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Thema: Ergeben sich durch eine Biopsie bessere Behandlungsmöglichkeiten?

Ergeben sich durch eine Biopsie bessere Behandlungsmöglichkeiten?
bine007
14.11.2017 11:03:59
Hallo allerseits,
bei mir wurde vor 4 Wochen ein ein wahrscheinlich niedrig malignes Gliom am Hirnstamm mittels MRT diagnostiziert. Der Tumor ist - soweit sind sich alle einig – aufgrund der Lage inoperabel. Ich stehe vor der Entscheidung, eine Biopsie durchführen zu lassen. Die Neurochirurgen oder Neurologen, mit denen ich sprechen konnte, geben mir uneinheitliche Auskünfte – die einen sagen, eine stereotaktische Biopsie sei indiziert, die anderen sagen, es würde, behandelt man nach nach Leitlinie, ohnehin keine groß unterschiedliche Behandlungsmethode dabei rauskommen. Man würde in jedem Fall mit einer Radio-Chemotherapie behandeln. Die, die sagen, dass eine Biopsie indiziert wäre, geben mir keine Antwort auf die Frage, ob es denn für die Behandlung einen Unterschied machen würde. Ich bin ganz verzweifelt, weil ich mit niemandem sprechen kann, der mir erklärt WARUM eine Biopsie indiziert sei. Wie finde ich jemanden, der mir die Frage beantwortet, ob mir eine Biopsie bessere Behandlungs-Chancen eröffnet?
Danke für eure Antworten, bine007
bine007
KaSy
14.11.2017 12:52:04
Liebe bine 007,
ich habe selbst keine persönliche Erfahrung mit Gliomen und Biopsien, aber Du hast hier noch keine Antwort erhalten, deswegen fange ich mal an.

Dein Gliom liegt am Hirnstamm und das ist eine äußerst ungünstige Lage nicht nur für eine Operation sondern auch für eine Biopsie. Diese stellt ja auch einen Eingriff in den Kopf bis nahe an den Hirnstamm dar.

Durch den Hirnstamm verlaufen alle Nerven, durch die Dein Gehirn Deinen Körper steuert, also Herzschlag, Atmung, Bewegungen, und so sehr viel mehr, alles!

Du hast bereits mehrere Ärzte gefragt und in der Diagnose scheinen sie sich einig zu sein, worauf Du vertrauen solltest.

Das Gliom wird wachsen, das lässt sich nicht aufhalten, es wird sich dem Hirnstamm weiter nähern und Schäden verursachen, von denen vielleicht nicht einmal die Ärzte wissen, was genau geschehen wird.

Deshalb muss gehandelt werden. Die Dir vorgeschlagene Therapie-Kombination ist bewährt, sonst wäre sie kein Standard.

Warum eine Biopsie empfohlen wurde, ohne einen Grund dafür zu nennen, könnte ich nur vermuten.

Ich würde Dir raten, die Radio-Chemo-Therapie zu machen.
Ich wünsche Dir sehr, dass sie Erfolg hat.
Ich denke, dass die Biopsie mehr Risiko als Erkenntnis bringt.
KaSy
KaSy
Majak
14.11.2017 13:18:50
Eine Biopsie ist indiziert, weil man sonst keine gesicherte Diagnose hat. Und die Frage nach Behandlungschancen muss unvollständig bleiben, wenn man nicht sicher weiß, mit welchem Tumor man es zu tun hat. Dieses Wissen kann die Entscheidung dahingehend beeinflussen, ob und in welcher Intensität eine Strahlentherapie in Frage kommt und ob man begleitend und/oder anschließend eine Chemotherapie machen sollte.
D.h. die Therapie kann auf Basis der Gewebeanalyse und Bestimmung von molekularen Markern besser angepasst und gesteuert werden.
Für den Fall, dass sich die Möglichkeit der Teilnahme an einer klinischen Studie ergibt, ist meist eine histologisch gesicherte Diagnose ein Einschlusskriterium.

Auf der anderen Seite sollte man sich natürlich über alle Risiken der Biopsie aufklären lassen. Eventuell kann man weitere bildgebende Verfahren hinzuziehen (z.B. FET-PET oder MR-Spektroskopie).
Majak
Prof. Mursch
14.11.2017 13:27:06
Das ganze ist so nicht sicher im Internet zu beantworten.
Es gibt verschieden Arten von Hirnstammtumoren, einige hat man bis vor kurzem tatsächlich bei typischem Aussehen definitiv nicht biopsiert. Andere würde man schon abklären lassen. Sie haben ohne Biopsie keine 100% Gewissheit, dass es sich um ein Gliom handelt.
Manche Marker (IDH1, p1/19q) können Sie nur duch die Biopsie bestimmen, was auch durchaus mal Konsequenzen haben kann.
In den Händen von routinierten Stereotaktikern hat eine Biopsie ein überschaubares Risiko.
.
Sie haben auch keine Prof. Dr. med. Kay Mursch
Neurochirurg
Zentralklinik Bad Berka
Prof. Mursch
bine007
14.11.2017 13:42:42
Liebe KaSy, lieber Majak,

ganz lieben Dank für eure Antworten und guten Wünsche!

Ja, es ist schwierig abzusehen, ob die Biopsie aufgrund der Tumorlage mehr Risiko als Nutzen bringt. Und es ist die Frage, ob man durch die bessere Aussteuerung der Therapie wirklich signifikant längere Überlebensraten hat. Dass man ohne Biopsie keine Chance auf Studienteilnahme hat macht natürlich Sinn

Am Ende ist es wahrscheinlich eine Bauchentscheidung.

Liebe Grüße
bine007
bine007
bine007
14.11.2017 13:49:20
Sehr geehrter Herr Professor Mursch,

danke für Ihre Einschätzung. Sie schreiben „Manche Marker (IDH1, p1/19q) können Sie nur duch die Biopsie bestimmen, was auch durchaus mal Konsequenzen haben kann.“ Könnten Sie mir sagen, was mit Konsequenzen gemeint ist, könnte man beispielsweise bei bestimmten Arten von Gliomen durch eine andere oder besser ausgesteuerte Therapie die Überlebensraten signifikant erhöhen?

Herzliche Grüße
bine007
bine007
TabeaK
14.11.2017 14:01:57
Genau das, diese beiden Marker definieren eine Gruppe an Patienten mit deutlich laengerer Ueberlebenszeit und ggf. in der Zukunft mit besonderen Therapieoptionen abseits vom Standard. Eine Biopsie und Tumormarkerbestimmung wuerde es auch deutlich erleichtern in klinische Studien zu kommen, diese setzen so gut wie immer eine Biopsie vorraus.
TabeaK
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