Ihr Lieben,
vor einer Woche wäre ich fast ins Koma gefallen, während der Procarbazin Phase meiner PC-Chemo. Nun möchte ich euch an diesen Erlebnissen teilhaben lassen, damit ihr vielleicht wertvolle Informationen sammelt, welche Dinge ggf. beachtenswert während einer PC-Chemo sind.
Dieser Beitrag ist nicht dazu da, die PC-Chemo oder insgesamt Chemos zu verteufeln!
Ich bin Amateur und berichte nur von MEINEN Erfahrungen.
Das Positive der PC-Chemo zuerst.
Meine erste Neurochirurgin spricht sich bei einem Oligodendrogliom II grundsätzlich für eine Weiterbehandlung mit Chemo und Bestrahlung aus. Meine Neurochirurgin II kommt eher aus der "alten Schule" und war eher auf "Wait & See" eingestellt. Im September 2019 zeigten sich allerdings winzige Tumorreste, bei denen man früher auch noch "Wait & See" verfolgt hätte. Das Tumorboard setzte nun für mich Bestrahlung (27 × 2 Gy) an.
Ende der Bestrahlung: 11.11.2019
Erstes Kontroll-MRT: 03.12.2019
Ergebnis: keine Pseudo-Progression, keine signifikanten Tumorreste, Resektionshöhle und Resektionsrand nahmen beide noch Kontrastmittel auf. Interpretation der Neurochirurgin: Überdurchschnittlich gutes Ergebnis.
Start in die Chemo am 6. Januar 2020 unter folgenden Bedingungen:
Letztes großes Blutbild Mitte Dezember 2019: Alles top, nicht einmal B12-Mangel, der nach der Bestrahlung vorliegen kann.
Medikation:
1 x täglich 40 mg Pantoprazol
Morgens: 1250 mg Levetiracetam, 400 mg Zebinix, 17,5 mg Hydrocortison (Auftrag während der Chemo weiter auszuschleichen),
Abends: 1250 mg Levetiracetam, 800 mg Zebinix
Ernährung: Normal mit Versuch möglichst 1,2 bis 1,5 Gramm Protein pro Kilogramm Körpergewicht zu essen, 3 - 4 x wöchentlich Fisch, 1 Ei täglich ordentlich gesalzen
Stand der Epilepsie: letzter Grand-Mal: Ende Juli 2019, zwischen Ende Juli 2019 - Ende September fast tägliche Auren besonders bei dem Versuch Oxcarbarzepin einzuschleichen. Ende September 2019 Umstellung auf Zebinix bei sehr guter allgemeiner Verträglichkeit, letzte eindeutige Aura: 30. Dezember 2019.
Bewegung: Tägliche Spaziergänge
Blutdruck: Systolisch zwischen 105 bis 120, diastolisch: 65 - 85, also: perfekt
Verlauf der Chemo / Mittel gegen Übelkeit / Bluttests
Neurochirurgin empfahl folgendes Schema:
4 Tabletten CCNU (Tag 1), begleitet durch 3 x 2 mg Granisetron
21 Tabletten Procarbazin( Tag 8 bis 21) strenge Einhaltung tyraminarmer Diät, weil ansonsten Blutdruckkrisen möglich sind.
Wenn notwendig Unterstützung mit ausreichenden Mitteln gegen Übelkeit.
Wöchentliche Bluttests beim Onkologen
Erwähnung: Wenn Chemodosierung nicht vertragen wird, Dosisverringerung möglich
Der 1. Zyklus verlief gut. An Tag 1 bis 3 nach der CCNU - Gabe sich steigernde Übelkeit, die aushaltbar war und ab Tag 4 völlig verschwand.
In der Procarbazinphase grauenhafte Übelkeit, immer kurz vor dem Übergeben, Onkologenteam gestand mir zu, an Tagen mit 1 Procarbazintablette 1 mg Granisetron zu nehmen, an Tagen mit 2 Chemotabletten 2 mg Granisetron.
Hämoglobin, Thrombozyten und Leukozyten blieben im unteren Normalbereich
Bluttests alle 1,5 Wochen (Leukos, Thrombozyten, Hämoglobin, Leber, Niere)
Am Ende von Zyklus 1 Vorstellung bei der Strahlentherapeutin, sie bewertet die Ergebnisse des Kontroll-MRTs als hervorragend. Zeigt sich erstaunt über die niedrige Granisetrongabe, erwähnt dass man durchaus mehr nehmen könne und jedem Onkologen auch andere Mittel wie MCP oder im größten in Kombination mit 1 - 2 mg Dexamethason zur Verfügung stünden.
Zyklus 2 & 3
Start in Zyklus 2 mit grauenhaften Magenschmerzen (Erhöhung von 40 mg Pantoprazol auf 80 mg Pantoprazol täglich) Verwunderung über meinen "sehr empfindlichen Magen"
Die Procarbazinphase stehe ich nur noch mit Haferschleim und 2 bis 3 Litern Kräutertee durch. Die Haut im Gesicht pellte sich. Ich hatte starke Kopfschmerzen. Mir war nur noch übel, meine Hände und Füße kribbelten, mein Magen war wie mit Säure ausgekleidet.
Nach Zyklus Nr. 2 steht ein Kontroll-MRT an. Das Ergebnis ist sehr positiv: Die Resektionshöhle nimmt kein Kontrastmitte mehr an, nur noch der Resektionsrand.
Aufgrund von Corona kann ich nur mit der Neurochirurgin telefonieren. Sie schärft mir ein bei Problemen in die Notaufnahme zu kommen.
Ich habe einen Kontrolltermin beim Neurologen. Er ist sehr zufrieden mit dem Verlauf, betont aber, dass bei dem jetzigen Ergebnis niemand mehr versprechen könne, ob das, was nun noch sichtbar sei, nur noch aus Narbengewebe bestehe. Er merkt an, dass er kein Onkologe sei, aber er doch einmal Natrium- und Kaliumwerte testen würde. Ich solle das einmal besprechen. Er würde dies im Notfall auch als Neurologe testen.
Ich spreche dies beim Onkologen an. Er sagt, das sei unnötig, dies könne man einmal nach Chemoabschluss testen.
Blutwerte werden nur noch alle 3 Wochen getestet, weil mein Zustand so stabil sei.
Am Ende von Zyklus 3 habe ich ein Gespräch bei der Onkologin. Ich klage über die zunehmenden Magenschmerzen. Sage, dass ich mich während der Procarbazinphase größtenteils von Kräutertee und Haferschleim ernähren muss. Ich mich unter Procarbazinphase immer vergifteter fühle. Kommentar der Onkologin: "Also Frau Mego Chemotabletten sind keine Smarties." Ich fühle mich beschämt und mimosenhaft.
Zyklus 4
Beginn: 18. Mai. Die CCNU-Einnahme ist wie immer, ich habe am Einnahmetage einen leichten Trigeminusschmerz. Ansonsten verläuft die Woche ruhiger.
25. Mai: Die zweiwöchige Procarbazin Phase beginnt. Bereits am ersten Tag fühle ich mich grauenhaft. Mir ist übel, mein Magen krampft, ich habe seltsame Hitzegefühle.
26. Mai: Habe einen EEG-Termin beim Neurologen und stehe dieses mit Spucktütchen auf dem Schoß durch. Dieses fällt hervorragend aus. Der Neurologe ist guten Mutes, dass ich bald wieder Autofahren darf. Runzelt allerdings aufgrund meines Anblicks insgesamt die Stirn.
27. Mai: Mein Magen spielt völlig verrückt. Mein Mann ruft in der Onkologiepraxis an, sagt, dass ich mich wie vergiftet fühle und nur noch 5 El Haferflocken und 2 - 3 Liter Kräutertee zu mir nehmen könne. Die Onkologin betont, dass eine Chemo eigentlich Gift sei. Sie verschreibe mir Novalgintropfen und vielleicht sei einmal eine Magenspiegelung nötig.
Mein Mann wird misstrauisch und ruft beim Neurologen an. Dieser meldet sich nach 10 Minuten persönlich und sagt, dass sich Novalgintropfen mit Antiepileptika vertragen. Er aber in einem persönlich Gespräch abklären würde, ob es in meinem Zustand ratsam sei, die Novalgintropfen zu nehmen.
28. Mai:
Ich rufe beim Onkologenteam an, bitte um Rückruf. Werde auf die Rückrufliste gesetzt. An diesem Tag hat auch mein Mann Geburtstag. Nachmittags sitze ich mit ihm meinen Eltern und Schwiegereltern zusammen. Der Rückruf der Onkologen erfolgt nicht.
29. Mai:
Rufe in der Onkologiepraxis an, erkläre, dass kein Rückruf erfolgte. Frage, warum ich die Novalgintropfen überhaupt nehme solle. Bekomme von der Sprechstundenhilfe nur die kurze Antwort: Entkrampfung der glatten Muskulatur. Es kommt kein Rückruf des Onkologenteams.
30. Mai:
3 Stunden nach der Procarbazineinnahme bekomme ich zu allem bisherigen Hitzgefühle im Kopf und Kribbelgefühle in Händen und Füßen.
Um 17.30 Uhr werden plötzlich meine Beine von den Füßen aufsteigend taub. Ich schaffe es ins Bett zu humpeln. Ich glaube, dass ich einen epileptischen Anfall bekomme. Mache die Atem- und Mundmotorikübungen, die schon so manche Aura erfolgreich vertrieben habe. Der Anfall kommt nicht. Meine Beine schlagen trotzdem unkontrolliert gegeneinander.
Nach 10 Minuten beschließen mein Mann und ich den Krankenwagen zu rufen und mich in das Krankenhaus bringen zu lassen.
Um ca. 18.00 Uhr bin ich in der Notaufnahme, mein Mann kann mich wegen Corona nicht begleiten. Normalerweise wartet man ca. 4 Stunden. Nach 10 Minuten taucht bereits der diensthabende Notarzt auf. Untersucht mich. Ich sage, dass ich mich durch die Chemo "extrem vergiftet fühle" Ich habe Angst zu hören, eine Chemo bestehe nicht aus Smarties. Der Arzt wird blass und telefoniert hektisch. 5 Minuten später stehen ein Kardiologe und eine Neurologin im Zimmer.
Die Neurologin befragt mich, wieviel Granisetron ich täglich "in meinem Zustand" zum Procarbazin genommen habe. Ich antworte: "Maximal 2 mg". Sie schaut mich an, als wäre ich verrückt. Sie meint: "Also gut, sie sagen, dass sie nach der Bestrahlung 4 mg Dexamethason langsam entzogen haben. Besprechen wir das doch erstmal." Ich schildere also detaillreich meinen bisherigen Kortisonentzug. Nun glaubt sie mir, dass ich nur 2 mg Granisetron genommen habe. Sie meint dann: "Ich kann Ihnen jetzt erstmal nur 3 mg Kevatril über die Vene geben. Wir müssen schleunigst Natriumchlorid eintropfen lassen, das darf nur ganz langsam passieren.
Der Kardiologe stöpselt mich sofort ans EKG.
Bis 1 Uhr Nachts schlagen die Beine stark aneinander. Um 3 Uhr komme ich auf die internistische Station.
2 bis 3 Mal am Tag stehen ein Kardiologie und eine Endokrinoligin an meinem Bett. Sie besprechen sich täglich mit dem Tumorboard, einem Neurologen und meiner behandelnden Neurochirurgin.
Täglich kommt der Physiotherapeut.
Wenn nicht gerade Mineralsalze eingetropft werden, bekomme ich 4 x täglich MCP-Tropfen und Pantoprazol über den Tropf.
Es wird ein Langzeit EEG/EKG angesetzt und mein Kontroll-MRT wird um 2 Wochen vorgezogen.
Diagnose:
Akuter Natriumangel aufgrund von Procarbazin. Begünstigt wurde dieser durch meinen Kräuterteekonsum, da ich nichts mehr essen konnte. Zebinix kann ebenfalls diesen Natriummangel begünstigen, hat diesen aber wohl bei weitem nicht ausgelöst.
Ich stand kurz davor ins Koma zu fallen. Im Abschlussbericht steht, dies sei nur "durch das besonnene Verhalten der Patienten und ihres Ehemannes" verhindert worden.
Der erste Blick auf das MRT zeigt wohl weitere Verbesserung durch die PC-Chemo. Die Nachbesprechung wird erst am 16. Juni erfolgen.
Die Ergebnisse der Blutdruckmessungen und sowie von EEG / EKG sind eine Katastrophe. Mein systolischer Blutdruckwert lag im Schnitt bei 155. Spitzenwerte von 170 wurden erreicht. Am Donnerstag würde ich entlassen, da hatte ich nach zwei Stunden Zuhause einen Blutdruck von 180 zu 115 ! Ich habe gedacht, dass ich sofort ins Krankenhaus zurückkehren kann. Wohlgemerkt vor der Erkrankung habe ich ohne jegliche Probleme einen 25 km - Lauf und regelmäßig Volksläufe absolviert. Im Jahr 2018 bin ich bei einem Treppenlauf Zweite in meiner Altersklasse geworden. Noch vor der Chemo hatte ich optimalen Blutdruck.
Wie geht's nun weiter?
Tägliche Einnahme von 5 mg Amlodipin
Die internisten und die Endokrinologin empfehlen eine Beendigung der PC-Chemo.
Am 16. Juni wird es die Besprechung mit meiner Neurochirurgin geben, als Vorbereitung soll der Hausarzt den Kalium- und Natriumhaushalt bestimmen. Ich MUSS auch den Onkologen aufsuchen.
Auf Dauer benötige ich eine Untersuchung beim Kardiologen und auf jeden Fall ein Ultraschall des Herzens.
Den Erfahrungsbericht möchte ich erstmal an dieser Stelle schließen. Ich bin dankbar für mögliche Kommentare und freue mich über Fragen.
Ich möchte noch ein bis zwei Beiträge in diesem Strang erstellen, in dem ich analysieren möchte, was ich hätte besser machen können und was ich mir vom Onkologenteam gewünscht hätte.
LG
Mego