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ksw

Hallo Zusammen,

ich habe eine aktuelle Frage zum Thema (epileptische) Krampfanfälle mit ausgeprägter Sprachbeeinträchtigung.

Meine Schwester (47J.) hat Anfang dieses Jahres die Diagnose Glioblastom IV (links temporal, IDH-Wildtyp, MGMT methyliert) nach einem (epileptischem) Anfall, der sich durch eine Aphasie zeigte, erhalten. Wenige Tage später erfolgte komplette Resektion mittels Wach-OP; 5 Wochen später aufgrund MRT-Befund (erneutes Tumorwachstum) 2. Resektion mittels Wach-OP (kleiner Tumorgewebsteil verblieben). Anschließend CeTeG-Protokoll (TMZ+CCNU) und Bestrahlung.
MRT zeigte nach Abschluss der Bestrahlung Auffälligkeiten - Pseudoprogression wurde angenommen, daraufhin wieder Dexamethason-Gabe. Vor 3 Woche wurde mit dem Ausschleichen begonnen, zusätzlich hochdosierter Weihrauch eingenommen.

Während der Therapie ging es auf und ab. Die Sprachauffälligkeiten/-störungen, Konzentrationsschwierigkeiten, Schwindel und recht starke Sehfeldbeeinträchtigungen waren die ganze Zeit hindurch mal mehr, mal weniger vorhanden. Relativ konstant seit der Diagnose sind täglich Panik- und Angstzustände und große Sorge, die sie teilweise lähmt.

Heute morgen hatte sie (nach ca. 6 Monaten) erneut einen Krampfanfall, der sich durch eine stark ausgeprägte Aphasie bemerkbar machte. Daraufhin kam sie ins KH und das MRT zeigte wieder Auffälligkeiten. Der Arzt meinte, er könne keinen genauen Befund geben - es könnte sich auch um ein Ödem handeln, was ja nach der Strahlentherapie nicht unüblich wäre. Am kommenden Montag findet ein nächster Termin in dem KH statt, wo auch die Resektionen durchgeführt wurden.

Hat jemand von euch bereits Erfahrungen bzgl. (epileptische) Krampfanfälle nach der Bestrahlung gemacht? Wenn ja, wurden diese durch Ödeme ausgelöst oder ist das Vorliegen einer echten Progression wahrscheinlicher (das Ödem kann ja auch neben Tumorzellen abgestorbenes Gewebe umschließen, oder?)?

Wie sah/sieht es bei euch/euren Angehörigen seit der Diagnose aus in punkto psychische Stabilität? Hat vlt jemand Erfahrungen gemacht, dass sich die Ängste und Panikattacken mit der Zeit etwas legen?

Für eure Informationen/Erfahrungen wäre ich sehr dankbar.

Ajam

Hallo ksw,
Mein hatte auch nach der Radiochemotherapie immer mal wieder Krampfanfälle. Er war aber anscheinend noch nicht optimal mit den Medikamenten eingestellt. Zuerst hatte er Levetiracetam. Da er immer mehrmals täglich fokale Anfälle hatte wurde höher dosiert mit keinem großen Erfolg. Dann kam Vimpat hinzu, welches aber auch weiter angepasst werden musste, trotzdem noch fokale Anfälle, aber nicht mehr täglich. Schließlich wurde noch Lamotrigin eingeschlichen, solange bis er kaum noch fokale Anfälle hatte. Er nimmt fast überall die höchstdosis, verträgt es aber zum Glück ganz gut. Woher nun die Anfälle kamen, durch die Bestrahlung oder nicht, konnte uns keiner sagen, allerdings hatte er in der Zeit der Bestrahlung keinen Progress oder Ödeme.
Habt ihr die Medikation schon mit der/ dem behandelnden Neurologen *in besprochen?
Alles gute für euch

ksw

Hallo Ajam,
lieben Dank für deine Antwort und Erfahrungen.
Sie war jetzt 2 Tage im KH, Kortison und Levetiracetam wurden erhöht. Erneutes MRT mit Kontrastmittel ist geplant - mal schauen, was heraus kommt. Leider sind die Sprachausfälle immer noch da und auch das Sprachverständnis ist nich immer stark beeinträchtigt, was bei ihr auch jede Menge Angst auslöst.
Aber du hattest ja geschrieben, dass bei euch die Anfälle zurück gegangen sind - alles hoffen wir auch auf Besserung.
Alles Liebe auch für euch

KaSy

Hallo, ksw,
Die Anfälle können auch durch die Narben im Gehirn ausgelöst worden sein, die durch die beiden Operationen entstanden sind und sich noch immer ein wenig verändern. Auch strahlenbedingte Veränderungen im Gehirn können Anfälle auslösen.
Es muss also nicht unbedingt ein Tumorwachstum vorliegen.
Auch die Sprachprobleme können noch OP- bedingt sein, da nahe dem Sprachzentrum operiert wurde. Das könnte noch besser werden.

Für die psychische Belastung wäre es sinnvoll, dass sie mit einem Psychoonkologen oder einem anderen erfahrenen Psychologen Gespräche führt. Diese Diagnose ist derart dramatisch und die akuten Probleme schränken den Lebensmut sehr ein, das steckt man nicht so einfach weg. Da ist professionelle Hilfe gefragt und zwar möglicherweise dauerhaft.

Alles Gute für Deine Schwester und Dich!
KaSy

rawa

Unsere kürzlich gemachte Erfahrung; mein Vater hatte ein Jahr nach Ende der Strahlentherapie und trotz 2 x 500mg Levetiracetam täglich, einen Anfall. Er konnte nicht mehr sprechen, seine rechte Hand war Taub und seine Wange hat gezuckt, er erholte sich nach 2-3 Tagen einigermaßen, 2 Wochen später gab es ein MRT und siehe da, keine Veränderung, alles stabil. Sprache war erst nach 3 Wochen wie vorher. Er nimmt jetzt 2 x 750mg.

Ich würde meinen, sobald man eine OP am Gehirn hinter sich hat, ist mit epileptischen Anfällen zu rechnen, also nicht immer an Progression denken.

ksw

Hallo KaSy, hallo rawa,
lieben Dank für eure wertvollen Hinweise. Beruhigung können wir aktuell gut gebrauchen, da noch immer der mögliche Befund eines Rezidivs über uns schwebt.
Ein weiteres MRT mit Kontrastmittel soll morgen gemacht werden, um zu schauen was genau vom Ödem einkapselt ist - wir hoffen...
Aktuell ist die Dexamediakation erhöht auf 16mg und Keppra auf 2000mg. Meiner Schwester gehts leider aktuell noch immer nicht so gut - sie hat nach wie vor starke Einschränkungen im Sprachverstehen - eigenartiger Weiser klappt das aktive Sprechen relativ gut - das nutzt halt nur wenig, wenn sie nicht dem folgen kann, was andere sagen.
Das löst bei ihr daher große Ängste und Panik aus (deswegen nimmt sie Antidepressiva und Tavor). In psychologischer Betreuung ist sie seit der Diagnose. Sie hat auch ein sehr gutes Verhältnis zu ihrer Therapeutin - allerdings wirkt es sich nur wenig auf ihren Zustand aus.
Müsste sich ihr Zustand mir der Medierhöhung (zur Reduzierung des Ödems) nicht langsam verbessern? Die Ärzte meinten, dass die Erhöhung sofort wirkt - es macht sich jedoch nicht an der Qualität ihrer Ausfälle bemerkbar. Das bereitet uns schon sehr Sorgen.

KaSy

Hallo, ksw,
Bei vielen Hirntumorpatienten wirkt ein cortisonhaltiges Medikament schnell verbessernd, weil es gegen das Ödem wirkt. Dieses hat (genauso wie der Tumor) keinen Platz im Gehirn und verdrängt bestimmte wichtige Bereiche - bei Deiner Schwester das "Sprachzentrum".
Besser ist das Sprechen geworden, aber das Sprachverständnis nicht.
Warum das so ist, da bin ich überfragt. Die Ärzte wissen es mit umfassender Kenntnis und Erfahrung ja leider auch nicht. Aber sie versuchen weiter ...

Die psychische Begleitung ist gut, aber Wunder bewirkt sie nicht, das braucht viel Zeit.

Deine Schwester weiß bzw. die Ärzte und Ihr wisst, warum sie Angst hat und in Panik gerät. Es ist das Problem, dass sie wütend darüber ist, dass sie Euch nicht verstehen kann. Das ist für sie ein fürchterlicher Zustand.
Sie kann sprechen und Euch alles mitteilen, was sie will, das ist wieder so normal wie sie es gewohnt war.
Aber eine Unterhaltung kommt nicht zustande. Und nichts hilft dagegen. Es dauert ihr einfach zu lange. Und damit hat sie Recht. Sie darf verzweifelt sein. Sie darf wütend sein. Das kann sich auch in Angst und dann in Panik "hochschaukeln".

Aber werden die Antidepressiva und das Tavor dagegen helfen?

(Mit diesen Medikamenten habe ich Erfahrung. Mein laienhafter Erklärungsversuch könnte als Anregung zum Nachdenken und Nachfragen dienen.)

Antidepressiva wirken auf den Hirnstoffwechsel. Bei einer depressiven Situation wird z.B. das auch als Glückshormon bezeichnete Serotonin so beeinflusst, dass es länger im Gehirn wirken kann.
Nun wird Deine Schwester von diesem Medikament etwas glücklicher, aber dadurch merkt sie doch noch mehr diesen Verlust ihres Sprachverständnisses. Ihre Verzweiflung wird noch größer, sie wird zur Angst, sie gerät in Panik.
Sie hofft, dass es besser wird, aber ihre Hoffnung wird enttäuscht.

(Ich habe jahrelang verschiedene Antidepressiva genommen und hatte diese Hoffnung, manchmal wirkten sie auch gut, aber bei mir entstand nie dieses Glücksgefühl, das ich bei anderen sehen konnte. Selbst ein sehr langer Aufenthalt in einer sehr guten Psychiatrie auf eigenen Wunsch half nicht. Auch einige andere Hirntumorbetroffene berichten das so. Ich kam zu dem Schluss, dass Antidepressiva bei organisch erzeugten psychischen Problemen vielleicht nicht richtig sind, für mich jedenfalls.)

Ich denke, dass sehr viel Verständnis von allen da sein muss. Ihr solltet Ihr Möglichkeiten geben, sich verständlich zu machen. Ich hoffe sehr, dass die Psychologin in dieser Richtung gezielt arbeitet und auch Euch sinnvolle Tipps und Hilfen anbietet.

Das Tavor wirkt rasch beruhigend. Und es wirkt recht lange nach. In einem akuten Unruhezustand mag es richtig sein. Es sollte aber nicht dauerhaft eingenommen werden, da es abhängig macht.
Nun mag man sagen, dass die Lebenszeit bei Glioblastomen sowieso nicht so lang ist, aber das darf keinesfalls ein Grund sein, zu früh derartige Medikamente zu geben.
Der Unruhezustand hat ja meist denselben Grund - sie will Euch etwas sagen und wird nicht verstanden. Ob da Tavor das Richtige ist?
Könntet Ihr nicht versuchen, sie mit Worten, die sie ja versteht, und mit lieben Gesten, mit ihrer Lieblingsmusik, mit schönen Bildern, leckerem Essen, duftenden Blumen ... von ihrer Verzweiflung wegzubekommen - anstatt ihr Tavor auf die Zunge zu legen?

Ich bin mir sicher, Du tust alles für sie. Die Ärzte versuchen auch alles und nach dem Scheitern versuchen sie etwas anderes. Die Medizin kann viel, aber die menschliche Zuwendung ist bei solchen Problemen sehr bedeutsam. Deine Schwester will verstanden werden - gib ihr das Gefühl, sie zu verstehen. Sei für sie da, teile ihre Verzweiflung - und bringe sie dann sacht davon weg - zu schönen Dingen. Von denen gibt es so viel! Lernt, diese kleinen Glückspünktchen zu finden, zu sehen und zu genießen.

(Bei mir sind es piepsende Vögel im Garten, glitzernde Tautröpfchen, die Blume in der Wiese, das Käferchen auf dem Blatt, ein Eis, Erdbeeren, klassische Musik, lachende Kinder, ... )

Ihr werdet es gemeinsam schaffen! Ich hoffe es so sehr.
KaSy

ksw

Liebe KaSy,
vielen Dank für die ehrlichen und aufschlussreichen Worte.
Vieles von dem was du erwähnt hast - vor allem bzgl der Psyhchopharmaka - ist nachvollziehbar und trifft in Teilen bei uns sicherlich auch zu. Insbesondere der Punkt, sich davon nicht allzu viel zu erhoffen, da es sich um eine reale spürbare und eben auch lebensbedrohliche Krise handelt, die sich eben auch körperlich äußert. Das Tavor war ihr Wunsch zu nehmen (leider auch schon seit längerem), aber es ist eben nur für den Moment der akuten Angst/Panik. Du beschreibst es sehr nachvollziehbar, dass die persönliche Zuwendung und Geduld das A und O ist. Als Angehörige ist es auch oft unglaublich schmerzvoll, sie so zu sehen, wo man durch so gern helfen und ihr die Angst nehmen möchte.
Wir leben ‚erst‘ seit 6 Monaten mit der Diagnose, an vieles müssen wir uns sicherlich noch gewöhnen und Wege finden - auch mit der ständigen Angst vor dem nächsten Befund umgehen zu müssen. Aber das trifft ja alle hier gleichermaßen. Auf jeden Fall sehr wertvoll an Deinen Gedanken und deiner Einschätzung und der aller anderen teilhaben zu können.

Danielyum

Zu der Frage „ Hat jemand von euch bereits Erfahrungen bzgl. (epileptische) Krampfanfälle nach der Bestrahlung gemacht? Wenn ja, wurden diese durch Ödeme ausgelöst oder ist das Vorliegen einer echten Progression wahrscheinlicher (das Ödem kann ja auch neben Tumorzellen abgestorbenes Gewebe umschließen, oder?)?“

Bei meinem Vater gab es während der Strahlentherapie trotz Einnahme von LEV täglich 2-3 Krampfanfälle am Arm für ca. 45 Sekunden. Das war zwar ein Moment des Kontrollverlusts, aber von der Intensität her nichts im Vergleich zu den ersten beiden Anfällen ebenfalls am Arm, die dann zur Tumordiagnose per MRT führten. Diese Krampfanfälle sind dann zwei Wochen nach der letzten Bestrahlung nicht mehr aufgetreten. Seitdem kein Krampfanfall mehr, manchmal subjektives Empfinden einer Anbahnung. MRT-Aufnahme nach der Strahlung war stabil im Tumor-Ausmaß.

LEV wird weiterhin genommen, die Neurologin meinte genauso wie KaSy, dass evtl. Narben an der Tumorstelle zu einem Anfall mit Kollateralschaden führen könnten, wenn LEV abgesetzt würde. Allerdings gibt es seit mehreren Monaten, eigentlich seit der Biopsie vor einem Jahr, Schwindel, der entweder a) vom LEV, b) vom Tumor oder c) vom Bluthochdruckmittel kommen könnte, welches ebenfalls seit der Erstdiagnose genommen wurde.

(Neuestes MRT nach einem Jahr weist ein größeres Kontrastmittel einnehmendes Areal aus (<2cm), Arztabklärung ob Rezidiv und mögliche Folgetherapie erfolgt in Kürze. Aber wie beschrieben, keine Krampfanfälle oder Auffälligkeiten am Arm.)

Kopf hoch

Hallo!

Durch die Resektion des Tumors und ggf. auch durch die Bestrahlung kommt es zu Vernarbungen im Gehirn. Diese Narben erhöhen das Risiko für epileptische Anfälle.

Allein im letzten Jahr hatte ich zwei Grand-Mal-Anfälle und dies nach mehr als sechs Jahren nach OP und Bestrahlung. Beim zweiten Anfall wurde ich ersten Stunden später im KH wach.
Der Neurologe erklärte mir, dass epileptische Anfälle aufgrund der Vernarbungen im Gehirn ein lebenslanges Risiko seien. Er höhte die Dosis des Anit-Epileptikums.

Welches Medikament für Deine Schwester das Mittel der Wahl ist, besprecht mit dem Arzt. . Behaltet die Nebenwirkungen im Auge .Mein erstes Medikament führte bspw. zu Aggressivität.

Zur Sehfeldeinschränkung etc. fragt den Neurochirurgen oder Neurologen. Je nach Lage der tumor- oder therapiebedingten Hirnschädigung (nachvollziehbar auf MRT) kommt es zu entsprechenden Einschränkungen. Ein kognitives Training kann Verbesserungen bringen .

Alles Gute und
Kopf hoch

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