Liebe Birgit,
bei mir schrillen alle Alarmglocken. Nicht wegen des Fliegens, dazu kann ich nichts sagen. Aber wegen der Art und Weise wie man euch empfohlen hat das Dexamethason ausszuschleichen. Das ist nicht nur falsch, sondern sogar hochgradig gefährlich. Das kann von Hyponatriämien (gefährliche Verschiebung der Elektrolyte), über ein Koma bis hin zum Tod durch Morbus Addisonkrise führen.
Ich musste es über die Jahre hier leider bei mir selbst und vielen anderen feststellen: Ich bin dankbar für das, was Neurochirurginnen, Onkologen und Strahlentherapeuten für uns leisten, aber sie sind keine Expertinnen für das Ausschleichen von Kortison.
Wenn die Dexamethasonsubstition länger als 10 bis 14 Tage gedauert hat, muss mit viel Vorsicht und Fingerspitzengefühl ausgeschlichen werden. Am besten geht man zum Endokrinologen (Hormonspezialist/in)
Das Dexamethason ist das stärkste Cortisonpräparat, welches man geben kann. Nun kommen ein paar wichtige Erklärungen:
Dexamethason ist ein Glukortikoid. Unser körpereigenes Glukortikoid heißt CORTISOL. Es wird Stresshormon genannt, was aber ein verwirrender und teils negativ besetzter Begriff ist.
Denn ohne Cortisol können wir keinen einzigen Tag überleben!
Es steuert u.a. Immunsystem, Elektrolyte und Blutzucker, aber auch die Bereitstellung von Energie bei Denkprozessen.
Cortisol gehört zur sogenannten HPA-Achse: Hypothalamus - Hypophyse - Nebennierenachse. Das als Erwähnung, wenn Du mehr nachlesen möchtest. Bei einer Dexamethasonsubstition kommt es zu Problemen auf diese Achse. Meistens wird die Produktion des Cortisol in den Nebennieren eingestellt, da sie durch das Dexa mehr als genug Kortison bekommem:
Der Tagesbedarf eines gesunden Menschen liegt bei 17,5 bis 20 mg Cortisol. Bei Stress, Anstrengung und Fieber liegt er weitaus höher!
Nun kommt die Problematik beim Entzug:
Cortisol entspricht etwas dem synthetischen Hydrocortison. Also 1 mg Hydrocortison sind gleich ungefähr 1 mg Cortisol. ABER! 1 mg Dexamethason sind schon 30 mg Hydrocortison! Das heißt Dein Mann bekommt zur Zeit umgerechnet 120 mg (!) Hydrocortison.
Nun kommt ein zweites Aber in diesem Bild:
Hydrocortison hat eine Halbwertszeit von etwas 6 bis 8 Stunden.
Dexamethason hat allerdings eine Halbwertszeit von 36 bis 72 Stunden. Das heißt bei der dauerhaften Einnahme dosiert sich der Wirkstoff auf.
Bei einer längerer Einnahme von Dexa - länger bedeutet mehr als 10 bis 14 Tage - kommt es zu einer Nebenniereninsuffizienz. Die Nebennieren fallen aus und erzeugen selbst kein oder viel zu wenig Cortisol. Ob sie ihre Funktion jemals wieder aufnehmen, kann euch niemand sagen.
Ein vernünftiger Entzug erfolgt schrittweise und dauert Monate, bei einigen Menschen sogar Jahre. Bei Stress und Krankheit muss zwischenzeitlich wieder eine höhere Dosis gegeben werden.
Medizinstudierende lernen dieses Ausschleichschema:
Ausgeschlichen wird alle 7 - 14 Tage.
1) Dosis größer als 4 mg Dexamethason, Ausschleichen von 1 - 2 mg
2) Dosis liegt bei 2 - 4 mg Dexamethason, Ausschleichen von 0,5 mg
3) 1 - 2 mg Dexamethason, Ausschleichen von 0,2 mg
4) Dosis unter 1 mg Dexamethason, Ausschleichen von 0,1 mg.
Erhältliche Tablettengröße vo Dexamethason sind:
4 mg
1,5 mg
0,5 mg
Aufgrund der Tablettengröße von Dexamethason entspricht Schritt 3 eher 0,25 mg und Schritt 4 etwa 0,125 mg Dexamethason.
Da ich selber aber durch meine erste Chemo (PC) und wahrscheinlich auch die Bestrahlung eine Nebennieren- bzw Hypophyseninsuffizienz habe, bin ich durch meine praktischen Erfahrungen, den behandelnden Endokrinologen und meine Recherchen differenzierter aufgestellt.
Gerade befinde ich mich in meiner zweiten Chemo: 12 Zyklen Temodal nach Stupp und werde dieses Mal intensiv durch den Endokrinologen begleitet. Ich muss aber schon lange kein Dexamethason, sondern nur noch Hydrocortison substituieren.
Während der Chemo - weil sie Stress pur ist - wird Hydrocortison niemals ganz entzogen!
Zwei Tage vor der Chemo, während der Chemotage (bei mir 5 Tage) und zwei Tage nach der Chemo wird niemals entzogen.
Man hat immer Kortison - Notfallzäpfchen im Haus, falls es zu Durchfall oder Erbrechen kommt. Daneben gibt es auch Präparate, mit denen man eine Infusionslösung anrühren kann. Auch diese habe ich im Haus, damit man diese sofort für den Notddienst griffbereit hat.
Daneben sollte immer ein Notfallausweis bei sich getragen werden, wo vermerkt ist, dass Dein Mann Korrtikoidpräparate erhält oder irgendwann einmal erhalten hat. Bei schweren Belastungen können die Nebennieren auch noch Jahre nach dem Absetzen zu schwach sein.
Ihr sollt ja selbst "testen", wieviel Dexa Dein Mann benötigt.
Ein erster Entzugsschritt könnte von 4 auf 3,5 mg sein . Die neue Basisdosis sollte während der Chemo mindestens zwei Wochen gehalten werden. Dann kann der nächste Schritt kommen. Je kleiner die Basisdosis ist, desto geringer muss der Entzugsschritt sein.
Solltet ihr einmal die 1 mg Dexamethason- Basisdosis erreicht und diese ohne größere Probleme 4 bis 6 Wochen gehalten haben, kann auf 35 bis 50 mg Hydrocortison umgestellt werden.
Das Hydrocortison (HC) folgt einer ganz anderen Logik als Dexamethason. Wenn ihr dieses entzieht, braucht ihr dringend endokrinologische Beratung! Der Vorteil beim HC ist, dass es viel weniger Nebenwirkungen hat.
Tablettengrößen von HC sind:
10 mg über das gebräuchlichsten Präparat. Problemlos teilbar, einigermaßen Vierteljahr.
10 mg, 5 mg, 2 mg und 1 mg über die Firma Acecort. Normal verschreiben. Aber eher erst, wenn eine stabile Basisdosis gefunden wurde.
20 mg und 5 mg über Plenadren-Retardtabletten mit versetzter Wirkstofffreigabe, wenn jahrelang substituiert werden muss. Man sich nicht in der akuten Behandlung befindet sowie Endokrinologen und KK zustimmen.
Wenn man reist, muss man immer etwas mehr Hydrocortison nehmen. Das heißt die Basisdosis wird etwas aufgestockt. Bezogen auf das Dexa heißt das zumindest. Reisezeiten sind kein neuen Entzugsphasen!
LG
Mego