Hallo tulpe,
mein Bruder bekam vor etwa 3 Jahren die Diagnose Hirntumor, heute ist er 32 und nach 2 facher OP, Bestrahlungen und Chemotherapien (zuletzt sogar noch eine Studie- Chemo in Kombination mit Methadon, ob´s was gebracht hat, wissen wir noch nicht), hat er den Tumor leider (noch) nicht besiegt.
Die Nachricht Glio bekam er nach der ersten OP, wir konnten es nicht fassen und haben, so wie du zuerst mal gar nicht realisieren wollen was da plötzlich los ist. Nach mehr als drei Jahren als tief mitfühlende Angehörige, muss ich sagen, ich hätte nicht gedacht, dass man rückblickend soviel ertragen kann. Es ist unheimlich schwer einen so lieben Menschen, Vater von drei kleinen Kindern und Mann einer tollen Frau zusehen zu müssen wie er leidet. Aber, so schwer auch jeder Tag ist, denn es vergeht nicht ein einziger Tag an dem man sich nicht große Sorgen macht, so einschneidend auch dieses schreckliche Erlebnis ist, so massiv lebensverändernd und auch kräfteraubend es sein kann, so schwer fällt einem doch der Gedanke immer noch, ihn nicht mehr bei uns zu haben.
Ich möchte dir in einer kurzen Zusammenfassung schildern wie es ihm und uns dabei ging/ und noch geht...
Als er krank wurde, habe ich in jeglichem Forum nach Hilfe gesucht, ich habe nach Schulmedizin und Alternativmedizin Ausschau gehalten, jedes erdenkliche Mittel meinem Bruder vorgestellt und gehofft er möge alles mitsich ergehen lassen. Von Diäten bis zum Wunderheiler, von OP´s bis zur Chemo... Ich bin überzeugt, dass er heute noch bei uns ist, weil diese Mittel und Wege, in Kombination mit seinem Lebenswillen halfen, die einen mehr, die einen weniger. Nach der ersten Op (konnte nicht vollständig entfernt werden) wurde er, nach ein paar Monaten wieder ganz der Alte, leider zu sehr, denn die Dinge die ihn krank machten, die veränderte er nicht. Er führte den selben verhassten Job weiter aus, arbeitete zu hart und sprach, nur davon was er alles in seinem Leben gerne machen würde...er träumte sehr viel, doch er machte nichts daraus, er führte sein altes Leben ganz wie vorher. Er tat alles um seinen Kindern ein Dach über den Kopf bieten zu können, dass es an nichts fehle, auch den Job nahm er deshalb in Kauf.
Heute wissen wir, damals war das seine Chance, die hatte er verpasst. Ein Rezidiv folgte, er wurde erneut operiert, es ging ihm wesentlich schlechter. Er konnte zwar Anfangs noch seine Arbeiten am Haus nachgehen, aber kontinuierlich ging es bergab. Epi Anfälle verschlechterten seinen gesamten Gesundheitsstatus, Krankenhausaufenthalte mit unglaublich schweren Nächten an denen wir nicht wussten ob er sie überleben wird, folgten, doch er ist immer noch bei uns.
Er ist noch bei uns, aber - du wirst sehr viel Kraft brauchen, spare sie dir gut ein, gönne dir Auszeiten und fahre auch mal ein paar Tage weg. Ich, als seine Schwester bin völlig am Ende, ich bin nur noch bei ihm und fahre kaum weg, seit Beginn an besuche ich ihn täglich. Doch er ist anders, seit 1,5 Jahren ist er nicht mehr er selbst. Anfangs redete er kaum, doch nun veränderte er seine Persönlichkeit sogar in eine kindliche (aber er ist noch nicht pflegebedürftig! -wir hoffen, dass ihm das erspart bleibt).
Es ist wichtig, dass man sich damit auseinandersetzt. -Nicht aufgeben, immer hoffen, doch auch bewusst machen, es ist eine sehr schwere Krankheit, je mehr man sich alles schön redet, desto mehr zerbricht man daran.
Ich bin froh dass ich immer für ihn da war, doch würde ich heute noch einmal alles miterleben müssen, was mein Bruder durchmachen muss, würde ich das anders machen: Ich würde mehr auf mich achten, denn ich viel durch die langen schrecklichen Tage in eine Depression. Außerdem würde ich mehr auf ihn hören, wenn er keine Behandlungen mehr machen möchte, dann muss man das akzeptieren. Es ist nur wichtig, dass man da ist (wenn es möglich ist) wenn sie einen brauchen, denn glaube mir, du wirst sehen, es werden sich viele Freunde in den schwersten Zeiten lösen. Für sie da zu sein und sie so oft wie möglich positiv davon abzulenken wie krank sie sind, wird ihre wertvollste Therapie sein.
Ich wünsche dir alle Kräfte der Welt und hoffe für deine Mutter, dass sie noch lange und gut leben darf. Sag ihr was du ihr sagen willst und nicht weil sie vielleicht bald stirbt, sondern weil wir alle einmal gehen und wir sollten uns in Zeiten wie diesen klarer machen, dass wir vergänglich sind.
Alles Liebe