Biggyfant

Hallo zusammen, mein Mann, ED 12/22, Rezidiv11/23 befindet sich momentan in der 4wöchigen Therapiepause nach 15 Tagen Bestrahlung (mehr ging nicht, da letztes Jahr erst 30 Tage) incl. Temozolomid und der 6 monatigen Erhaltungschemo.
Die Ärzte haben gemeint, wir könnten in Urlaub, auch Fliegen sei möglich.
Da nicht alle neu gebildeten Tumore entfernt werden konnten, können die anderen ungehindert wachsen und keiner weiß wann.
Ist schon jemand so kurz nach OP geflogen? Müssen wir was beachten?

Seit Weihnachten nimmt er 4 mg Cortison/Tag. Ein Ausschleichversuch Mitte Januar war erfolglos, jetzt hat er den 2. Versuch hinter sich. Ich habe heute, am ersten Tag ohne Cortison das Gefühl, seine Gangunsicherheit und Verwirrtheit nimmt wieder zu. Muss der Körper sich erst daran gewöhnen? Gibt sich das wieder oder ist das schon ein Zeichen, dass sich wieder ein Ödem gebildet hat. Lt. Ärzte soll ich ein bisschen experimentieren, ob und wieviel Cortison er braucht. Damit kann ich nicht wirklich was anfangen.
Wäre es nicht sowieso besser angesichts einer evtl. Flugreise Cortison weiter zu geben (Druck im Flugzeug) bzw. angesichts dieser schrecklichen Diagnose lieber Cortison nehmen und eine relativ gute Lebensqualität haben anstatt sich allzu viel Gedanken über Nebenwirkungen zu machen?

Danke für eure Antworten,
Birgit

Mego13

Liebe Birgit,

bei mir schrillen alle Alarmglocken. Nicht wegen des Fliegens, dazu kann ich nichts sagen. Aber wegen der Art und Weise wie man euch empfohlen hat das Dexamethason ausszuschleichen. Das ist nicht nur falsch, sondern sogar hochgradig gefährlich. Das kann von Hyponatriämien (gefährliche Verschiebung der Elektrolyte), über ein Koma bis hin zum Tod durch Morbus Addisonkrise führen.
Ich musste es über die Jahre hier leider bei mir selbst und vielen anderen feststellen: Ich bin dankbar für das, was Neurochirurginnen, Onkologen und Strahlentherapeuten für uns leisten, aber sie sind keine Expertinnen für das Ausschleichen von Kortison.
Wenn die Dexamethasonsubstition länger als 10 bis 14 Tage gedauert hat, muss mit viel Vorsicht und Fingerspitzengefühl ausgeschlichen werden. Am besten geht man zum Endokrinologen (Hormonspezialist/in)

Das Dexamethason ist das stärkste Cortisonpräparat, welches man geben kann. Nun kommen ein paar wichtige Erklärungen:
Dexamethason ist ein Glukortikoid. Unser körpereigenes Glukortikoid heißt CORTISOL. Es wird Stresshormon genannt, was aber ein verwirrender und teils negativ besetzter Begriff ist.
Denn ohne Cortisol können wir keinen einzigen Tag überleben!
Es steuert u.a. Immunsystem, Elektrolyte und Blutzucker, aber auch die Bereitstellung von Energie bei Denkprozessen.
Cortisol gehört zur sogenannten HPA-Achse: Hypothalamus - Hypophyse - Nebennierenachse. Das als Erwähnung, wenn Du mehr nachlesen möchtest. Bei einer Dexamethasonsubstition kommt es zu Problemen auf diese Achse. Meistens wird die Produktion des Cortisol in den Nebennieren eingestellt, da sie durch das Dexa mehr als genug Kortison bekommem:
Der Tagesbedarf eines gesunden Menschen liegt bei 17,5 bis 20 mg Cortisol. Bei Stress, Anstrengung und Fieber liegt er weitaus höher!
Nun kommt die Problematik beim Entzug:
Cortisol entspricht etwas dem synthetischen Hydrocortison. Also 1 mg Hydrocortison sind gleich ungefähr 1 mg Cortisol. ABER! 1 mg Dexamethason sind schon 30 mg Hydrocortison! Das heißt Dein Mann bekommt zur Zeit umgerechnet 120 mg (!) Hydrocortison.
Nun kommt ein zweites Aber in diesem Bild:
Hydrocortison hat eine Halbwertszeit von etwas 6 bis 8 Stunden.
Dexamethason hat allerdings eine Halbwertszeit von 36 bis 72 Stunden. Das heißt bei der dauerhaften Einnahme dosiert sich der Wirkstoff auf.

Bei einer längerer Einnahme von Dexa - länger bedeutet mehr als 10 bis 14 Tage - kommt es zu einer Nebenniereninsuffizienz. Die Nebennieren fallen aus und erzeugen selbst kein oder viel zu wenig Cortisol. Ob sie ihre Funktion jemals wieder aufnehmen, kann euch niemand sagen.

Ein vernünftiger Entzug erfolgt schrittweise und dauert Monate, bei einigen Menschen sogar Jahre. Bei Stress und Krankheit muss zwischenzeitlich wieder eine höhere Dosis gegeben werden.

Medizinstudierende lernen dieses Ausschleichschema:

Ausgeschlichen wird alle 7 - 14 Tage.

1) Dosis größer als 4 mg Dexamethason, Ausschleichen von 1 - 2 mg
2) Dosis liegt bei 2 - 4 mg Dexamethason, Ausschleichen von 0,5 mg
3) 1 - 2 mg Dexamethason, Ausschleichen von 0,2 mg
4) Dosis unter 1 mg Dexamethason, Ausschleichen von 0,1 mg.

Erhältliche Tablettengröße vo Dexamethason sind:

4 mg
1,5 mg
0,5 mg

Aufgrund der Tablettengröße von Dexamethason entspricht Schritt 3 eher 0,25 mg und Schritt 4 etwa 0,125 mg Dexamethason.

Da ich selber aber durch meine erste Chemo (PC) und wahrscheinlich auch die Bestrahlung eine Nebennieren- bzw Hypophyseninsuffizienz habe, bin ich durch meine praktischen Erfahrungen, den behandelnden Endokrinologen und meine Recherchen differenzierter aufgestellt.
Gerade befinde ich mich in meiner zweiten Chemo: 12 Zyklen Temodal nach Stupp und werde dieses Mal intensiv durch den Endokrinologen begleitet. Ich muss aber schon lange kein Dexamethason, sondern nur noch Hydrocortison substituieren.

Während der Chemo - weil sie Stress pur ist - wird Hydrocortison niemals ganz entzogen!
Zwei Tage vor der Chemo, während der Chemotage (bei mir 5 Tage) und zwei Tage nach der Chemo wird niemals entzogen.
Man hat immer Kortison - Notfallzäpfchen im Haus, falls es zu Durchfall oder Erbrechen kommt. Daneben gibt es auch Präparate, mit denen man eine Infusionslösung anrühren kann. Auch diese habe ich im Haus, damit man diese sofort für den Notddienst griffbereit hat.
Daneben sollte immer ein Notfallausweis bei sich getragen werden, wo vermerkt ist, dass Dein Mann Korrtikoidpräparate erhält oder irgendwann einmal erhalten hat. Bei schweren Belastungen können die Nebennieren auch noch Jahre nach dem Absetzen zu schwach sein.

Ihr sollt ja selbst "testen", wieviel Dexa Dein Mann benötigt.
Ein erster Entzugsschritt könnte von 4 auf 3,5 mg sein . Die neue Basisdosis sollte während der Chemo mindestens zwei Wochen gehalten werden. Dann kann der nächste Schritt kommen. Je kleiner die Basisdosis ist, desto geringer muss der Entzugsschritt sein.
Solltet ihr einmal die 1 mg Dexamethason- Basisdosis erreicht und diese ohne größere Probleme 4 bis 6 Wochen gehalten haben, kann auf 35 bis 50 mg Hydrocortison umgestellt werden.
Das Hydrocortison (HC) folgt einer ganz anderen Logik als Dexamethason. Wenn ihr dieses entzieht, braucht ihr dringend endokrinologische Beratung! Der Vorteil beim HC ist, dass es viel weniger Nebenwirkungen hat.

Tablettengrößen von HC sind:

10 mg über das gebräuchlichsten Präparat. Problemlos teilbar, einigermaßen Vierteljahr.

10 mg, 5 mg, 2 mg und 1 mg über die Firma Acecort. Normal verschreiben. Aber eher erst, wenn eine stabile Basisdosis gefunden wurde.

20 mg und 5 mg über Plenadren-Retardtabletten mit versetzter Wirkstofffreigabe, wenn jahrelang substituiert werden muss. Man sich nicht in der akuten Behandlung befindet sowie Endokrinologen und KK zustimmen.

Wenn man reist, muss man immer etwas mehr Hydrocortison nehmen. Das heißt die Basisdosis wird etwas aufgestockt. Bezogen auf das Dexa heißt das zumindest. Reisezeiten sind kein neuen Entzugsphasen!


LG
Mego

Mona1.0

Mein Sohn wurde Anfang Juni 2023 operiert, Juli und August 6 Wochen Strahlentherapie, Ende September haben wir problemlos einen Langstreckenflug (je 7,5 Std reine Flugzeit) unternommen. Er brauchte zu dem Zeitpunkt auch tgl. 2mg Dexa. Für den Flug hab ich das Dexa etwas erhöht.

Persönlich würde ich keine Ausschleichversuche vom Dexa vor der Flugreise machen.

Biggyfant

Vielen Dank für eure Antworten.
Leider war mein Gefühl richtig, mein Mann hat sich Mittwoch und Donnerstag mehrfach erbrochen, das Bett nicht mehr verlassen können, da keine Kraft in den Beinen. Auf Nachfrage bei der behandelnden Onkologin soll er 3 Tage mit 2 mg Dexa versuchen und wenn es nicht besser wird wieder 4 mg nehmen. Er ist jetzt seit gestern wieder unten im Wohnzimmer (2 Treppen), sein Gang ist sehr gestört, die linke Seite kann er nur schwach bewegen....also kein Denken mehr an eine Flugreise.
Ende Februar geht die 6 monatige Erhaltungschemo los. Ich hoffe, schnell einen Termin bei einem Endokrinologen zu bekommen, die Aussagen der Onkologin bleiben ja irgendwie immer gleich....
LG, Birgit

Mego13

Liebe Birgit,

Das tut mir sehr leid. Erbrechen ist brandgefährlich, wenn man lange Zeit Kortisonpräparate genommen hat. Denn das kann darauf hindeuten, dass wirklich eine Nebennniereninsuffizienz vorliegen könnte.
Lasst vielleicht jetzt schon einmal die Elektrolyte - Natrium- und Kalium - checken. Denn gerade die Natriumwerte können durch den Cortisolentzug gefährlich ins schwanken geraten. Das kann man durch die Salzaufnahme kaum steuern. Denn die Schwankungen passieren in der Zelle. Aldosteron, welches auch in den Nebennieren produziert wird, steuert das Verhältnis von Natrium- und Kalium. Ein Natriummangel (Hyponatriämie) kann Ödeme anschieben und ist insgesamt eine gefährliche Situation. Ein Natriummangel lässt sich auch nicht so leicht über Infusionen beheben. Das muss über eine computergestützte Infusion passieren.
Meine erste schwere Hyponatriämie hatte ich während Chemo Nr. 1. Ohne meinen Mann wäre ich ins Koma gekippt. Aber mein damaliger Onkologe hatte auch gar keine Ahnung von Nebennieren. Nach der ersten Hyponatriämie konnte ich für drei Tage gar nicht mehr laufen. Ich brauchte sehr lange, um mich davon zu erholen.
Was Dein Mann jetzt zur unterstützenden Erholung gut gebrauchen kann, sind Magnesium und schön salzige Brühen. Im Gegensatz zu "Normalmenschen" brauchen Menschen mit Nebennierenschwäche viel mehr Salz in der Nahrung. In der ersten Zeit musste ich noch täglich 4 Schwedensalztabletten nehmen, dann irgendwann nur noch 2, momentan gar keine mehr.

Aber obwohl ich mich mit den Nebennieren mittlerweile gut auskenne, möchte mich der Endokrinologe während der Chemo monatlich sehen.

Sollte Dein Mann wieder erbrechen, ist es wichtig, dass er Dexa nachschluckt. Man kann es auch zerbröseln und in etwas Wasser auflösen.

Bei dieser Chemo hat der Neuroonkologe aus dem behandelnden Krankenhaus die Oberaufsicht. Er hat mich trotzdem zum Gespräch zur Endokrinologin des Krankenhauses geschickt.

Hier noch ein Link:
https://www.ndr.de/ratgeber/gesundheit/Morbus-Addison-Gefaehrliche-Nebennierenschwaeche,nebenniereninsuffizienz100.html

Die Braunfärbung der Haut muss nicht sein und kommt erst nach einiger Zeit.

LG
Mego

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