Liebes Forum,
da ihr mir (wenn auch nur als stillen Mitleser) viel Unterstützung und kraft gebracht habt, möchte ich Euch heute an unserem bisherigen Verlauf teilhaben lassen.
Es „erwischte“ uns vor genau einem halben Jahr im Urlaub: In den frühen Morgenstunden erlitt mein Partner (35 J.) direkt beim aufwachen einem schweren Grand Mal Anfall. Eigentlich hatten wir schon dort etwas Glück im Unglück: Ich war zufällig früher wach und konnte den Anfall überhaupt bemerken. Da ich selber aus der Medizin komme, bestand ich auf sofortige Abklärung in der lokalen Rettungsstelle . Nur 1h später saß ich zusammen mit dem diensthabenden Neurochirurgen fassungslos vor dem CCT in dem sich re. temporal eine große sichtbare und deutliche Veränderung darstellte. Dann ging alles schlag auf schlag: Noch am selben Tag fand ein MRT statt und es stand laut der lokalen Ärzte die Diagnose „ most likely low grade glioma or astrocytoma“ im Raum.
Wie es viele hier schon beschrieben haben, zieht es einem erstmal den Boden unter den Füßen weg. Man ist plötzlich gefangen in einem Alptraum, der nicht enden will.
Da wir uns am anderen Ende der Welt befanden, erfolgte ein medizinisch begleiteter Rückflug nach Deutschland. Parallel erfolgte noch aus der Ferne die Vorstellung der MRT Bilder mit gleichzeitiger OP Planung in der Charité. Zum Glück haben wir Ärzte im Freundeskreis, die alles notwendige veranlasst und uns damit den Rücken freigehalten haben.
Mein Partner verdrängte die Situation in dieser Phase völlig, da ja im Grunde überhaupt keine Beschwerden vorlagen. Mir gelang das weniger, auch aufgrund meines Berufes. Dafür verfiel ich in Aktionismus und begann zu recherchieren und organisieren.
Die erste OP dauerte 6 Stunden. Die Hilflosigkeit die man als wartender Angehöriger an einem solchen Tag empfindet, lässt sich nicht in Worte fassen...
Da es während des Eingriffs zu einem schweren Schlaganfall kam, empfing mich der diensthabende Arzt auf der Intensiv mit der Nachricht „bedauerlicherweise eine Hemiparese links “. Da zieht es einem gleich das nächste mal die Schuhe aus.
Nach der OP erholte er sich jedoch zum Glück gut und schnell. Die Hemiparese bildete sich innerhalb von Tagen komplett zurück.
Die Histologie sorgte dann jedoch für den nächsten Schock. Junge Ärzte die nach Worten ringen und betreten zu Boden schauen, ließen nichts gutes erwarten: Astro WHO III.
Außerdem verblieb ein kleiner Resttumor und man empfahl eine weitere OP um diesen zu entfernen. So ging es 10 Tage nach der ersten OP wieder unters Messer.
Danach folgten Bestrahlung / Temodal Chemo und eine vierwöchige stationäre Reha.
Mein Partner steckte all das psychisch recht gut weg und war vom ersten Tag an optimistisch. Wir haben im Freundeskreis einen Glioblastom Betroffenen, der seine ED 1992 hatte und sich heute (bis auf epil. Anfälle) bester Gesundheit erfreut. Dieser musste permanent als positives Beispiel herhalten.
Auch körperlich ging es zügig voran und ab der Reha begann er täglich Kraft und Ausdauer zu trainieren. Ich begann mich in das Thema einzulesen und verschlang sämtliche Studien und Berichte.
Wir stellten etwas die Ernährung um und begannen zusätzlich mit Weihrauch,Curcumin und Selen. Wahrscheinlich auch um das Gefühl zu haben, selber wieder etwas Kontrolle zu übernehmen.
Nun haben wir das erste richtige MRT hinter uns, welches sehr positiv ausgefallen ist. Kein Ödem und keine Rezidivzeichen. Wir hatten auf 3 Monate Wartezeit nach Ende der Bestrahlung bestanden, um sich nicht noch zusätzlich verrückt zu machen. Die NC wollten schon 4 Wochen später Bilder machen.
Somit finden wir die Bilanz nach 6 Monaten doch recht positiv:
Bis auf einen Gesichtsfeldausfall links ist körperlich nichts zurück geblieben und das trotz einer kompletten hemiparese nach der OP! Die Belastbarkeit ist noch eingeschränkt (besonders an Temodal Tagen) wird aber immer besser. Eine ambulante neuropsychologische Therapie gibt Unterstützung und schult den Umgang damit im Alltag. Medizinisch betreut werden wir von den klinischen Neurochirurgen, sowie einem einfühlsamen niedergelassenen Onkologen.
Privat haben wir ein tolles und unterstützendes Umfeld. Auch von den Versicherungen (Krankenkasse, priv. Berufsunfähigkeit, Arbeitgeber usw.) haben wir bisher gute Unterstützung erfahren. Für Anfang des Jahres ist nach Ende der Temodal Chemo das Hamburger Modell geplant.
Auch wenn die Angst bleibt, stellt sich nun zumindest das Gefühl ein wieder etwas durchatmen zu können...