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HeikeLev

Guten Morgen, möchte mich kurz vorstellen, ich bin Heike (Angehörige). Wie sag ich es meinem Zwilling? Meine Schwester (51J) hatte im Juni einen schweren epileptischen Anfall. Danach CT und MRT. Tumor! Gespräch Uni Bonn, schnelle OP nötig. 4.8. OP in Bonn. Gliom Grad III/IV. Tumor konnte nicht vollständig entfernt werden. Chemo & Bestrahlung seit 18.8. bis 1.10. danach weitere 5 Blöcke Chemo. Meiner Schwester geht es nicht gut. Übelkeit, Kopfschmerzen, Schwindel. Cortison wird zusätzlich gegeben. Es geht damit etwas besser. Nun Durchfall (Darmspiegelung ohne Befund) Magenschmerzen, Aversion gegen Fleisch. Heute steht Magenspiegelung an. Sie liegt seit Wochen im Krankenhaus. Zwischenzeitlich wurde Pflegestufe II bewilligt. Nun hatte ich vorige Woche ein Gespräch mit dem zuständigen Neurologen. Auf meine Frage, wie die Prognose aussieht, sagte er mir, dieses Jahr Weihnachten sehe ich ihre Schwester evtl. noch bei Ihnen; nächstes Jahr nicht mehr und ich solle all das mit ihr machen, was wir gerne noch machen möchten. Ich möchte mit ihr ein paar Tage an die Nordsee. Mein Herz tut so weh und ich habe Angst die Kraft nicht mehr zu haben (ich möchte kein Mitleid, meine Schwester ist nun wichtig), aber vor 8 Jahren habe ich mein Kind im Krebs begleitet, vor 4 Jahren meine Mutter, jetzt meinen Zwilling. Ich fragte den Arzt, ob meine Schwester es weis. Er verneinte, da sie ihn so explizit nicht gefragt habe wie ich, er ihr aber im Falle das sie fragt, die Wahrheit sagt und mich bat dies auch zu tun. Ich glaube, meine Schwester fühlt es und möchte nicht fragen, aus Angst vor der Antwort, aber ich bin mir so unsicher, wie ich mit ihr umgehe, wenn es zur Sprache kommt? Ich habe Angst nicht die richtigen Worte zu finden; Angst selbst daran zu verzweifeln, sie zu verlieren. Ich gehe sie fast jeden Tag, nach meiner Arbeit, im Krankenhaus besuchen. Auf der einen Seite möchte ich sie sehen, auf der anderen Seite tut alles in mir weh, sie leiden zu sehen. Ich möchte ihr beistehen, weil ich es auch als Geschenk ansehe, dieses wundervolle Wesen, meinen Zwilling, begleiten zu dürfen und doch schnürt die Angst mir die Kehle oft zu. Bitte entschuldigt, ich bin nur Angehörige und ihr oder zumindest viele, selbst Betroffene. Meine Tochter, meine Mutter, meine Schwester und Ihr hier, seit wunderbare Menschen und Kämpfer und ich wünsche Euch von Herzen alles Gute. Liebe Grüße

dirlis

Liebe HeikeLev,

zunächst: Herzlich Willkommen, gut, dass Du das Forum gefunden hast.

Da Du schon schmerzliche Erfahrungen gemacht hast und Dir ein gnädig naiver Umgang mit Deiner Schwester und der Erkrankung zunächst nicht möglich ist, erlaube ich mir Dir folgendes Vorzuschlagen...

Hol Dir Hilfe für Dich, such Dir einen guten Psychtherapeuten oder einen Psychoonkolgen, der Dich unterstützt und Dich selber stabilisiert, damit Du in Dir selbst Kraft und Ruhe findest.
Mit dieser Basis wirst Du wieder einen Weg finden, wie Du dann Deine Schwester begleiten kannst.

Und bitte stell Deine Position in dieser Tragödie nicht unter Wert.
Du bist nicht erkrankt, aber Du bist betroffen. Du musst das Schicksal Deiner Schwester ertragen, weißt um die Machtlosigkeit und um die Hilflosigkeit...
Vielleicht ist es nur eine Wortklauberei? Aber ich sehe Dich absolut als Betroffene (von mir aus indirekt oder nicht unmittelbar...) und ich finde Dich (ohne Sich persönlich zu kennen) sehr wichtig.

Was deine Angst betrifft, richtige Worte zu finden...
Es gibt Situationen im Leben, da sind Worte nicht geeignet auszudrücken, was ein Mensch erlebt, erfühlt. Deine Schwester kennt Dich doch auch, es werden schon nicht die falschen sein.
Frag sie, ob ihr Wissen und Wahrheit in einer schwierigen Situation wichtig wäre, vielleicht kommt ihr darüber ins Gespräch.

Sei herzlich gegrüßt vor dirlis

HeikeLev

Hallo Dirlis, vielen, lieben Dank für Deine Worte. Ich mache selbst seit Anfang 2014 eine Traumatherapie um das Erlebte (Tochter & Mutter) zu be- und verarbeiten. Mal sehen, vielleicht kann mir mein Therapeut helfen, ansonsten werde ich Deinen Rat befolgen. Danke dafür. Gleichzeitig muss ich auch meinen drei Nichten die Situation nahe bringen.

Ja, meine Schwester kennt mich in- und auswendig, genauso wie ich sie. Ich werde bestimmt die richtigen Worte für sie und mit ihr finden. Vielleicht, wenn ich mit ihr am Strand an der Nordsee bin und uns der Wind und die Gischt der Wellen ins Gesicht schlägt und wir das Leben und die Liebe pur spüren.

Im Moment hadere ich noch mit dem Schicksal, mit Gott, mit Allem. Das WARUM steht noch im Vordergrund Ich muss sortieren um ganz bei ihr zu sein, wenn das Gespräch ansteht. Gerade weil ich darum weis, wie wichtig ich ihr bin und wie sehr sie sich auf mich verlässt, ist es mir so wichtig sie so zu begleiten, das es ihr gut tut, das sie sich ummantelt von meiner Liebe fühlt. Danke dirlis..... herzlichst Heike

wando

Liebe Heike,
auch ich möchte Dich hier im Forum ganz herzlich willkommen heißen. Ich bin mir ganz sicher, daß Du hier sehr gut "aufgehoben" bist, d. h. daß hier Menschen sind, die Dich, Deine Sorgen, Nöte und Ängste verstehen.
Dirlis hat Dir schon sehr viel Richtiges geschrieben und ich kann mich ihr nur anschließen. Auch ich kann/muß aus Erfahrung sprechen, da auch ich schon "zu viele" Angehörige auf ihrem letzten Weg begleitet habe. Deswegen kann ich Dich sehr gut verstehen und absolut nachempfinden, was Du emotional durchlebst.
Für Dich ist jetzt ganz wichtig, so wie es Dirlis auch schon schreibt, daß auch Du Dir Hilfe holst, weil Du das sonst nicht durchstehen kannst. Gut ist es schon einmal, daß Du den Weg hierher gefunden hast und Du über Deine Probleme schreiben kannst, weil, indem Du Dich mitteilst, be- und verarbeitest Du bestimmte Dinge schon. Ich sage auch oft vielen Angehörigen, die schwer mit Trauer und Leid umgehen können (aus den verschiedensten Gründen), daß sie doch an ihre Lieben Briefe schreiben sollen und da hinein alles, was sie bewegt, schreiben sollen - so als würden sie ein Gespräch mit ihren Lieben führen. Es gibt da auch ein sehr schönes Buch, was man mit Erinnerungen in schriftlicher Art oder mit Fotos führen kann - es heißt: "Ich werde Dich nie vergessen".
Liebe Heike, Ihr seid Zwillinge und Zwillinge haben sowieso eine ganz besondere Art der geschwisterlichen Zweisamkeit. Das habe ich schon mehrfach im Kollegen- bzw. Bekanntenkreis erlebt. Du wirst für Deine Schwester das Richtige tun und Du wirst auch die richtigen Worte finden, weil Ihr beide ganz besondere "Seelenverwandte" seid. Und wenn Ihr nicht reden könnt oder wollt, dann werden liebevolle Gesten zwischen Euch sprechen und kommunizieren und Ihr versteht Euch auch ohne Worte.
Zum Schluß möchte ich Dir noch sagen, daß ich Dich verstehen kann, daß Du im Moment mit allem und jedem haderst - absolut. Aber die Frage nach dem "warum" zu stellen, so habe ich für mich selbst erfahren und auch gewissermaßen beschlossen, das werde ich nicht tun. Zum einen, weil es darauf absolut keine Antwort gibt und zum anderen, weil man sich mit dieser Fragestellung das Leben noch schwerer macht, als es ohnehin schon ist. Man würde nie eine zufriedenstellende Antwort finden, die man akzeptieren könnte. Eine Bekannte, die ihren Sohn durch einen Unfall verloren hat, hat zur Beerdigung am Grab ihres Sohnes zu mir gesagt: "Wer weiß, was der liebe Gott mit meinem Thomas noch vor hat". Und daraus schöpft diese Frau auch heute noch all ihre Hoffnung. Man muß auch nicht unbedingt ein gläubiger Mensch sein, um zu sehen, daß alles in der Natur immer wieder einem Anfang unterworfen ist.
Liebe Heike, ich wünsche Dir ganz viel Kraft für Dich und Deine Schwester.
Ganz herzliche Grüße.
Andrea

HeikeLev

Ich bin froh, dieses Forum für mich gefunden zu haben und ich danke Dir, liebe Andrea, für Deine lieben und einfühlsamen Worte. Ich werde, wie schon gesagt, meinen Trauma Therapeuten fragen, ob die jetzige Therapie für mich ausreicht, oder ob ich noch andere Wege gehen sollte.

Ich gebe Dir Recht, die Frage nach dem WARUM lässt einen verzweifeln und Antwort darauf erhält man nicht.

Ja, wir sind Zwillinge und es ist wirklich so, ihr Schmerz ist mein Schmerz. Oft denken wir zu gleichen Zeit dasselbe, oder tun das gleiche. Wir schweigen viel zusammen. Ich lege mich dann zu ihr ins Bett (Löffelchen) und wir beide genießen nur die Nähe, genauso wie schon vor Jahren im Bauch unserer Mutter. In ihren Augen lese ich die Liebe und leider auch ihren Schmerz. Aber so war es auch bei meinem Kind und bei meiner Mutter.

Das mit dem Buchtipp ist ein sehr schöner Gedanke. Und auch die Idee mit einem Brief. Das Loslassen wird mir nur sehr schwer fallen, davor habe ich große Angst. Aber gut zu wissen, dass ich hier im Forum auch mal schwach sein darf DANKE.

wando

Liebe Heike,

es ist ganz wichtig, daß man auch einmal schwach und traurig sein darf - seinen Emotionen, wie auch immer die im jeweiligen Moment aussehen, freien Lauf zu lassen. Das darf man auf keinen Fall unterdrücken. Man muß nicht immer stark sein, warum denn? Einmal richtig zu weinen, das ist keinesfalls ein Fall von Schwäche, vielmehr reinigt es die Seele und kann einem guttun.

Das Loslassen fällt einem sehr schwer, es gehen einem zu viele Gedanken im Kopf herum. Man muß aber auch daran denken, daß man selbst dem, der bald gehen muß, mit seinem eigenen großen Kummer "das Gehen" nicht schwer machen sollte. Ich weiß, das sagt sich wahrscheinlich leichter als es ist und man empfindet es auch in jedem Moment anders. Ich kenne einige Menschen, die diese Welt verlassen haben, wenn ihre Lieben mal gerade aus dem Zimmer waren, sei es auch nur für einen Moment gewesen. Sei nur einfach für Deine Schwester da - Dein Herz und Eure ganz besondere Zweisamkeit als Zwilling wird Dich führen.

Du kannst auch jetzt schon Briefe schreiben, schreib auf, wovor Du beim Loslassen Angst hast z. B. Ich habe heute z. B. für mich entschieden, daß ich jetzt ein Tagebuch für mich schreibe. Das hat für mich mehrere Gründe. Zum einen hatte ich letzte Woche einen äußerst unangenehmen Termin bei einem Gutachter für meinen Rentenantrag, der mich mehr als menschenunwürdig behandelt hat und dafür wollte ich auch festhalten, was sich da so ereignet hat und ich möchte auch für mich selbst wissen, wie es mir geht, wie ich mich fühle und wie "leistungsfähig" ich noch sein kann. Zum anderen ist es auch ganz gut, wenn man dann, ich nenn es mal rückblickend, auf bestimmte Dinge noch einmal zurückgreifen kann und wie sich die Geschehnisse und Sichtweisen doch auch ändern können - zum guten oder auch weniger guten, so wie das Leben eben ist. Andererseits vergesse ich eben auch ziemlich viel, da ist es auch ganz hilfreich.

Ich wünsche Dir/Euch nochmals alles Liebe und Gute.

Herzlichst.

Andrea

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