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Streusel

Hallo ihr Lieben,
mein Mann ist Betroffener. Er ist 47 Jahre und trotz mehrerer Referenzpathologien können sich die Pathologen nach Tumorteilresektion nicht ganz festlegen, ob es sich um ein Anaplastisches pleomorphes Xanthoastrozytom oder ein epitheloides Glioblastom handelt, da wenig brauchbares Gewebe vorläge. Mein Mann überlegt nun, ob er die TT-F Therapie trotz der massiven Lebensqualitätsminderung machen soll. Wir haben Zwillinge ein Jahr alt und natürlich hoffen wir, dass er noch einige Jahre bei uns bleibt.
Nun die Frage an Langzeitüberlebende: Habt ihr die TT-F Therapie gemacht? Oder gibt es auch einige, die trotz nicht vorgenommener TT-F Therapie zu den Langzeitüberlebenden gehören... Ich stehe dieser Therapie sehr skeptisch gegenüber und möchte nicht, dass mein Mann unnötig zusätzliche Belastungen auf sich nimmt... ich wäre euch für Antworten sehr dankbar
Streusel

GMT

Liebe Streusel,

Vielleicht wäre es das Beste wenn es ermöglicht werden könnte, dass das entfernte Gewebe nochmals untersucht wird und ihr dann eine eindeutige Diagnose erhaltet....
Es soll vereinzelt vorkommen, dass ein "Anaplastisches pleomorphes Xanthoastrozytom" zum Glioblastom "transformieren" kann - da aber schon die Prognosen für diese beiden Tumore so unterschiedlich sind - bei dem Ersteren leben 90 % der Patienten noch nach 10 Jahren ohne Strahlen&_Chemo und bei Zweiterem sind es bei über 90 % nur 12-15 Monate trotz Therapie....

Ich finde, das das ein gewaltiger Unterschied ist und ich würde Himmel & Hölle in Bewegung setzen um da ein genaues Ergebnis zu erfahren.

Was die "Minderung der Lebensqualität" bei TTF angeht - halte ich es für eine Frage der eigenen Persönlichkeit, was einem selber "Lebensqualität" überhaupt bedeutet!

Strahlen & Chemotherapie senken die Lebensqualität möglicherweise auch - bei einer schlechten Prognose zur Diagnose und bei den Ergebnissen, dürfte Niemand solche Therapien machen - und doch entscheiden sich die Menschen dafür…..
Da sind z.B. Hautreizungen bei TTF eine Kleinigkeit....wenn es helfen sollte, wären das die berühmten Peanuts im Angesicht der Krankheit....

KaSy

Liebe Streusel,
in www.hirntumorhilfe.de findest Du auf der Startseite rechts eine ausführliche Darstellung und Diskussion mit Patienten über TTF.
https://www.hirntumorhilfe.de/service/medizin-und-forschung/news-details/tumortherapiefelder/

Angela

@Streusel
Es tut mir sehr leid, dass dein Mann von dieser schrecklichen Krankheit betroffen ist. Bei meinem Mann erfolgte 1/2016 eine Teilentfernung des Glioblastoms, danach 6 Wochen Radiochemotherapie, inzwischen 42 Zyklen mit Temozolomid.
Die TTF haben wir abgelehnt. Uns schien der Aufwand, die Nebenwirkungen in keinem angemessenen Verhältnis zu dem fraglichen Nutzen zu stehen. Mein Mann hätte sie schon wegen der Hautreizungen nicht vertragen.
Die Radiochemotherapie hat ihm trotz seiner damals 74 Jahre und einiger gravierender Vorerkrankungen keine Probleme bereitet. Sie hat ihm offensichtlich geholfen, denn es geht ihm verhältnismäßig gut. Natürlich war sie eine Belastung, er brauchte viel Ruhe und eine gute Versorgung. Mit zwei Kleinkindern ist das sicher nicht so einfach.
Ich wünsche euch von ganzem Herzen, dass deinem Mann geholfen wird, dass er alle Behandlungen gut verträgt, ihr Hilfe durch eure Familie habt, dass er noch lange Freude an euren Zwillingen hat.
LG Angela

Aziraphale

Was ist eine massive Lebensqualitätseinschränkung?

Das ist eine Frage der Bewertung. Mein Mann bekommt TT-F seit August letzten Jahres. Die wirklichen Nebenwirkungen (man muss hier einfach unterscheiden, was ist eine Nebenwirkung was ist eine gefühlte Einschränkung): Hautjucken. Die Haut verändert sich nicht (also kein Ausschlag, Hautreizung o.ä.), aber durch das Jucken kratzt er sich hin und wieder auf.

Die Einschränkungen? Mein Mann empfindet keine. Das kann aber auch daran liegen, dass er viel massivere Einschränkungen durch den Tumor hat. Dann hatte er vorher schon eine Halbklatze, somit stört es ihn nicht wirklich, dass der Rest der Haare auch noch ab ist. Wenn wir aus gehen, nimmt er das Teil mit, je nach Dauer auch Akkus. Oder er lässt es zu Hause, wenn es z.b. sehr warm ist, die Sonne scheint. Da macht das Teil gerne mal Probleme wegen Überhitzung.

Ja, mir macht das Neuanbringen der Arrays alle 3 Tage auch keinen Spaß, aber das dauert max. eine viertel Stunde (incl. Kopf rasieren), was jetzt auch nicht wirklich die Monsterbelastung ist.

Streusel

Hallo ihr Lieben,
ich danke euch für eure Antworten. Sie haben mir alle sehr geholfen.
Es ist so schwierig mit dieser Ungewissheit zu leben und das Beste zu hoffen. Manchmal habe ich das Gefühl alles bricht über mir zusammen und dann ist es plötzlich alles wieder etwas besser auszuhalten, allerdings nur, weil ich in diesen Zeiten hoffe, dass mein Mann noch einige Jahre trotz mikro- und makroskopischem Resttumor lebt und bis dahin vielleicht die Forschung eine neue gute Therapie gefunden hat.

Akzeptieren, dass es das Leben vor der Diagnose nie wieder geben wird und das Beste aus dem zu machen, was bleibt .... klingt gut ist aber unendlich schwer...
das wißt ihr alle und ich fühle mich von euch verstanden... manche alten Freundschaften funktionieren jetzt nicht mehr, vor alle eine Freundin, die ich immer aufgebaut habe, was mir früher leicht fiel..... macht mich jetzt, wenn sie darüber jammert, dass sie mit dem älter werden nicht so gut klar kommt nur noch aggressiv...
Vielleicht kennt ihr das ;)
Eure Streusel

Aziraphale

Ja das mit den Freundschaften kenne ich. Ich habe Menschen aus meinem Leben entfernt, die mir ausschließlich Energie geraubt haben. Es ist nicht das Thema, dass Freunde auch Hilfe, jemanden zum Reden benötigen. Das ist vollkommen ok. Wenn aber ein Gespräch beginnt mit: "Wie geht es Deinem Mann?" Eine Antwort aber nicht mal vollständig abgewartet wird, sondern gleich losgelegt mit den eigenen Problemen, ne da soll sie sich dann bitte jemanden anders suchen, für sowas ist mir meine Energie zu wertvoll...

paolo

Wichtig für die Eintscheidung sind sicher auch die molekularbiologischen Eigenschaften des entnommenen Gewebes (also MGMT Status, IDH Mutation, 1p/19q Allelverlust, etc.).
Wenn dort eine eher günstige Konstellation vorliegt, fällt es evtl. leichter, erst mal auf TTF zu verzichten, und je nach weiterem Verlauf, sich zu einem späteren Zeitpunkt dafür zu entscheiden.

Ich bin jetzt im vierten Jahr nach der Glioblastomdiagnose, und erreiche im Sommer, wenn es bis dahin keine unangenehmen Überraschungen gibt, die Fünfjahresmarke.
Die TTF Therapie wurde mir angeboten, worauf ich nach längerer Überlegung jedoch verzichtet habe.
Sobald sich aber ein erneutes Rezidiv zeigen sollte, würde ich es höchstwahrscheinlich auch mit TTF probieren, und dann mal schauen wie ich damit zurechtkomme.
Wenn man sich mit dem Gerät nicht wohlfühlen sollte, kann man den Einsatz ja jederzeit abbrechen.

Streusel

@Aziraphal: Recht hast Du!

@Paolo: Es ist so schön von Lanzeitüberlebenden zu hören. Wie ist denn Deine Lebensqualität? Wie lebst Du mit der Diagnose? Wie gehen Deine Angehörigen damit um? Entschuldige die persönlichen Fragen. Ich frage mich nur manchmal, ob diese große Last, die einem auf der Seele liegt und manchmal kaum Luft zum Atmen lässt, ob die leichter wird mit der Zeit. Mir fällt es so unendlich schwer mit dem Wissen, dass man nicht zusammen alt werden wird und dass die Zwillinge erst ein Jahr alt sind den Moment zu genießen. Und dann habe ich wieder ein schlechtes Gewissen meinem Mann und den Kindern gegenüber, weil ich am liebsten für sie nur Freude und Zuversicht versprühen würde. Ich lasse mich auch nicht hängen, aber es kostet alles so viel Energie und es tut so weh.

paolo

Mir geht es relativ gut, danke.
Ich führe ein weitgehend normales Leben, und habe mich gewissermaßen mit meiner Situation abgefunden. Ändern lässt es sich ja nicht.
Mit meinen Angehörigen hab ich die wichtigsten Sachen besprochen und geklärt, und ansonsten versuchen wir das Thema zu meiden, so weit es möglich ist, auch wenn uns allen klar ist, dass wir früher oder später wieder unweigerlich damit konfrontiert werden.
Im Alltag verdränge ich die Gedanken an die Erkrankung meist aus meinem Bewusstsein bzw. versuche sie in den Hintergrund zu stellen, auch wenn sie natürlich stets unterschwellig präsent sind.
Ob bei der täglichen Medikamenteneinnahme, bei den vielen Arztbesuchen, beim Friseur oder einfach nur beim Versuch, meine Haare so zu kämmen, dass meine Narbe halbwegs vernünftig verdeckt ist.
Die Erkrankung ist zwar allgegenwärtig, aber mittlerweile ein so selbstverständlicher Teil meines Alltags, dass sie mir eher wie ein nebensächlicher Aspekt erscheint.
Man könnte fast sagen, sie ist zu einem ständigen Hintergrundrauschen geworden, welches man zwar gelegentlich wahrnimmt, aber sich mit der Zeit so sehr daran gewöhnt hat, dass man meist keine weiteren Gedanken mehr daran verschwendet.
Aber natürlich gibt es auch Phasen und Situationen, in denen sich die Erkrankung ungefragt in den Fokus der eigenen Wahrnehmung drängt.
Wenn ich plötzliche Kopfschmerzen bekomme, die mich dann tage- oder gar wochenlang mal mehr mal weniger stark plagen. Oder wenn ich mal wieder ein Kribbeln oder dezente Taubheitsgefühle in den entsprechenden Extremitäten verspüre.
Oft fällt das in die Zeit kurz vor dem nächsten MRT Kontrolltermin, wo mich dann eh schon eine leichte innere Unruhe ob der zu erwartenden Ergebnisse befällt, und mir die Ungewissheit so manche Stunde Schlaf raubt.
Mitunter kommt es dann schon mal vor, dass mir meine Situation mit all den Implikationen und Folgen wirklich greifbar bewusst wird, das Gedankenkarussell sich immer schneller dreht, bis dann der eigene natürliche Überlebensinstinkt mit der Realität des tödlichen Krankheitsverlaufs kollidiert und mich eine zutiefst existenzielle Angst, eine Todesangst im wahrsten Sinne des Wortes, überkommt, die mir im Moment des Bewusstwerdens schlagartig das Adrenalin durch die Adern schießen lässt.
Das ist vermutlich die von dir gemeinte Last auf der Seele, die keine Luft zum Atmen lässt.
Ja, für mich wurde es mit der Zeit leichter und diese belastenden Momente wurden mit fortwährendem stabilen Verlauf auch immer seltener.
Aber die Zukunft bleibt ungewiss, und ich weiß nicht, wie es sein wird, wenn ich das metaphorische Ende der Fahnenstange erreiche, und es keine weitere Option mehr gibt, als mich entgültig dem Schicksal hinzugeben.

Dem entgegen stehen aber auch die Momente, in denen ich meine Erkrankung komplett vergessen kann.
Seien es Kino- oder Konzertbesuche, Reisen und Kurzurlaube, Feiern im Freundes- und Familienkreis, das Lesen eines guten Buches, sportliche Aktivitäten, das Musizieren mit der Gitarre, oder einfach nur geselliges Beisammensein mit angeregten Konversationen, gutem Essen und einem Glas Wein oder Bier.
Eine gefühlte Normalität, in der man einfach froh ist, sie erleben zu dürfen, und jeden Augenblick genießt.
Jeder hat da seine ganz individuelle Bewältigungsstrategie, um sich mentalen Ausgleich und Freiräume zu schaffen, in denen die Last der Diagnose ihr Gewicht verliert.

Ich wünsche dir, deinem Mann und euren Kindern, dass ihr zusammen noch unzählig viele solcher sorglosen Momente genießen werdet, und ihr euch mit dieser misslichen Lage irgendwie arrangieren könnt, auch wenn es noch so schwer fallen mag.

Streusel

Lieber Paolo,
ich danke Dir sehr für Deine sehr ausführliche und persönliche Antwort. Sie hat mir weitergeholfen und gibt mir Kraft. Du kannst so gut die Worte setzen, du könntest ein Buch schreiben. Ich danke dir und hoffe auch dem Sturm im Innern wird irgendwann ein Hintergrundrauschen.
Dir wünsche ich alles erdenklich Gute.
Beste Grüße
Streußel

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