Liebe Leidensgenossen,
ich habe am 21.06.2017 bei einem MRT (Verdacht auf einen Bandscheibenvorfall) die Diagnose eines Hirntumors im Rückenmark bekommen.
Dies war für mich ein Riesen-Schock. Ich habe nicht sofort die Termine bei den Neurochirurgen und Neurologen bekommen, die ich mir gewünscht habe. Also fing ich an, Online zu recherchieren.
Es gab nicht viel zu diesem Thema. Ich habe lange gesucht und bin dann auf dieses Forum gestoßen.
Auch hier habe ich nicht das bekommen, was ich mir eigentlich vorgestellt habe: einen ausführlichen Erfahrungsbericht vor der OP und nach der OP. Daher habe ich mir geschworen, dass egal wie es ausgeht, ich meine Erfahrungen mit anderen Betroffenen teilen möchte. Ich hoffe, dass ich den Leuten, denen es wie mir ging, damit in irgendeiner Art und Weise helfen kann.
Auch danke ich denen, die mir Ihre Erfahrungen mitgeteilt haben!
Ich fange mal an...
Meine Diagnose beim MRT war die Folgende:
Im Bereich des Halsmarkes in Höhe Unterkante HWK 3 bis Unterkante HWK 5 zeigt sich eine längliche, in T2 Signalreiche, in T1 vom normalen Gewebe kaum abgrenzbare, hyperdense Struktur.
Zwei weitere, kleinere hyperdense Strukturen sind hinter dem HWK 6 zu erkennen.
Insgesamt in T2 zeigt sich eine Signalanhebung auch des umgehenden Myelons. In T2 ist dieser Befund kaum abgrenzbar, bis auf eine geringgradige Signalanhebung im unteren Bereich.
Nach Kontrastmittelgabe zeigt sich in den Randbereichen in den oben beschriebenen Raumforderungen eine mäßige Kontrastmittelaufnahme. Differenzialdiagnostisch entspricht dieser Befund am ehesten einem Ependymom.
Mit dieser Diagnose machte ich mich mit meiner Freundin auf die Suche nach dem besten Operateur.
Ich war in der Uni Klinik Heidelberg, der Uni-Klinik Essen, der MHH Hannover, der Nordstadt Klinik Hannover, der Uni-Klinik Hamburg Eppendorf und der Klinik in Quakenbrück.
Wir waren ganze 3 Monate damit beschäftigt, die beste Klinik zu finden. Diese war dann nach nicht so langer Überlegung die Klinik in Hamburg Eppendorf. Ich entschied mich für diese Klinik, weil der Arzt in der Sprechstunde alles sehr transparent erklärte (er zeigte mir sogar eine PowerPoint-Präsentation der Operation), sehr vertrauenserweckend war und an diesem Klinikum diese Art der OP am häufigsten durchgeführt wurde (deutschlandweit).
Bei allen Arztbesuchen wurde mir alles Mögliche erzählt, meistens auch immer wieder dasselbe. Einige Ärzte haben dann die Differentialdiagnosen wie ein Astrozytom oder ein Kavernom noch mit ins Spiel gebracht, was mich dann wiederrum verwirrt und unsicher gemacht hat.
80% der besuchten Ärzte rieten mir dazu, alle drei Monate einen MRT zu machen und den Tumor zu beobachten. Sie haben noch keinen Grund gesehen zeitnah zu operieren, da ich überhaupt keine neurologischen Ausfälle hatte. Jedoch wurde mir auch immer wieder gesagt, dass es besser ist dann in die OP zu gehen, wenn man noch keine Ausfälle hat. Allerdings kann es in diesem Fall sein, dass Neue nach der OP hinzukommen würden, so die Ärzte.
Somit war ich in der Situation, mich zu entscheiden.
Operiere ich und gehe das Risiko ein (hochriskante OP) oder aber warte ich ab und genieße noch die Monate bzw. Jahre bis zur OP?
Ich entscheid mich mit meiner Partnerin für einen Kompromiss:
Wir machten einen OP Termin in Hamburg zum 21.09.2017 und machten eine Woche davor einen Termin für ein erneutes MRT beim Radiologen. Die Faustregel, die wir uns machten, war die, dass wenn der Tumor gleichgeblieben oder gewachsen ist, wir den OP Termin beibehalten, wenn der Tumor geschrumpft sein sollte, wir den Termin absagen bzw. verschieben.
Die schlechte Nachricht war, dass der Tumor in der Zeit um einen halben Zentimeter gewachsen war. Die „gute“ Nachricht war die, dass ich mich in meiner Entscheidung zu operieren bestärkt fühlte.
Meine Freundin und ich haben von der Diagnose bis hin zur OP viel unternommen, um uns abzulenken und auch die vielleicht letzte schöne Zeit noch zu genießen.
Dann war es soweit: Der Tag kam und ich fuhr mit meinen Eltern, Freundin, Freunden, Schwiegermutter und Bruder nach Hamburg. Meine Freundin mietete direkt in der Nähe der Klinik ein Riesen-Apartment, um alle unterzubringen.
In der Klinik angekommen bekam ich mein Zimmer, abschließende Gespräche mit den Ärzten über den Ablauf der OP wurden geführt. Der Behandlungsvertrag wurde unterschrieben. Dann ging es zu Anästhesie. Es wurde alles besprochen und dann wurde erwähnt, dass ich erst Freitag operiert werde. Ich hielt das für einen Scherz.
Oben in der Station fragte ich sofort nach und bekam die Bestätigung, dass der OP-Termin von Dienstag auf Freitag verschoben wurde. Dies war vielleicht nach der Diagnose der schlimmste Moment für mich. Ich hatte mich so sehr darauf eingestellt, dass ich am nächsten Tag operiert werde. Ich muss aber sagen, dass sich der Schock relativ schnell legte. Der Grund für das Verschieben der OP war ein Ausfall einer Mitarbeiterin, welche für die OP das Monitoring machen soll.
Ich durfte nach Hause. Somit hatte ich bis Donnerstagabend mit Familie und Freunden noch paar schöne Momente in Hamburg.
Donnerstagabend ging es dann wieder in die Klinik. Am Freitag morgen war ich der Erste, der operiert werden sollte. Ich wurde in meinem Bett zur OP gefahren. Dort wurde ich dann schlafen gelegt und wusste nicht, wie ich wieder aufwachen würde...
Am selben Tag wachte ich dann auf der Intensivstation auf. Ich kann mich nicht an vieles erinnern. Ich weiß, dass ich rumscherzte und froh darüber war, alle Extremitäten bewegen zu können. Ich bekam nach und nach Besuch und war noch nicht wirklich wach und Herr meiner Sinne.
Meine OP dauerte 8 Stunden. Dementsprechend habe ich Medikamente bekommen und war dann erst zum späten Abend wieder „klar“ im Kopf. Ich merkte, dass ich alles bewegen konnte und dass ich sehr müde war. Erst am nächsten Tag konnte ich wirklich realisieren, wie die OP ungefähr gelaufen ist. Ich hatte Schmerzen in den Schultern, links mehr als rechts.
Zudem hatte ich im Intimbereich und auch am Gesäß komplette Taubheitsgefühle. Ab Hüfte abwärts habe ich meine Beine zwar bewegen können, jedoch hatte ich das Gefühl, als hätte ich Kissen unter den Füßen und Nadelstiche in der Fußsohle. Das linke Bein war stärker betroffen als das rechte.
Zudem konnte ich den Kopf überhaupt nicht drehen da ich mit 15 Stichen am Nacken operiert worden war und somit alles noch sehr versteift war.
Das waren meine neurologischen Probleme nach der OP. Ich war erstmal sehr froh über diese Situation, da es hätte viel schlimmer kommen können.
Ich ließ mir den Blasenkatheter sofort ziehen. Dies war sehr unangenehm. Dadurch das ich aber Schmerzmittel bekam aufgrund des Nackens, habe ich da nicht starke Schmerzen gehabt, sondern eher ein komisches Gefühl.
Das eigentliche Problem begann dann aber für mich erst. Ich war die ganze Zeit am Tropf. Dadurch musste ich Wasser lassen. Ich versuchte, am Bett in die Bettflasche zu urinieren.
Ich war sehr sehr froh darüber, als erstmal Tropfen kamen. Die Ärzte meinten, dass somit die Blasen-Mastdarm Funktion vorhanden ist. Ich hatte jedoch sehr starke Schmerzen. Es brannte so stark durch das Ziehen des Katheters. Es war auch so, dass ich Druck aufbauen konnte, aber nicht wusste, ob es läuft und wann ich fertig bin. Ich hatte sogar so eine voll Blase, dass man mit Ultraschall gucken musste, ob ich nicht wieder einen Blasenkatheter bekommen soll. Jedoch hat mir der Pfleger geholfen, mich aufrecht an die Bettkante zu setzen, um Wasser zu lassen. Dies war eine prima Idee von ihm. Es lief!
Zum Abschluss auf der Intensivstation kam mein Operateur. Es hatte zwar meine Familie direkt nach der OP angerufen und ihnen mitgeteilt, wie die OP verlaufen sei, jedoch hat er mir dann auch nochmal erklärt, wie alles gelaufen ist. Er meinte, dass es ein sehr großer Tumor war, aber alles gut verlaufen ist. Im ersten Moment dachte er, dass sei ein Kavernom, aber stellte dann schnell fest, dass es doch ein Ependymom ist.
Ich war froh über die Aussage, aber hatte noch nicht den pathologischen Befund, der seine Aussage untermauerte.
Nach einer Nacht auf der Intensivstation wurde ich auf die Normalstation verlegt.
Am Wochenende kam kein Arzt vorbei. Ich lag im Bett und beschäftigte mich.
Am Montag kamen die Ärzte, schauten sich die Narbe an und unterhielten sich mit mir über meine Probleme abwärts der Hüfte. Kurze Zeit darauf kam die Physiotherapeutin und machte mit mir meine ersten Schritte. Ich war zwar leicht wackelig auf den Beinen, aber ich konnte ohne Hilfe gehen.
Ich bekam dann auch Zäpfchen, damit ich auch groß auf die Toilette gehen konnte. Das war zwar nicht so angenehm, aber ich war froh, dass es überhaupt ging.
Ich bin dann ab und zu paar Schritte gelaufen. Habe mich immer mehr gesteigert. Ich hatte aber durch das Laufen dann immer einen sehr starken Druck auf den Schultern und im Kopf.
Einen Tag danach sind wir Stufen gestiegen. Das klappte auch ohne Probleme. Die Therapeutin sagte, dass sie nichts mehr für mich tun könne und ich weiter so machen soll und mich bewegen, aber auch ausruhen soll. Dies tat ich dann auch.
Ich war sehr froh über meinen Zustand. Mich beschäftigte jedoch das Ergebnis. Ich konnte nicht ruhig schlafen, weil ich noch nicht die Gewissheit hatte, was für ein Tumor es denn nun war und ob alles raus war. Die Aussage vom Chirurgen war zwar vorhanden, doch ich brauche es aus dem Labor schwarz auf weiß.
Mittwoch wurde schon darüber gesprochen, dass ich Freitag nach genau einer Woche entlassen werden sollte. Ich wurde gefragt, ob ich eine Reha machen möchte. Dies wollte ich machen und die Schwester stellte einen Antrag dafür.
Am Donnerstag kam dann mein Abschlussgespräch mit meinem Operateur. Es hat sich bestätigt, dass es ein Ependymom II Grades war und dass der Tumor vollständig entfernt werden konnte. Es wurde mir gesagt, dass ich nun komplett geheilt bin.
Es bestünde dennoch eine Möglichkeit von 2-5 %, dass der Tumor wiederkommen kann. Jedoch wird er dann nur Erbsengröße haben und wird viel einfacher zu entfernen sein.
Ich muss trotz alledem regelmäßig MRTs machen.
Am Freitag wurde ich dann entlassen, meine Familie holte mich ab.
Der Montag darauf war dann der zehnte Tag und mir wurden die Fäden gezogen. Mir ging es von Tag zu Tag besser.
Ich war erstmal für ca. zehn Tage zuhause und fuhr dann zur Reha. Dort befinde ich mich derzeit auch.
Die ersten Tage konnte ich zuhause nur liegen und ab und zu spazieren gehen.
Auf die Toilette gehen kann ich nun ohne Probleme, zu 95% wie vor der OP.
Ich kann mich auch frei bewegen. Den Kopf drehen. Ich fahre täglich im Fitnessstudio der Reha Fahrrad, bin auf dem Laufband und mache diverse Krankengymnastik-Übungen.
Ich habe noch leichte Taubheitsgefühle im Intimbereich und am Gesäß, ansonsten leichte Sensibilitätsstörungen in den Füßen und leichte Nadelstiche.
Gestern bin ich wieder Auto gefahren. Ich bin nur unterwegs am Spazieren.
Es ist nun mein neunter Tag auf Reha und ich kann gar nicht beschreiben, wie dankbar ich allen bin.
Am 31.10 geht es nach Hause, dann erhole ich mich noch ein wenig und werde dann denke ich mal Anfang nächsten Jahres arbeiten gehen.
Eine kurze Historie meiner Termine:
22.09.17 OP
29.09.17 Entlassung aus dem KH
02.10.17 Ziehen der Fäden
10.10.17 Reha beginn
Ich hoffe, dass ich euch mit meinem Erfahrungsbericht in irgendeiner Art und Weise helfen kann. Falls jemand von euch weitere Fragen hat, kann er mich sehr gerne jederzeit per PN anschreiben. Ich verspreche euch, dass ich euch alles erzähle und euch versuche zu helfen, wo ich nur kann.
Alles gute