Auszug aus "Laborjournal"
Heilbringende Hauben?
Deutsche Neurologen sind skeptisch.
… Laut dem Laborjournal wurde die EF-14-Studie nicht nur vom Hauben-Hersteller gesponsert, der Hersteller Novocure wäre auch bei der Studienplanung, -ausführung, beim Daten sammeln und analysieren direkt beteiligt. Die Firma entschied auch, ob das Manuskript schlussendlich veröffentlicht wird oder nicht.
Hinzu kommt, dass fast alle Studien-Autoren Verbindung zum Hersteller haben, sei es durch Honorare, Reisekostenerstattung, als Mitglieder des „strategic advisory boards“ oder als Chief Science Officer und Anteilseigner der Firma. Selbst der „unabhängige Statistiker“ der Studie ist offensichtlich schon öfter für Novocure tätig gewesen. Die Aufzählung der Conflicts of Interest ist fast länger als der Artikel selbst.
Und, es soll noch einen Haken geben. Die Studie war nicht einmal verblindet. Grund dafür: Der Hersteller Novocure konnte es seinen Patienten angeblich „ethisch nicht zumuten“, ein Schein-Gerät zu tragen. Es wäre für sie unpraktisch gewesen. Diese Scheinmedikation oder das Schein-Gerät sind aber eine gängige Praxis bei den wissenschaftlich "sauberen" Untersuchungen.
Die Frage ist nun, wie viel kann man also auf eine solche Studie überhaupt geben? „Spektakulär“ und „neuer Standard“ sind wohl nicht die Wörter, die einem sofort einfallen. Eher „irgendwie vorhersehbar“: eine Hersteller-verhätschelte Studie produziert durchweg positive Ergebnisse, oh Wunder!
Zu Recht fällt der Kommentar einiger deutscher Neurologen eher verhalten aus. „[Die Konflikte sind] sicher ein Problem, aber auch ein Grund für die Skepsis in der ‚Fachwelt‘. Transparenz ist wichtig und wie transparent diese potentiellen Konflikte bei der nicht verblindeten Studie gehandhabt wurden, vermag ich nicht zu beurteilen“, schreibt uns Wolfgang Wick, Ärztlicher Direktor in der Abteilung Neuroonkologie am Universitätsklinikum Heidelberg.
„200 kHz Wechselstrom kann in vitro (im Reagenzglas) die Spindelbildung für die Zellteilung spezifisch und mit einer Korrelation zwischen Frequenz und Zellgröße unterbinden. Dies soll hypotethisch nun auch in vivo über die Oberflächenelektroden relevant sein, wenngleich es hier nicht klar ist“, fügt er hinzu. So einfach ist es nicht. Veröffentlichungen dazu fehlen. Genauere Untersuchungen, auch an Tiermodellen, sind also extrem wichtig. Jedoch verwehrte Novocure den Experten Prof. Wick eine in-vivo-Studie an Mäusen mit dem „Verweis auf die Komplexität der Anwendung“ am Nager-Modell.
Marketing vor Forschung
Ist Novocure also gar nicht daran interessiert, die exakte Wirkungsweise der Hauben zu ergründen? Dazu passt, dass laut des Geschäftsberichts für 2017, die US-Firma fast doppelt so viel Ausgaben unter dem Posten „Marketing/Sales“ verbucht hat (63,5 Millionen US-Dollar) als für den Kostenpunkt „Klinische Studien, Forschung und Entwicklung“ (38,1 Millionen US-Dollar). Allein im vierten Quartal 2017 erwirtschaftete die Firma einen Nettoumsatz von 53 Millionen US-Dollar. In Deutschland kostet eine Hauben-Behandlung rund 23.000 Euro und wird in den meisten Fällen von den Krankenkassen getragen.
„Der Gemeinsame Bundesausschuss fordert eine unabhängige Studie. Fachgesellschaften halten auch eine kontrollierte/verblindete Studie mit einer Scheintherapie für wichtig, da die Betreuung der Patienten bzw. die Zuwendung für die Patienten mit dem Gerät erheblich von der für die Kontrollpatienten differierte und wir über die Jahre eine Verbesserung der Studiendaten sehen, die offenbar unabhängig von der Therapie und sehr stark abhängig von der besseren allgemeinen Betreuung ist“, sagt Wick.
Unabhängig untersucht?
Und was sagt der Hersteller Novocure zu den Forderungen nach einer unabhängigen Studie? In einer Mail an unser Magazin "Laborjournal" teilt der Senior Manager, Brand Public Relations, mit, wie viele Studien durchgeführt wurden und in wie vielen Investigator-Sponsored Trials (IST), Optune in unterschiedlichen Szenarien getestet werden soll. Klingt erst mal nicht schlecht. Allerdings übernimmt bei diesen ISTs der Principal Investigator nur die „Verantwortung für die Initiierung, das Management und/oder die Finanzierung einer klinischen Prüfung“. Das heißt, er sorgt dafür, dass die Studie stattfinden kann und dies finanziert ist. Woher dann zum Beispiel das Geld für die Studie kommt, steht auf einem anderen Blatt.
Kathleen Gransalke 01.03.2018
https://www.laborjournal.de/editorials/1456.lasso