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Chris0815

neu

Erfahrungsbericht – Behandlung eines Oligodendroglioms WHO Grad 3

Ich würde gerne meinen ehrlichen und detaillierten Erfahrungsbericht mit euch teilen.
Ich hatte mich, auch aufgrund den hier oft recht negativen Erfahrungsberichten auf eine extrem harte Zeit eingestellt. Diese Befürchtung wurde in meinem Fall zum Glück nicht wahr und deshalb möchte ich hier ein etwas positiveres Bild der Therapie zeichnen.
- Bitte nicht falsch verstehen, die Zeit war fordernd und ansträngend, sowohl psychisch als auch körperlich. Dennoch hatte ich abseits der Behandlung noch ein Leben und konnte an vielem teilhaben.

Patientenprofil:
Jahrgang: 1991
Geschlecht: männlich
Lebensstil: sportlich, fit und aktiv
Ausgewogene Ernährung, vorwiegend Vegetarisch
Molekulare Klassifikation: IDH1-mutiert, 1p/19q-codeletiert, MGMT-promotor methyliert, CDKN2A/B intakt.

1 Erstmanifestation, Diagnose und Operation
Im Juni 2024 kam es mehrfach zu kurzen Episoden mit flimmernden „Flecken“ im Gesichtsfeld beider Augen. Zudem hatte ich auch wiederkehrende "Verwirrungszustände" für einige Minuten. Dies geschah kurz vor der Diagnose ca. 1-2 im Monat. Diese Symptome wurden rückblickend neurologisch als fokale epileptische Anfälle eingeordnet.
Im anschließenden MRT zeigte sich eine ca. golfballgroße Raumforderung im linken parietookzipitalen Bereich.

--> Resektion:
Am 25.07.2024 wurde der Tumor mikrochirurgisch entfernt (OP-Dauer ca. 8 Stunden). Der stationäre Aufenthalt betrug rund eine Woche. Postoperativ zeigte sich ein vorübergehender Gesichtsfelddefekt rechts unten, der sich jedoch vollständig zurückbildete. In den ersten Wochen nach der Operation traten noch zwei bis drei milde visuelle Flecken auf, seither besteht Anfallsfreiheit. Nach ärztlicher Empfehlung wurde zunächst eine antiepileptische Medikation vorgeschlagen, die aber bewusst nicht begonnen wurde – rückblickend ohne negatives Ergebnis.

Ich habe wenige Tage nach der OP wieder Angefangen mich sanft zu bewegen und dies auch kontinuierlich gesteigert mit dem Ziel maximal Fit in die Weiteren Therapieabschnitte zu starten.

--> Bestrahlung
Die Bestrahlung fand vom 14. Oktober bis 27. November 2024 statt, mit insgesamt 59,4 Gy in 33 Fraktionen à 1,8 Gy.
Die meiste Zeit über konnte ich während der Bestrahlung sehr aktiv bleiben, was mir sowohl psychisch als auch physisch sehr gut getan hat.
In der Letzten Woche der Strahlentherapie traten leider zunehmende Fatigue und ein leichter hirndruckbedingter Symptomenkomplex auf, weshalb zweimal eine Stoßtherapie mit hochdosiertem Dexamethason durchgeführt wurde. Diese Phase war für etwa ein bis zwei Wochen körperlich sehr belastend. Weitere Nebenwirkung: lokaler Haarausfall im Bestrahlungsfeld, mit beginnendem Nachwachsen ab Frühjahr 2025.

--> Chemotherapie (PC-Schema)
Die PC-Chemotherapie begann im Januar 2025 mit CCNU (Lomustin) an Tag 1 und Procarbazin (100 mg täglich) von Tag 8 bis 21. Insgesamt wurden bislang vier Zyklen durchgeführt.
Auch hiervor habe ich mich vorbereitet und war beim Start in meiner körperlichen Höchstform und fitter wie die letzten 10 Jahre davor.
Der erste Zyklus startete am 08.01.2025 mit 160 mg CCNU. Leider hatet ich das Pech mich bei einem Freund mit einer leichten Grippe anzustecken. Das hat den ersten Zyklus ansträngender gemacht wie er sein musste. Ich hatte leichtes Fieber, konnte aber nach Rücksprache mit der Ärztin den Zyklus wie geplant beenden.

Der zweite Zyklus begann am 04.03.2025 mit 200 mg CCNU und verlief vollständig nebenwirkungsfrei.

Auch der dritte Zyklus (Start 22.04.2025) war unauffällig bis auf die erste woche in der ich mich "matschig" gefühlt habe aufgrund des CCNUs

Der vierte Zyklus konnte am 10.06.2025 begonnen werden. Allerdings habe ich das CCNU stark gespürt und meine Lymphozyten werte sind kurzfristig in den Keller gerauscht. Das hat sich glücklicherweise nach einigen Tagen wieder erholt und der Zyklus wie geplant weitergeführt werden.

Typische Nebenwirkung nach CCNU war jeweils eine ausgeprägtere Müdigkeit in der ersten Woche. Übelkeit oder Erbrechen traten nicht auf. Procarbazin wurde an allen Tagen gut vertragen.
Ich habe die Medikamente immer morgens nüchtern eingenommen und bin als Magenschutz mit Ondansetron gut gefahren.
- Ondansetron, 30 min Warten und dann CCNU oder Procarbazin hinterher.

Ich konnte während der gesamten Therapie körperlich aktiv bleiben. Sportliche Aktivitäten wie Snowboarden, Surfen, Radfahren und Krafttraining wurden bis auf einzelne Pausen kontinuierlich fortgeführt. Vor jedem Zyklus erfolgte eine bewusste körperliche und psychische Vorbereitung. Rückblickend schätze ich diese aktive Haltung als mitverantwortlich für den insgesamt gut verträglichen Verlauf ein.

Dennoch werde ich vermutlich die Chemotherapie nach dem 4. Zyklus vorerst als beendet ansehen.

--> Aktueller Status (Stand 06 / 2025)
Neurologisch bestehen keine Defizite, und es kam zu keinen weiteren epileptischen Ereignissen. Eine antikonvulsive Therapie wurde bislang nicht begonnen.

Das letzte MRT vom 08.04.2025 zeigt stabile therapiebedingte FLAIR-Veränderungen um die Resektionshöhle ohne Kontrastmittelaufnahme. Ein weiteres Kontroll-MRT ist für den 07.2025 geplant.

*Wenn mir jemand zeigt wie ich Dateien oder Bilder hier teilen kann kann ich meine Blutwertverläufe gerne als Grafiken Teilen.

Chinarocker

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Hallo Chris0815,

vielen Dank für Deinen sehr detaillierten Erfahrungsbericht, den ich sehr aufmerksam und interessiert durchgelesen habe.

Bei mir wurde auch Ende März eine Oligodendrogliom Grad 3 diagnostiziert und Anfang April erfolgreich operiert (vollständige Resektion) im Lobus frontalis links. Es war ein Zufallsbefund, da ich eigentlich ein pulssynchrones Rauschen auf dem rechten Ohr untersuchen lassen wollte. Fun fact: der Tumor ist raus, das Rauschen aber immer noch da… that‘s life ;-)

Bei mir hat der histologische Befund relativ lange gedauert und lag erst nach 5 Wochen vor, so dass dann am 21.5. meine Strahlentherapie startete. Nach nun 22 Bestrahlungen (von 30) mit 2 Gray geht es mir immer noch sehr gut. Ein wenig Müdigkeit vielleicht, aber nicht störend. Am 7.7. bin ich dann damit fertig und kann - was mir sehr wichtig ist - mit meiner Familie (ich habe 3 Kinder im Grundschulalter) - in den lange geplanten Portugal Urlaub fliegen, bevor dann auch die Chemotherapie startet.

Bei mir ist eine Temozolomid (Temondal) Behandlung (Tabletten) vorgesehen. Hier eine kurze Frage: wurde bei Dir nur die PC Chemo in Betracht gezogen oder auch Temozolomid? Wenn beides, was war der Grund für PC?

Ich fände es schön, wenn wir uns hin und wieder ein kleines Update geben würden, da ein Oli 3 ja sehr selten ist und hier auch nicht so viele Fälle im Forum repräsentiert sind.

Übrigens, ich bin 47 Jahre alt und relativ sportlich und fit (auch wenn die Werte in den letzten 3 Monaten ordentlich gelitten haben ;-) ). Ich habe mit leichtem Lauftraining und moderaten Fahrradfahren wieder angefangen nach einer Schonfrist von 6 Wochen nach der OP. Nächster Schritt ist die Rückkehr auf den Tennisplatz und Rückkehr an den Arbeitsplatz.

Viele Grüße
Chinarocker

Linda222

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Hallo Chris,

Vielen Dank für dein Bericht,
Mein Partner ist betroffen und der Therapieverlauf ist Identisch bisher. Alter identisch - verrückt !!
ED is 09/24 rechts frontal d.h er steckt gerade auch mitten im 3te PC- Zyklus.

CCNU hat bisher am meisten Probleme gemacht mit sehr ausgeprägtem Müdigkeit.

Procarbazin ist ziemlich unproblematisch
Allgemein ist er oft müde aber es ist nahezu ein normales Leben möglich einzige Ausnahme ist, dass er momentan nicht arbeitet.
Solche Post machen mut
Die Therapie endet normalerweise im November und eine Woche vor Chemo Beginn hat sich unser Kind auf dem Weg zu uns gemacht 😃
Das Leben ist manchmal verrückt - also wird er knapp ein Monat vor geplanten Geburt fertig ✔️
Hoffentlich verläuft alles weiterhin wie bisher und er erholt sich schnell von den Nebenwirkungen!

Dir weiterhin alles Gute und frohes schaffen und möglichst keine Nebenwirkungen
@Chinarocker wieso wollen Sie kein PC Chemo machen? Bisher laut allem was ichgelesen hab und auch laut unsere Ärztenteam funktioniert PC am besten gegen Oli 3 mit günstigen biologischen Marker .. vielleicht kannst du es nochmals begründen lassen ..

Viel Mut euch beiden - Es ist nicht einfach aber ihr schafft das!!

Mego13

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Hallo Chris,

Ich habe mittlerweile beide Chemotherapien hinter mir. Den genauen Verlauf siehst Du in meinem Profil.
Hier nur in Kürze:
ED: Ende Mai 2019 (Oli II, IDH 1 mutiert und methyliert)
Wach-OP: Anfang Juni 2019
Bestrahlung: Oktober/ November 2019 mit 27 × 2 Gy
PC-Chemo: Januar- Juni 2020
Ende November 2023: Leichter Progress des Tumorrestes am Resektionsrand.

Dezember 2023 bis Dezember 2024: 12 Zyklen Chemo mit Volldosis Temozolomid nach Stupp (5 Tage Chemo / 23 Tage "Pause")

PC gilt aufgrund der Studien, die teils über zwei Jahrzehnte alt sind, als Goldstandard beim Oligodendrogliom.
Allerdings ist sie weitaus toxischer für das Knochenmark. Hinzu kommt, dass man die Dosis nicht genau auf die Körperoberfläche anpassen kann. Die Auswahl der Tablettengröße ist gering.
Temozolomid lässt sich sehr genau anpassen und hat auch weniger massive Auswirkungen auf das Knochenmark.
Zudem macht es einen riesigen Unterschied, ob man in einem Zyklus 15 Tage (PC) oder 5 Tage (Temozolomid) Chemo nimmt.
Weißt Du, wieviel Zyklen Du bekommen sollst?

LG
Mego

Chinarocker

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Hallo Mego,

schön, dass Du Dich hier auch mit der großen Erfahrung und Expertise, die ich schon in anderen Posts von Dir gelesen habe, beteiligst. Danke!

Eine Frage zu Deinem letzten Absatz. Was genau meinst Du mit dem riesigen Unterschied zwischen PC und Temozolomid? Die Nebenwirkungen oder die zu erwartenden Resultate?

Schöne Grüße aus Hamburg
Chinarocker

Chinarocker

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Hallo Linda222,

genau diese Frage wollte ich auch den Onkologen stellen, da ich auch von den jüngsten Studienergebnissen gehört habe (die wiederum was die Sample Sizes angeht und mit den ganzen verschiedenen Faktoren wie Co-Morbiditäten und auch OP-Verläufe in Bezug auf Vollständigkeit der Resektion angeht aus meiner Sicht auch keine absoluten Wahrheiten liefen).

Grundsätzlich habe ich nichts dagegen, eine möglichst Beschwerdefreie und auch vom Handling unkomplizierte Chemo zu machen, die bei Temozolomid anscheinend viel verträglicher und einfacher ist.

Ich möchte nach den 3 Monaten Auszeit auch gerne wieder an den Arbeitsplatz und auch auf den Tennisplatz zurückkehren ;-)

Viele Grüße
Chinarocker

Mego13

neu

Lieber Chinarocker,

Danke für die virtuellen Blumen. :-))

Ich meine rein die negativen Wirkungen auf das Knochenmark. Andere Nebenwirkungen sind hochgradig individuell. Da würde ich nicht vorher massiv orakeln, was kommen könnte.
Zur Wirksamkeit in meiner persönlichen Praxis:
Bei mir hat sich der wirklich kleine Tumorrest innerhalb von gut 3 Jahren erfolgreich am Procarbazin vorbei gemogelt. Was nicht heißt, dass PC nicht bei anderen wirksam ist.
Der Vorteil bei Temozolomid ist allerdings auch, dass man die Chemo nach einem Jahr Pause wiederholen kann.
Zudem besteht die Hoffnung, dass auch vorbehandelte Oligodendrogliome auf Dauer mit IDH-Hemmern behandelt werden dürfen.

Ich kann Dir nicht voraussagen, wie Du die Chemo vertragen wirst. Wenn ich jetzt nur von meinen praktischen Erfahrungen ausgehen würde, wäre ich mit 6 Zyklen Temozolomid als Erstchemo "gut" davongekommen. Das ist aber nur meine persönliche Erfahrung nach 18 Monaten Chemo in 4 Jahren.

LG
Mego

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