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Kimy1103

Hallo zusammen,
bei meinem Mann wurde im April diesen Jahres in Folge eines einmaligen Krampfanfalles ein Hirntumor diagnostiziert. Im Mai erfolgte die Operation in der Uniklinik Heidelberg, bei der der Großteil des Tumors entfernt werden konnte, ein Teil jedoch aufgrund der schlechten Lokalisation am Balken mit Mittellinienüberschreitung zurückbleiben musste. Die histologische Untersuchung ergab ein Oligodendrogliom Grad II. Nachdem uns die Onkologin in unserem ersten Gespräch noch die Wahl gelassen hat zwischen einer Folgetherapie und Wait & Watch, hat die große Tumorboardbesprechung nun die Empfehlung zur Folgebehandlung mittels Strahlen- und Chemotherapie aufgrund der schlechten Lage des Resttumors ausgesprochen.
Da mein Mann erst 33 Jahre alt ist und wir uns auch der Verantwortung für unsere 6 Monate alte Tochter bewusst sind, tendieren wir klar zu einer Folgebehandlung. Nun hatten wir am Montag die Verlaufskontrolle mit den Chirurgen, die uns vor der Folgebehandlung - vorallem vor der Bestrahlung - ein bisschen "Angst" gemacht haben. Man sprach davon, dass mein Mann die Bestrahlung auf jeden Fall "verändern" wird.
Vielleicht können mir hier ja einige Betroffene oder Angehörige von ihrer Geschichte erzählen, damit ich mir hier ein besseres Bild davon machen kann. Habt ihr Folgeschäden der Bestrahlung oder auch langfristige Probleme?

Des Weiteren versucht man uns etwas in eine klinische Studie "zu drängen". Dabei geht es um die Improve Codel Studie, in der die Radiotherapie + PCV-Chemo im Vergleich zu einer alleinigen Chemo mit CCNU und Temozolomide untersucht werden soll. Habt ihr auch hier Erfahrungen? Ich kann absolut verstehen, dass man zur Erforschung dieser schwerwiegenden Krankheiten solche Studien braucht, trotzdem fällt mir der Gedanke schwer meinen Mann hier als "Versuchskaninchen" nutzen zu lassen, gerade weil er noch so jung ist.

Ich freue mich auf eure Beiträge!

Liebe Grüße,
Kim

KaSy

Liebe Kimy1103
Zu der Vergleichsstudie mit zwei verschiedenen Chemotherapeutika und mit oder ohne Bestrahlung kann ich nichts sagen.

Dass eine Folgebehandlung gegen das atypische Oligodendrogliom (WHO II) erfolgen sollte, liegt auch an den Erfahrungen der Ärzte und der Betroffenen mit einer deutlich erhöhten Wahrscheinlichkeit von Rezidiven selbst nach Entfernung alles Sichtbaren dieses Tumors.

Die Bestrahlung selbst kann Nebenwirkungen haben. Das ist von der Lage des Tumors abhängig.

Ich selbst wurde 3 mal an verschiedenen Stellen mit 30x2Gy bzw. 30x1,8Gy bestrahlt. Die erste Bestrahlung betraf den Persönlichkeitsbereich, aber deutliche Wesensänderungen hatte ich nicht.

(Diese hatte ich - deutlich weniger als gedacht - nach der 1. OP, die Bestrahlung erfolgte aber erst nach der Rezidiv-OP 4,5 Jahre später.)

Vorhergesagt wurden und eingetreten sind ein verschlechtertes Kurzzeitgedächtnis, eine geringere Konzentrationsfähigkeit und Müdigkeit.
Die Müdigkeit nahm im Verlauf der Bestrahlungszeit zu, war mit einer geringer werdenden körperlichen Belastbarkeit verbunden, wurde aber nach etwa 2 Monaten wieder normal.
Die genannten kognitiven Einschränkungen hatte ich 1 bis 2 Jahre, es wurde nach und nach besser. Ich habe in dieser Zeit viele Merkzettel genutzt, meine Termine mehrfach aufgeschrieben und konnte mit diesen Hilfsmitteln 6 Monate nach Ende der Bestrahlung wieder sehr gut als Lehrerin (Ma-Phy) arbeiten.

Bei der 2. und 3. Bestrahlung waren die direkten Nebenwirkungen weniger stark, aber auch sie verringerten sich im Laufe der Zeit danach.

Ich glaube, von meiner Umgebung wurde nur die Müdigkeit bemerkt, da ruht man sich eben etwas mehr aus. In der ersten Zeit ist man ohnehin noch nicht arbeitsfähig. Es ist auch so einiges mit sportlicher Aktivität kompensierbar, man sollte sich nur nicht überlasten.

Die anderen Einschränkungen konnte ich gut ausgleichen. Hilfreich waren außerdem Merkspiele wie Memory oder auch Kreuzworträtsel. Auch das Internet hat einiges an Übungsmöglichkeiten zu bieten. Falls er in eine Rehaklinik fährt, wird er dort Angebote vor Ort und für zuhause erhalten.

Ich denke, dass nicht nur ich mit der Bestrahlung gut klarkam. Es gibt aber auch Betroffene, die von stärkeren und sogar dauerhaften Bestrahlungsfolgen berichten.

Erwähnen muss ich noch den möglichen zeitweisen Haarausfall nur an den bestrahlten Stellen, der etwa nach 10 Tagen beginnen kann, aber die Haare wachsen später (bei fast allen) wieder.

Durch die Chemotherapie könnten alle Haare zeitweise ausfallen, aber damit habe ich keine Erfahrung.

Ich denke, es ist richtig, die Folgebehandlungen mitzumachen, denn gerade bei Oligodendrogliomen ist die Möglichkeit der Heilung etwas besser.

Alles Gute für Deinen Mann und Eure kleine Familie.

Noch etwas: Für den Fall eines weiteren Kinderwunsches solltet Ihr Euch beraten lassen.

KaSy

Mego13

Liebe Kim,

genau wie bei Deinen Mann ist mein Tumor ein Oligodendrogliom II. Früher hat man eher zu der "Watch & Wait" Herangehensweise tendiert. Mittlerweile geht man auch bei der Ersttherapie zu einer Folgebehandlung über, gerade auch wenn Patienten jung / jünger und belastbarer sind. Denn Studien zeigen gerade bei niedriggradigen Gliomen das längste rezidivfrei Überleben, wenn auch noch Bestrahlung und Chemo eingesetzt werden.

Zu meinem Weg:
Anfang Juni 2019: Wach-Op.

Oktober / November 2019: Bestrahlung mit 27 x 2 Gy; ich habe direkt in der 1. Sitzung eine Strahlenvergiftung bekommen. Das heißt es hat sich sehr schnell ein Ödem gebildet. Das bedeutet,
ich musste Dexamethason (stärkstes Kortikoid) nehmen, dadurch hatte ich starke Schlafstörungen. Daneben war ich durch die Strahlenvergiftung bettlägerig und bin ins Untergewicht gerutscht. Das sind extreme Erfahrungen, die macht längst nicht jeder. Dafür hat die Strahlentherapie aber auch gut gewirkt. Ja, den obligatorischen Haarausfall hatte ich natürlich auch.

Januar bis Mai (Juli) 2020: PC - Chemo. Die ersten drei Zyklen ging es mir gut, von der Übelkeit und einer Gastritis abgesehen. Auch meine Blutwerte waren erstaunlich gut.
Leider hatte ich ein extrem schlechtes ambulantes Onkologenteam, alle anderen Ärzte sind super. Aber die zwei Onklogen haben nur alle drei Wochen Bluttests gemacht, obwohl ihnen meine Neurochirurgin das komplett anders aufgetragen hatte.
Deswegen habe ich im 4. Zyklus eine Hyponatriämie (gefährlicher Natriummangel) bekommen und wäre fast ins Koma gefallen. Das ist aber absolut vermeidbar, wenn man gut betreut wird.
Wenn Du magst, schau einmal bei "Folgen der PC-Chemo".

Zurückbehalten habe ich durch die Chemo eine Hypophyseninsuffizienz, die vielleicht reversibel ist. Das macht sich in starken Problemen mit den Nebennieren bemerkbar. Das sind Hormondrüsen, die Cortisol produzieren und damit für jeden Hauch an Fitness zuständig sind. Daneben habe ich auch leichte Probleme mit der Schilddrüse. Da dies aber aus dem "Hirn kommt", ist sie kniffelig zu behandeln. Ich habe allerdings eine sehr gute Endokrinologin, die mich begleitet.

Meine körperliche Fitness muss ich mir daher mit viel Geduld zurückerobern, was durch die endokrinen Probleme nicht einfach ist.

Nächste Woche darf ich nach 8 Monaten (lange Wartezeit wegen Corona) endlich zur Reha, mal schauen, was die noch bringt.

Zum Thema "Haare". Sowohl bei Temodal als auch bei PC(V) ist es eher unwahrscheinlich, Haare zu lassen.

Falls ihr PC(V) wählt, würde ich mich am Ende der Chemo von einem Endokrinologen untersuchen lassen. Es gibt dazu noch keine leicht zugänglichen Infos, allerdings hat meine Endokrinologin früher als Onkologin gearbeitet und eines ihrer Fachgebiete ist "Neuroendokrinologie" und es ist wohl nicht ungewöhnlich, dass man durch eine hirngängige Chemo - zumindestens zeitweise - endokrine Probleme entwickelt. Es gibt auch im Raum München einen Neuroendokrinologen.

LG
Mego

Tusnelda64

Liebe Kim,

bei mir wurde im September 2019 ebenfalls ein Oligodendrogliom diagnostiziert, allerdings WHO-Grad III.

Bei der OP konnte alles entfernt werden. Die anschließende Bestrahlung habe ich ohne Probleme - vom Haarausfall an der bestrahlten Stelle mal abgesehen - überstanden. Allerdings habe ich mir etwas mehr Ruhe gegönnt als zu anderen Zeiten.

Bei der anschließenden PC-Chemotherapie wurden nach drei von sechs geplanten Zyklen die Blutwerte so schlecht, dass die Therapie abgebrochen werden musste. Die Therapie an sich ließ sich aber gut aushalten.

Seit Oktober 2020 gehe ich auch wieder voll arbeiten. Ein wenig habe ich an Leistungsfähigkeit eingebüßt - das liegt aber vielleicht auch an meinem Alter von derzeit 57 Jahren.

Wenn Ihr ein schlechtes Gefühl bezüglich der vorgeschlagenen Studie habt, solltet Ihr die Teilnahme ablehnen. Nach meiner Kenntnis ist die Chemotherapie mit Procarbacin und CCNU bei einem Oligodendrogliom gut geeignet und Vincristin entbehrlich.

Ich wünsche Eurer kleinen Familie alles Gute.

Liebe Grüße
Tusnelda

ahnungslos

Hallo Kim,
ich habe keine Ahnung von irgend welchen Studien. Ich kann nur sagen, dass ich nach den 5, oder 6 Therapien nichts mehr machen lassen möchte um weitere Leistungseinbußen zu vermeiden. Frau und Kind habe ich nicht. Letzteres würde ich aber nicht haben wollen, da mir meine Einschränkungen bekannt sind und ich dem Kind das eine, oder andere das mit dem Tumor zusammen hängt ersparen wollen würde.

Keine Ahnung ob dir das weiter hilft.

VG
ahnungslos

KaSy

Lieber ahnungslos und liebe Kim,
Dass man sich als Betroffener gegen ein eigenes Kind entscheidet, weil man es nicht aufwachsen sehen könnte oder im Laufe der Zeit zu schwach werden würde, um mit ihm umgehen zu können oder seine/n Partner/in mit den Kindern nicht allein lassen möchte , ist eine sehr verantwortungsvolle Entscheidung.

Vererbbar sind Hirntumoren nicht.

KaSy

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