
fhebeler
Hallo zusammen.
Nach einigem Zögern möchte ich hier doch kurz die Geschichte meines Vaters schildern - mich würde interessieren, ob ihr ähnliche Erfahrungen gemacht habt. 8 Ärzte, 5 Diagnosen.
Anfang des Jahres hat mein Vater in Absprache mit seinem Hausarzt im örtlichen Krankenhaus ein MRT machen lassen, um eventuelle Demenz abklären zu lassen. Er ist jetzt 67 und zunehmend müde, vergesslich, aufbrausend, z.T. depressiv...
Der Röntgenarzt im Krankenhaus wollte sich nach der Aufnahme nicht äußern, es schwante uns nichts Gutes und 4 Tage später sagte der zuständige Oberarzt, dass es sich um einen Hirntumor handle, inoperabel und malign und mein Vater noch ca 8 Wochen hätte.
1.) Die Diagnose mündlich war hier Glioblastom, also Grad IV.
Der Arzt war überrascht, dass mein Vater bei dieser Größe so wenig Auswirkungen hätte.
Weitere Aufnahmen und Biopsie wurden angeordnet, der zuständige Neurochirurg relativierte dann nach 3 Tagen die Aussage, dass er eine solche Prognose nicht unterstützen kann - in keine Richtung - aber es sicher mehr Zeit gäbe als 8 Wochen.
Der Neurochirurg sagte dann, dass der Tumor diffus das umliegende Gewebe infiltriert habe und sehr nahe am Thalamus (rechts) liegt und daher nicht entfernt werden kann.
Mit einer endoskopischen Biopsie würde er aber - besser als mit Nadelbiopsie - genug Material zur Diagnose entnehmen können und ausserdem den Hirndruck verringern können durch öffnen einen Ventrikeldurchgangs.
Die Biopsie wurde ohne Kompliukationen durchgeführt, der Hirndruck erniedrigt, mein Vater fühle sich besser und die körperlichen Einschränkungen waren geringer.
2) Die Diagnose nach OP und Aufnahmen: niedriggradiger glioneuraler Tumor (DD pilozytäres Astrozytom/Neurozytom/Ependymom).
Dann gab es fast 10 Tage keine Nachricht bis der histologische Befund aus einer anderen Klinik kam:
3) Verdacht auf Astroytom Grad III. Aufgrund der geringen Probenmenge aber schwierig zu bestimmen. Laut Neurochirurg wurde bei der Biopsie aber mehr als genug Material von 3 verschiedenen Stellen entnommen.
Die Proben wurden für einen Referenzbefund an ein weiteres Krankenhaus gesendet.
weitere 12 Tage später, und etliche Nachfragen beim Radiologen, Neurochirurg, Hausarzt und Krankenhaus bekamen wir dann den Histopathologischen Befund (also nach etwas über 4 Wochen von den verbleibenden 8 Wochen):
4) Aufgrund der geringen Probenmenge etc schwierig zu diagnostizieren:
Am ehesten astrozytär differenziertes Gliom (also Grad 2). Der Neuropathologe verwies darauf, dass er präoperatives Bildmaterial benötigt, um die insg 4 verschiedenen Diagnosemöglichkeiten besser einordnen zu können. Das hat er nie bekommen.
5) Für die weitere Behandlung wurde ein 100km entfernter Onkologe vorgegeben - wohl aus abrechnungstechnischen Gründen, mein Vater war/ist freiwillig gesetzlich versichert, also nicht privat. Der sollte den entgültigen Befund stellen und die weitere Behandlung vorschlagen und zum lokalen Onkologen rücküberweisen. Weitere 8 Tage nach dem hist-path Befund gab es dort dann einen Termin - allerdings war der Onkologe im Urlaub, ein Allgemeinarzt (zuständig für die Überwachung der Chemo und Infusionen dort) sagte, dass er sich damit überhaupt nicht auskennt: hier ist ihre Überweisung. Daher also
6) immerhin keine weitere Diagnose.
Zusätzlich musste mein Vater sich von einer weiteren Ärztin eine Überweisung für die bestimmte Art der Bestrahlung hohlen, weil das sonst nicht von der Kasse übernommen wird. Die hat immerhin auch keine Anstalten gemacht, sich irgendwie zu äußern. Diagnose 7 also erspart geblieben.
Der lokale Onkologe hat dann an den Facharzt für Strahlentheraphie übergeben, und der hat angegeben, dass die Therapie
A) Strahlentheraphie kombiniert mit Chemo sein würde. (Bezug nehmend auf ein Astrozytom Grad III)
Ca 6 Tage vor Beginn der Bestrahlung hiess es dann durch den Onkologen:
B) Nur Bestrahlung ohne Chemo (Bezug nehmend auf ein low grade astrocytäres Gliom). Das Temodal hatte meine Mutter da schon.
Einen Tag vor der ersten Bestrahlung dann die neue Entscheidung durch den Strahlenarzt:
C) Radiatio plus Chemo.
Den ersten Durchgang hat mein Vater nächste Woche jetzt hinter sich.
Das weitere Vorgehen habe ich mit dem Onkologen und meinem Vater letzte Woche besprochen: weiter geht nach dem Kontroll MRT in 6 Wochen mit hochdosierter Chemo über 6 Monate. Beginn: Ende Mai.
Der hat auch gesagt, dass wir den Tumor ja auch schon gut verkleinert hätten. Den Hinweis, dass bei der OP nur eine Biopsie durchgeführt wurde, hat er mit "Ach ja, stimmt" kommentiert.
Der Arztbrief aus dem Gespräch nennt andere Daten als mündlich besprochen und gibt also Diagnose im gleichen Brief sowohl Astrozytom II und III Grades an.
Mein Vater hat also in chronologischer Reihenfolge Kontakt mit folgenden Ärzten gehabt, von denen ziemlich eindeutig keiner die Verantwortung als behandelnder Arzt übernimmt.
1) Hausarzt
2) Radiologe
3) Oberarzt Radiologie
4) Chefarzt Neurochirurgie / Neurochirurg
5) Onkologe vor Ort (A)
6) Onkologe 100 km entfernt (B)
7) Onkologin 20km entfernt (C)
8) Facharzt Strahlentheraphie
Am ehesten als zuständig zu bezeichnen ist hier wohl noch der lokale Onkologe, mit dem wir ein gutes Gespräch hatten, der uns aber auch wieder verwirrt hat mit den Terminen und den unterschiedlichen Diagnosen.
Ich habe Biologie studiert, bin promoviert und kann mich einigermassen durch Diagnosen und Artzbriefe arbeiten. Ich weiss auch aus eigener Erfahrung, dass (histologische) Befunde von Tumoren immer etwas mit Zufall (Schnittachse, Gewebeort und Art, ...), Erfahrung und persönlicher Arbeitsweise zu tun hat.
Aber ich habe das Gefühl, dass die Ärzte hier keine Ahnung haben UND keine Lust und nebenbei noch das ein oder andere schief geht.
Es ist merkwürdig, dass der Tumor so nahe am Thalamus und größer als ein Tischtennisball so wenig Einfluss hat, die erlebten Auswirkungen aber gleichzeitig schon seit knapp 2 Jahren bestehen.
Der Neurochirurg war noch am ehesten interessiert, weil der Eingriff ein kleines Kunststück war, dass ihr herausgefordert hat.
Ich sehe das natürlich emotional etwas eingefärbt, versuche aber objektiv zu bleiben und gleichzeitig meine Eltern (650km entfernt) zu unterstützen und nicht zu verunsichern:
Mein Vater wollte ursprüngliche für die Theraphie nach Heidelberg, hat es dann aber vorgezogen an keiner Studie teilzunehmen sondern und statt 300 km Entfernung die Behandlung lieber zuhause durchzuführen. Das verstehe ich, aber das Ergebnis ist doch reichlich unbefriedigend wie ich finde. Auch wenn am Ende vermutlich so oder so immer Strahlung plus Chemo steht.
Gegen die Nebenwirkungen der Chemo (und auch gegen sein Klaukom) nimmt mein Vater Cannabis (in Keksform).
Wir denken jetzt darüber nach, für die nächste Runde Chemo Metadon zu integrieren (und natürlich das Cannabis abzusetzen).
Ich bin mir fast sicher, dass keiner der 8 Ärzte "Ja klar, ich mach das" schreien wird. Aber mal sehen.
Ich freue mich über euer Feedback, Ratschläge und Hinweise. Danke und Gruß
Felix