Hallo zusammen,
evtl. einmal kurz zu meiner Vorgeschichte. In meinem Kopf wurde das erste mal etwas festgestellt, was da nicht hingehört, als ich nach einem Fahrradunfall als Kind/Jugendlicher 2005 in die Röhre geschoben wurde, um zu schauen, ob alles in Ordnung ist. Dazu ist es wichtig zu wissen, dass mir nie gesagt wurde, dass der Verdacht eines Hirntumors im Raum stand, sondern lediglich meine Eltern darüber informiert wurden (ist in dem Alter auch verständlich). Sprich für mich stand damals lediglich fest: da ist was, was da nicht hingehört, aber das wars dann auch.
Mein Vater war selbst Mediziner und hat dann alle Jahre MRTs zur Kontrolle veranlasst, die ich hingenommen habe und nicht hinterfragt habe und damit war die Sache für mich erledigt. Bis zum Jahr 2015 war alles auch soweit in Ordnung, bis mein Vater leider einen sehr schweren Unfall hatte und lange Zeit auf der Intensivstation lag. Bis zu diesem Zeitpunkt gab es für mich sowas wie einen Hausarzt nicht, weil alle medizinischen Themen zuhause geklärt wurden. Sprich als ich in dieser Zeit krank wurde (Grippaler Infekt) musste ich das erste mal zu einem Hausarzt, wo ich dann in einem längeren Gespräch alles vorangegangene erzählt hatte. Als ich davon erzählte, dass mein Vater in regelmäßigen Abständen MRTs von meinem Kopf veranlasst hatte, überwies mein Hausarzt mich an eine Radiologie, um die Kontrolle weiterlaufen zu lassen und holte sich parallel die Befunde der letzten Jahre ein, in welchen schon immer der Verdacht eines Hirntumors dokumentiert war. Selbige Vermutung wurde dann im Kontroll-MRT festgehalten. Nur diesmal erhielt ich zum ersten mal selber den Befund und öffnete nichtsahnend den Brief und las lediglich "Hirneigener Hirntumor". Zu dem Zeitpunkt war ich 22 Jahre alt, mein Vater war nicht mehr ansprechbar und einzig emotional nahestehende Person in meinem Leben war meine damalige Freundin und heutige Frau. Dementsprechend ging es mir auch. Mein Hausarzt überwies mich in die Uniklink Düsseldorf und nach einigen Untersuchungen wurde ich an die Neurochirurgie überwiesen, um die weiteren möglichen Vorhergehens weisen zu besprechen.
1. Möglichkeit: Weiterhin regelmäßige MRTs, um das Ganze im Auge zu behalten, was auch eine häufige Therapieform ist (was letztlich auch all die Jahre zuvor gemacht wurde).
2. Möglichkeit: OP und Tumor entfernen. Getreu dem Motto: Alles raus was keine Miete zahlt. Da viele Tumoren leider dazu neigen weiter zu wachsen oder sich zu verändern und bösartig zu werden, falls sie es noch nicht sind.
Ich entschied mich für Option 2 und der Tumor konnte bereits im Dezember 2015 komplett entfernt werden und nach der Histologischen Untersuchung wussten wir, dass es sich um ein diffuses Astrozytom Grad 2 handelt. Aufgrund der guten Befunde musste auch keine Strahlen- oder Chemotherapie angeschlossen werden.
Die darauffolgenden Monate waren alles andere als leicht. Sowohl physisch als auch psychisch. Ich hatte zwar nie Einschränkungen oder Symptome gehabt, aber von da an waren viele Sorgen meine ständigen Weg-Begleiter. Letztlich haben mir aber die Zeit und das drüber sprechen enorm geholfen, um wieder das Vertrauen in den eigenen Körper zu lernen. Dies wurde ende 2019 noch einmal aufgrund eines Verdachts auf Rezidiv erneut erschüttert. In einer OP 2020 konnte aber Entwarnung gegeben werden, da es sich lediglich um reaktives Gewebe gehandelt hatte. Bedeutete für mich: Nach wie vor alles super, keine Einschränkungen, alle Verlaufskontrollen gut, weiter gehts!
So kam es auch dazu, dass ich mich Anfang diesen Jahres für einen längeren Ausstieg aus dem Berufsleben entschied, da es sich für mich nicht mehr richtig anfühlte. Kurz darauf wurde meine Frau Schwanger (bewusste Entscheidung!). Ich konnte meine freie Zeit also perfekt nutzen, um eine Etage für unser kommendes Kind komplett zu renovieren und umzubauen. Parallel entschieden wir uns zur Hochzeit bevor der kleine Mann auf die Welt kommt.
Jetzt komme ich zum eigentlichen Thema dieses Beitrages: Ich fühlte mich physisch in diesen Monaten eigentlich so gut wie lange zuvor nicht mehr, da ich wieder leidenschaftlich meinem Sport nachgehen konnte. Einziger Stress war für mich die Umbauphase (ich hasse es auf einer Baustelle zu leben) und die berufliche Ungewissheit, anstehende Hochzeit und große Veränderung mit einem Kind, die unmittelbar bevorsteht. So kam es, dass ich in der Nacht vor dem geplanten Junggesellinnenabschied meiner Frau meinen ersten Grand Mal Anfall erlitt. Näher erläutern wie dieser abläuft muss ich wohl nicht, aber es war wieder eine extrem schwere Situation für uns. Ich wurde unmittelbar medikamentös eingestellt (Levetiracetam 1000 mg: 1 - 0 - 1) und habe die Folgewochen mit viel Schlaf und Trance-ähnlichen Zuständen verbracht. Nach Absprache mit meiner behandelnden Neurologin, haben wir die Dosis zunächst morgens um 500 mg reduziert und nach dem letzten EEG, vor wenigen Wochen, um weitere 500 mg abends und so bin ich nun bei 500 mg 1 - 0 - 1. Der Anfall liegt ungefähr 4 Monate zurück und seitdem gab es auch keine erneuten Anfälle mehr. Dennoch merke ich wie groß die Sorgen doch jeden Tag sind und ich heilfroh bin morgens aufzuwachen und zu wissen "du hattest keinen erneuten Anfall!".
Worauf will ich mit diesem Beitrag eigentlich hinaus? Ich bin heilfroh, über die Möglichkeiten, die wir in der heutigen Zeit in der Medizin haben, aber in solchen Momenten werde ich mir der Grenzen erneut bewusst. Woher der Anfall kam -> Stressbedingt, ausgelöst durch die OP-Narbe, Schlafmangel o.ä. kann keiner sagen und wird auch nachträglich keiner tun können und das schafft unglaublich viel Unsicherheit. Sprich auch hier gilt es mit der Zeit wieder an Sicherheit und Vertrauen zu gewinnen und Schritt für Schritt an "Normalität" zu gewinnen. Mich würde es interessieren, ob es ähnliche Erfahrungen gab, wie ihr es geschafft habt damit umzugehen und am Ende einfach drüber zu reden. Waren es bei euch einmalige Anfälle oder musstet ihr damit leben lernen und wenn ja wie habt ihr es geschafft bzw. wie schafft ihr es?
Vielen lieben Dank vorab und liebe Grüße