück gehabt. Glück im Unglück. Immerhin ist er an einer operablen Stelle gewesen. Mich ziert jetzt zwar eine sichelförmige Narbe kurz hinter dem Ohr beginnend und am Scheitel endend, aber immerhin lebte ich noch und hatte auch so keine Einschränkungen. Das einzige was dazugekommen ist sind dreimonatliche Kontroll-MRTs und Levetiracetam liebevoll ein Anti-Zappel-Medikament von mir benannt.

- Als Therapieform habe ich eine kombinierte Form aus Chemo und Bestrahlung bekommen, in der meine Thrombozyten aber nicht ganz mitspielten. Und kurz vor der Untergrenze waren. Das war allerdings kurz gegen Ende der Therapie.

- Jetzt gab es eine lange Zeit in der alles gut verlief. Wir schreiben das Jahr 2020, eines der schrecklichsten Jahre meines Lebens bis jetzt. Nicht nur das es mit Corona losging, auch der Krebs meldete sich wieder. Dieses Mal hat man mich im komplett narkotisierten Zustand operiert. Das Ergebnis war das ich schon nach drei Tagen soweit war, aus dem Krankenhaus entlassen werden zu können. Der Schock war kam dann später. Er ist zu einem Glioblastom mutiert. Früher oder später musste es ja so kommen. Man hatte mich schon vorbereitet, dass es schlimmer werden kann, aber nicht muss. Aber unter keinen Umständen wird es besser.

- Ich wurde wieder mit derselben Therapieform behandelt, eine Kombination aus Chemo & Bestrahlung. Dieses Mal lief es aber nicht so toll und hat mir die Thrombozyten in den Keller geschossen, ich musste sogar eine Blutplasma-Infusion bekommen. Als die dann abgebrochen wurde habe ich mit TTF angefangen. Das sind Tumortherapiefelder, aber auch das hat nichts gebracht, sechs Monate später es ist inzwischen August 2020 war er wieder da. Hat alles nichts genützt. Jetzt stehe ich mit dem Rücken an die Wand.

- Im Oktober wurde ich erneut operiert. Am Anfang war noch alles gut, ich war relativ früh wieder fit. Innerhalb von sechs Monaten zwei Kopf-OPs zu überstehen ist nicht ohne. Da muss ich mir mal auf die Schulter klopfen. Kurze Zeit später dann der erneute Schock. Es gibt Schmatzen im Kopf und tierische Kopfschmerzen die nur mit Paracetamol einem milden Schmerzmittel in den Griff zu bekommen waren. Alles behandelbar, außer dem Schmatzen - das blieb noch eine gewisse Zeit und ich hatte schon befürchtet das geht gar nicht mehr weg.

- Nun, es ging weg... aber es wurde nur ausgetauscht gegen noch etwas wesentlich essentielleres. Meinem Konzentrations- und Sprachsinn, kombiniert mit meiner Fingerkoordination. Früher war ich mal stolz auf meine 200 Anschläge pro Minute. Jetzt dauert der Text hier auf Grund zahlreicher Fehler und Hänger mehrere Stunden. Und das als Webdesigner und ehemals Kundenservice-Mitarbeiter dem mit anderen ins Gespräch zu kommen immer leicht gefallen ist - und jetzt eine unüberwindbare Hürde zu sein scheint.

- Aber damit nicht genug. Damit könnte ich ja notfalls noch leben. Auch wenn das zu meiner Depression beigesteuert hat, und ich jetzt noch weniger einen Sinn im Leben sehe als zuvor als ich noch "normal" war. Das normal habe ich bewusst in Klammern gesetzt da es nicht normal ist sich mit Ende 30 schon Gedanken darum machen zu müssen das man bald sterben könnte und jeder Gang zum MRT der letzte sein könnte.

- So auch der Tag am 03.05.2022: die Radiologen waren sich nicht einig, ob der Tumor jetzt ein progressives Verhalten zeigt oder nicht. Der der den Bericht geschrieben hat sieht da kein Progress, der andere hingegen ist sich dem nicht sicher. Fakt ist zumindest schonmal dass es nicht eindeutig ist und auf jeden Fall etwas zu sehen ist... Jetzt muss ich den 02.08.2022 abwarten, da man da erhofft eindeutigere Bilder in die eine oder andere Richtung zu erkennen. Obwohl mein gesunder Menschenverstand ja nur eine Vermutung zulässt, sträubt sich mein Lebenswille und die Angst vor einer erneuten OP davor, in der evtl. noch mehr als nur das Sprach- und Konzentrationszentrum kaputt gemacht wird, das zu denken...

Naja, mir bleibt wohl keine andere Wahl als mein Schicksal zu akzeptieren... So schwer es auch sein mag.

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