Unterstützen Sie unsere Arbeit für Hirntumorpatienten. Jeder Beitrag hilft.

Jetzt spenden

Phil8619

Hallo zusammen, ich muss durch eine Wundheilungsstörung operiert werden, das steht fest. Meine Frage ist, ob man den Knochen rausnehmen reinigen und wieder einsetzen kann oder der Knochen komplett ausgetauscht wird, mit einem Implantat und man für eine gewisse Zeit komplett ohne Knochen leben muss bis das Implantat gefertigt ist. Freue mich auf eine Antwort. Allen gute Besserung und schnelle Genesung. Lg

Prof. Mursch

Ohne Ihre Befunde zu kennen, ist das schwer zu beurteilen.
Wenn der Knochen sich bei der Operation von entzündlichem Gewebe oder Eiter umgeben zeigt, macht es wenig Sinn, ihn wieder einzusetzen, weil er wahrscheinlich eine Wundheilungsstörung unterstützt.
Es ist zwar nicht schön, einige Monate ohne den Knochen zu leben, aber meist nicht wirklich schädlich.
Alles in Allem ist das die schnellste und sauberste Lösung.



Prof. Dr. med. Kay Mursch
Neurochirurg
Zentralklinik Bad Berka

KaSy

Lieber Phil8619,
bei mir hatte eine Entzündung des Knochenimplantats nach einer OP eine Wundheilungsstörung hervorgerufen, die mit Antibiotika nicht zu bekämpfen war.
Der Knochendeckel wurde in einer Operation entfernt und ich war etwa ein halbes Jahr ohne diesen Knochen unter der halben Stirn. Das war erstaunlicherweise kein Problem.
Ich hatte aber auch von anderen bereits gelesen, dass sie auch einige Wochen oder Monate ohne den entfernten Knochen oder das Knochenimplantat lebten.

Bei mir war es so, dass vor dieser OP, in der der Knochen entfernt wurde, ein spezielles CT gemacht wurde, das nach Jena geschickt wurde, wo auf dessen Grundlage ein individueller Knochenersatz aus PEEK (Polyetheretherketon) hergestellt wurde. Dieser wurde in "meine" Klinik geschickt und "wartete" dann auf den Zeitpunkt, dass es in einer Operation eingesetzt werden konnte.

Diese beiden Operationen sind weniger problematisch und folgenärmer als Hirntumoroperationen.
Bestenfalls wird nach dem Einsatz des Knochenersatzes einige Tage stationär aufgepasst, dass sich nicht wieder eine Wundheilungsstörung entwickelt.

Ein Knochenersatz ist genauso stabil wie der eigene Knochen. Viele Neurochirurgen fertigen im Verlauf der Hirntumor-OP selbst einen Knochenersatz aus Palacos (Knochenzement) passgenau an.
Einen solchen hatte ich auch jahrelang und selbst wenn ich mir den Kopf sehr heftig stieß (z. B. Kofferraumklappe ...), tat es nur weh, aber kaputt ging nichts. Auch das hatte ich von anderen bereits gelesen.

Es ist eine sichere Lösung, um die Wundheilungsstörung wirklich loszuwerden.
Ich drücke Dir die Daumen, dass alles gut gelingt.
KaSy

Phil8619

Ok vielen Dank für die schnellen und umfangreichen Informationen.
@Herrn Dr. Mursch, danke für die Auskunft, leider weiß ich nicht, ob der Knochendeckel infiziert ist. An der Narbe ist eine Stelle offen. Wäre eine Behandlung möglich, wo der alte Knochendeckel gereinigt eingesetzt und anschließend mit Antibiotika behandelt wird?
Ohne Knochen im Kopf wie darf man sich das vorstellen , ist dann nur die Haut darüber? Und man ist doch bestimmt sehr eingeschränkt muss man einen Schutz tragen in der Zeit auf dem Kopf oder reicht es wenn man eine Kappe trägt? Kann mir schwer vorstellen in der Zeit überhaupt vor die Tür zu gehen ,wäre mir glaube ich sehr unangenehm ... aber was will man machen , hab ja grad gelesen wies gehen kann ..
@Kasy danke für deinen Erfahrungsbericht. Wie bist du damit umgegangen? Musstest du einen Schutz tragen?
ich wünsche eine Gute Nacht

KaSy

Lieber Phil8619,
Das ist wirklich viel einfacher als man glaubt!
Die Haut ist dick genug, die darüber ist. Zusätzlich wird das Gehirn durch zwei Sorten Hirnhäute und das Hirnwasser (Liquor) geschützt.
Da muss man weder Helm noch Kappe als Schutz tragen (bestenfalls als Sonnenschutz ;-) ).

Bei mir waren zwei kleine Stellen der Naht wochenlang nicht zugeheilt. Das ist also mit Deiner OP-Folge vergleichbar.

Erst wurden Antibiotika probiert.
Dann eine OP durch einen Gesichtschirurgen, die misslang.
Wundspezialisten versuchten ihr und mein Glück ... erfolglos.
Mein Neurochirurg hatte dann eine Idee ... langwierig und erfolgreich.

Es war die infizierte Knochenplastik, die die Heilung nicht zuließ.

Wenn Dir bereits gesagt wurde, dass sie entfernt und nicht wieder eingesetzt wird, dann wird die bzw. eine Ursache der Wundheilungsstörung
im Knochen vermutet.

Und in dem Fall bleibt eben nichts anderes übrig, als diesen Knochen herauszunehmen.

Man kann einen infizierten Knochen nicht einfach "reinigen und mit Antibiotika behandeln".
Wenn ein Knochen erst einmal infiziert ist, dann steckt der "Infekt" oder auch Tumorzellen oder sonstwas bereits auch im (!) Knochen. Das bekommt man nicht so einfach heraus.

Selbst wenn man es versuchen würde, wäre das Risiko viel zu groß, dass doch irgendein Keim verblieben ist, den weder Antibiotika noch jegliche Desinfektionsverfahren erreicht haben.

(Vergleichbar ist das mit dem Problem verbliebener Tumorzellen, aus denen nach Wochen, Jahren, vielen Jahren Rezidive heranwachsen können. Diese Zellen sind auch derart winzig, dass sie mitunter trotz OP + Bestrahlung + Chemotherapie nicht erwischt werden. Nur - da gibt es keinen Ersatz.)

Wenn sich der verbliebene Keim im Knochen vermehrt und wieder eine Entzündung hervorruft, wird das nicht nur eine Wundheilungsstörung sein, wie Du sie jetzt kennst und das ist schlimm genug.

Wenn die Naht zugeheilt ist und sich die Keime vermehren, ergibt das als erstes eine Hirnhautentzündung (Meningitis) und ziemlich rasch danach kann diese Entzündung auf das gesamte Hirn übergreifen (Enzephalitis).

Das, was jetzt aus den offenen Stellen an Eiter oder so herauskommt, kann raus.
Aber wenn alles zu ist, kann nichts raus, also geht die Entzündung nach innen.

Und das ist eine akut lebensbedrohliche Erkrankung, wo innerhalb von Stunden gehandelt werden muss.

Das willst Du nicht!!

Das will auch Dein Neurochirurg nicht!

Denn dann müsste er erst diese Entzündungen stationär in den Griff kriegen, denn ein entzündetes Gehirn operiert man nicht.

Und dann müsste der Schädel wieder genau dort eröffnet werden, wo schon mal die Wundheilungsstörung war.

Das geht prinzipiell schon.

Aber wenn Wunden nicht heilen, kann das mehrere Ursachen haben und dann birgt jeder neue Schnitt die Gefahr, dass dort die Heilung wieder problematisch sein wird.

Wundheilungsstörungen kommen nicht bei jedem vor, aber sie sind eine Herausforderung für jeden Arzt und es kommt z.B. bei alten Menschen vor, dass die Wundheilung nicht gelingt.
Da riskiert man lieber nichts!

Und es gibt ja sehr guten Knochenersatz mit z.T. jahrzehntelangen Erfahrungen für den Neurochirurgen und die Patienten, und in mittlerweile drei (oder mehr) Sorten:

Es gibt seit mindestens 25 Jahren die Palacos-Plastiken, die im OP-Saal hergestellt werden und äußerst stabil sind.

Die PEEK-Plastiken gibt es seit mindestens 5 Jahren, die werden patientenspezifisch hergestellt und steril verpackt an die Kliniken geschickt.

Manchmal werden auch Titannetze verwendet, damit habe ich keine Erfahrung, aber davon gehört habe ich auch schon vor vier Jahren.

Alle Arten sollen gleich gut sein.
Ich denke, jeder Neurochirurg nutzt das, womit er die beste Erfahrung auch in der Nachbetreuung gemacht hat.

Du musst Dir wirklich keine Sorgen machen. Du bist durchaus nicht der erste, der einige Monate ohne Knochenteil herumläuft.
Ich habe vor 25 Jahren in einer Rehaklinik einen Patienten gesehen, der sich daran gewöhnt hatte und gar keine weitere OP wollte, in der ein Knochenersatz eingesetzt wird. Damals fand ich das auch "gruselig", aber nachdem ich selbst diese Erfahrung gemacht habe, weiß ich, dass das wirklich kein Problem ist.

Geh diese OP an, es ist das beste in Deiner Situation, jedenfalls viel besser als lange mit einer Wundheilungsstörung rumzulaufen, denn diese schränkt einen mehr ein.
KaSy

Phil8619

Hallo KaSy vielen Dank erstmal das du dir soviel Zeit nimmst und so ausführlich antwortest. Welche Methode es am Ende sein wird weiss ich noch nicht. Operiert werden muss in jedem Fall ,auch wenn ich jetzt schon fürchterliche Angst und Horror Vorstellungen habe... aber wem sag ich das , wirst das ja wahrscheinlich selber von dir kennen. Du hast in jedem Fall sehr detailiert auch die Dinge erklärt so das ich es etwas besser verstehen kann alles.. denke die Angst wird erstmal bleiben bis alles mal Rum ist, allein schon an 2 Operationen mindestens zu denken ist echt ein erdrückendes Gefühl was mir derzeit extrem zu schaffen macht. Aber muss man halt stark sein irgendwie. Wünsche einen schönen Samstag :) l g

Prof. Mursch

@phil 8619:

KaSy hat das sicherlich sehr gut beantwortet.

Wie gesagt, man kann Ihnen individuell nicht sagen, ob die Behandlung ohne neuen Knochen möglich ist.
Nach fast 30-jähriger Erfahrung: sehr sehr selten, wenn der Knochen frei liegt und Sekret abfließt (Flecken auf dem Kissen).
Ob Helm oder nur Mütze, hängt von der Größe und Lage des Defektes ab.




Prof. Dr. med. Kay Mursch
Neurochirurg
Zentralklinik Bad Berka

Phil8619

Vielen Dank auch ihnen herr Dr Mursch für ihre Einschätzung und Erfahrung. Kann man aufgrund der Entzündungswerte beurteilen ob der Knochen befallen ist oder nicht ,oder ist das trotzdem schwer zu sagen? Oder kann man bei verwenden des eigenen Knochens nach Reinigung einfach mit Antibiotika nachbehandeln? Ein schönes Wochenende wünsche ich allen. L g

Harte Nuss

Hallo Phil8619
bei meiner ersten OP 1981 wurde schon der Knochen rausgenommen. Er wurde 6 Monate eingefroren (wie man mir sagte) und dann wieder durch eine kleinere OP eingesetzt. Das halbe Jahr ohne Schädelknochen an der re. Seite ist schnell vergangen. Nachdem man den Knochen wieder eingesetzt hat, habe ich festgestellt, dass er kleiner geworden ist und man fühlen kann wo die Bohrlöcher sind. Man sagte mir das Kleiner werden ist durch das Einfrieren passiert. Jetzt habe ich halt immer noch eine kleine Delle aber die stört keinen. Die Haut darüber ist sehr stabil und die Haare verdecken auch einiges. Beim Friseur sage ich bescheid, die bekommen sonst immer einen Schreck (;-)
Alles gute von der harten Nuss

Phil8619

Hey harte Nuss, das hört sich ja alles gar nicht so schlimm an dann , hattest du Schmerzen? 1981 ist natürlich auch echt schon ewig her , seitdem keine Probleme mehr gehabt ? Freut mich das du so offen drüber redest und es dir scheinbar ganz gut damit geht. Alles liebe weiterhin natürlich auch l g

Harte Nuss

Hallo Phil8619, Schmerzen nur die üblichen bis alles komplett verheilt ist. 1990 hatte ich dann noch mal ein Astro I-II Rezidiv, da hat man den Knochen noch mal rausgenommen aber anschließende gleich wieder eingesetzt. Seitdem sitzt er sehr gut an seiner Stelle. Kopfschmerzen habe ich immer bei Wetterwechsel oder zu viel Stress, sonst ist an dieser Baustelle ruhig. Schon bei den 9 Jahren die dazwischen lagen hat man den Fortschritt der Medizin bemerkt, dann muss es doch heute noch besser sein. Meine letzte Hirn Op war 2012 da gab es schon navigations Möglichkeiten, da hätten die Ärzte von damals den Kopf geschüttelt. Dir alles Gute harte Nuss

Phil8619

Hey das hört sich ja einigermaßen ok an , naja bin gespannt dir auch natürlich alles gute weiterhin l g

Antworten nur für eingeloggte Benutzer möglich

Nur angemeldete Nutzer können eine Antwort erstellen. Bitte loggen Sie sich ein oder erstellen Sie einen Account.