Hallo ihr Lieben,
wie furchtbar, hier schreiben zu "müssen" und wie schön, dass es doch die Möglichkeit gibt, um sich gegenseitig Mut zu geben.
Ich bin 31 Jahre alt, lebe mit meiner eigenen kleinen Familie rund 250 km von meinen Eltern und Großeltern entfernt.
Meine Oma (74, mütterlicherseits), hatte vor 3 Jahren einen Schlaganfall. Ob das wirklich ein Schlaganfall war, bezweifel ich langsam. Sie hat ihn dennoch gut überstanden. Lediglich Sprachstörungen blieben zurück. Ich habe ein phantastisches Verhältnis zu meinen Großeltern - ich habe viel Zeit meiner Kindheit bei ihnen verbracht. Ich telefoniere regelmäßig mit meiner Oma...mein Opa war nie so der "gesprächigste", was ich ihm aber nicht übel nehme.
Nun, sie hat sich immer tierisch geärgert, wenn ihr mal die Worte nicht einfielen. Ich habe ihr Mut zugesprochen. Mehr konnte ich nicht tun, außer regelmäßig anrufen und mit ihr zu plauschen. Wie gesagt, das war alles vor 2-3 Jahren, nach dem Schlaganfall.
Meine Mutter war regelmäßig bei meinen Großeltern zu Besuch. Im Oktober diesen Jahres ebenso. Sie rief mich abends an und meinte, Oma sei total komisch gewesen. Sie hätte nur noch "ja" gesagt und war gar nicht richtig anwesend. Ich habe meine Oma angerufen und konnte das gar nicht so bestätigen. Für mich war sie "wie immer". Ende Oktober wollten meine Großeltern verreisen. Ich hatte meiner Oma gesagt, dass ich sie vor der Abreise anrufe, um einen schönen Urlaub zu wünschen.
Dann kam der Tag der Abreise. Ich rief an und mein Opa ging ans Telefon. Er sagte mir, dass sie nicht fahren können, weil Oma sehr "krank" sei. Er bekäme sie kaum ins Bett, sie übergibt sich sehr oft und sei total wesensverändert. Das war alles wie in Trance...
Ich habe ihn gebeten, sofort ins Krankenhaus zu fahren, was er aber ablehnte (Angst vor der Wahrheit?!). Er sagte, dass er das Wochenende abwarten will und Montag mit Oma zum Hausarzt geht. Unter Tränen habe ich meine Mutter angerufen und die widerrum meinen Opa...
Am Abend war er dann mit Oma im Krankenhaus. 6 Stunden saßen sie in der Notaufnahme. Meine Oma hat wohl sämtliche Schränke im Krankenhaus geöffnet, wollte sich sogar an den PC des Arztes setzen, um Solitär zu spielen. Mir kommen schon wieder die Tränen...
Nach der bildgebeneden Diagnostik war klar, dass es ein Hirntumor ist! Sie wurde nur Tage später operiert. Nach der OP wurde sie nicht wach. Zwei Tage hat es gedauert, bis sie wach war. 2 Tumore hätten die Ärzte im Kopf entdeckt. Einer wurde komplett entfernt, der andere nur teilweise.
Die Pathologie sagt, es sei en besonders bösartiger und aggressiver Tumor. Diese Info bekamen wir 2 Wochen nach der OP.
Ein Monat nach der OP, also vor gut einer Woche, begann man mit Bestrahlung. Sie scheint diese gut zu verkraften. Allerdings schläft sie sehr viel und isst wohl auch wahnsinnig viel. Mein Opa ist von früh bis abends bei ihr...an ihrer Seite.
Gestern waren meine Eltern bei uns zu Besuch. Die Kinder (meine) gingen hoch zum spielen und da brach meine Mutter in Tränen aus und sagte, dass Oma sterben würde. Ich hab das gar nicht verstanden und alles war wie im Film.Vor zwei Tagen hätte der Arzt mit Opa, meiner Mutter und meinem Onkel gesprochen. Ihnen wurde geraten, Oma in fünf Hospizen anzumelden. Bis ein Platz frei wird, würde man die Bestrahlung fortführen.
Ich habe das Gefühl, den Halt zu verlieren. Ich versteh das alles nicht. Innerhalb eines Monats hat sich ihr Zustand so dermaßen verschlechtert, dass sie gar nicht mehr sie selbst ist. Ich habe unendliche Angst. Angst um sie, meine geliebte Omi und auch um mein Opa, der seit Tagen kaum noch isst.
Nun werde ich nächsten Samstag zu meiner Oma fahren. Ich habe Angst, dass dies ein Abschied wird. Ich bin nur noch am weinen. Sie ist doch e r s t 74. Sie war ihr lebenlang nie krank. Und nun ist sie sterbenskrank und gar nicht mehr, sie selbst. Dennoch rufe ich sie jeden Tag im Krankenhaus an. Meistens reden wir nur 2 Minuten lang. Sie bekommt nicht alles mit. Es tut so weh. Ich liebe sie so sehr und mag nicht, dass sie geht. Andererseits will ich auch, dass es schnell geht, damit sie kein Leid erfährt. Ich bin gefangen in dieser Traurigkeit und Angst, die mich zerfrisst.
Ich bin so dankbar, dass ich dies alles mal aufschreiben konnte.
Traurige Grüße!