
Zodiac
hallo ,ich lese hier schon einige Zeit mit konnte mich jedoch nie durchringen selbst zu schreiben .Jetzt liegt mein Mann im Sterben bei mir zu Hause und ich komme mir vor als wäre ich in einer Glaskugel gefangen aus der es kein Entrinnen mehr gibt und irgendwie muss ich genau jetzt darüber reden....verzeiht mir im voraus wenn ich ab und an abschweife
die Vorgeschichte ...,kurz muss ich noch sagen das er 1988 einen schweren Motorradunfall hatte und ihm ein Bein amputiert wurde ,drei Jahre danach begannen die epileptischen Anfälle...vor 13 Jahren wurde ein Astro3 in der linken Gehirnhälfte diagnostiziert ,sofortige OP ,2 Tage später NotOP wegen Gehirnblutung die das ganze Hirn überschwemmte ...Diagnose der Ärzte max. ein Jahr ....anschließend nach den OPs Strahlentherapie ....Aufenthalt im AKH Wien über 3 Monate dann bekam ich meinen Mann nach Hause zurück .Es war eigenartig und schön und schwer und beängstigend ihn wieder ganz bei mir zu haben und wir waren damit alleine,niemand der uns darauf vorbereitete was noch alles passieren wird ...wir lernten uns erneut kennen da er durch die zweite OP keine Erinnerung mehr an uns hatte ...doch mit der Zeit kamen sie bruchstückhaft durch viel Arbeit mit Bildern und Gesprächen zurück ...es begann unsere Zeit in der Glaskugel ....viele "Freunde" verließen uns in der Zeit weil sie damit nicht zurechtkamen dass alles nun ganz anders war... einige wenige ,von denen ich es nie erwartet hätte ,blieben und das bis heute.....
vierteljährliche Kontrollen folgten und unsere erste Chemo zu Hause ...keine schöne Erfahrung denn wir hatten keine Ahnung wie es sein würde und wir waren damit erneut alleine ...zu der Zeit musste ich Vollzeit arbeiten gehen(,noch dazu ein neuer Job da mir meine Chefin kündigte als ich Urlaub wollte wegen der OP meines Mannes) damit wir über die Runden kamen denn mein Mann bekam von nirgends etwas her ,er war bei mir mitversichert und es dauerte ewig bis er zumindest die Mindestpension zugesprochen bekam ...das war schlimmer als alles andere bis dahin ,ihm nicht helfen zu können als er sich die Seele aus dem Leib kotzte und er alleine zu Hause war ....doch langsam pendelte sich alles ein und zwei Jahre lang sah es ganz gut aus ...dann wieder die Diagnose der Tumor ist wieder da ...diesmal 2 Stück ...inoperabel ...wieder Chemo ,danach irgendwann Gammaknive und wieder Chemo ,...die letzten Jahre bekam er durchgehend Nexavar als dann festgestellt wurde das sich einige Glioblastome eingenistet hatten ....immer wieder epileptische Anfälle,oft mit anschließenden Spitalsaufenthalt durch Verletzungen ...
Jedes verdammte jahr in den letzten 13 Jahren hörte ich das es bald soweit ist ,das ich mich vorbereiten soll ...jedes Mal brach meine Welt auseinander denn ich trug das "Geheimnis" alleine .Mein Mann wusste nicht wie schlimm es immer wieder um ihn stand ,wie oft ihn die Ärzte für tot erklärten .Ich weiß nicht ob es richtig war es zu verheimlichen ,zu verschönigen doch er kämpfte dadurch weiter weil er leben wollte ...das sagte er immer ..Ich will doch leben...denn die Hoffnung stirbt zuletzt ....
Seit 7 Jahren sind wir nun vom Hospiz der Caritas betreut worden .Wir hatten großes Glück eine wunderbare Schwester zugeteilt zu bekommen die mittlerweile mehr Freundin ist ...Leider ist sie gerade jetzt nicht verfügbar da sie selbst einige schwere OPs hatte und sie fehlt mir menschlich sehr ...
vor 7 Wochen wurde ich an meiner Arbeit angerufen ( Teilzeit ,neuer lieber verständnisvoller Chef) ich muss sofort kommen ,mein Mann liegt im Sterben ...es ist plötzlich extrem akut .....im Hinterkopf dachte ich mir in dem Moment sicher nicht ,das erzählt ihr schon zu oft und jedes Mal schaffte er es dem Tod ein Schnippchen zu schlagen ....er erfing sich auch wirklich nach 3 Tagen halbwegs ,war ansprechbar ,aß ,scherzte sogar ....was für eine gemeine Hure das Leben doch ist ( sorry ich kann es nicht anders beschreiben) denn die Ups und Downs gingen Hand in Hand ...die ersten 14 Tage war jeden Tag jemand bei uns ,es gingen Ärzte Pfleger EHs aus und ein ,man legte mir nahe mich wegen Bestattung zu kümmern denn es wären eben gerade noch 14 Tage bis er stirbt ...
die 14 Tage waren um ,mein Mann lebt immer noch und das Kommen und gehen ließ schlagartig nach ....per Telefon wurde ab und zu nachgefragt ....okay ,sie verstanden vielleicht nicht mein Wehren ihn ins Hospiz zu geben aber ich habe es meinem Mann versprochen das er zu Hause bleiben kann egal was passiert .....er war das ganze letzte Jahr schon bettlägrig ,konnte nicht mehr in den Rollstuhl ,nun die letzten Wochen war auch der Gang aufs Zimmerklo nicht mehr möglich und er bekam Windeln ,
Was das für ihn bedeutet brauche ich wohl nicht zu sagen ,er schämte sich ,wurde auch trotzig und wurde mit jedem Tag mehr wieder Kind ....fast jede Nacht nässte er 3, 4 Mal ins Bett weil er sich die Hose auszog ....ich schäm mich dafür das mir manchmal der Kragen platzte und ich ihn angeschrien habe obwohl ich im selben Moment doch wusste er kann nichts dafür ....sein Blick ,dieser traurige Blick ....ich war alleine und völlig übermüdet doch das ist keine Ausrede für mich denn diesen Blick werde ich nicht vergessen ...meine Mama steht mir zur Seite doch sie ist selbst nicht gesund 68 Jahre und steht auch noch im Beruf .....sie tut alles was sie kann doch ich will sie nicht auch noch mit meiner angst belasten obwohl sie es sicher weiß .....ich gelte für viele als Introvertiert und kalt weil ich meinen Gefühlen ,meinen Tränen nur alleine freien Lauf lasse ....doch das bin ich nicht ...ich habe nur Angst ,Angst ihn jetzt zu verlieren ...während ich das hier schreibe liegt er in unserem Ehebett und schläft mit Morphium und Schmerztabletten vollgepumpt um die Schmerzen zu ertragen...ich höre das schwere Atmen ,höre die Aussetzer der Atmung die immer öfter werden und frage mich wie lange noch .....ich will ihn nicht hergeben ,andererseits wünsche ich mir das er einschläft und gehen darf .....ich habs ihm gesagt das er mein Herz ,mein Liebe ist und er ruhig gehen kann ,das ich nicht böse bin deswegen ...das ich irgendwann zu ihm komme ,das wir wieder zusammen sind ....und doch während ich das schreibe ,weiß ich das es eine Lüge ist ...denn ich will ihn einfach nicht verlieren ...ich habe so große Angst vor dem was kommt ...ohne ihn ,ohne mein Herz ..wie soll ich ohne mein Herz denn leben ----