Mir geht es relativ gut, danke.
Ich führe ein weitgehend normales Leben, und habe mich gewissermaßen mit meiner Situation abgefunden. Ändern lässt es sich ja nicht.
Mit meinen Angehörigen hab ich die wichtigsten Sachen besprochen und geklärt, und ansonsten versuchen wir das Thema zu meiden, so weit es möglich ist, auch wenn uns allen klar ist, dass wir früher oder später wieder unweigerlich damit konfrontiert werden.
Im Alltag verdränge ich die Gedanken an die Erkrankung meist aus meinem Bewusstsein bzw. versuche sie in den Hintergrund zu stellen, auch wenn sie natürlich stets unterschwellig präsent sind.
Ob bei der täglichen Medikamenteneinnahme, bei den vielen Arztbesuchen, beim Friseur oder einfach nur beim Versuch, meine Haare so zu kämmen, dass meine Narbe halbwegs vernünftig verdeckt ist.
Die Erkrankung ist zwar allgegenwärtig, aber mittlerweile ein so selbstverständlicher Teil meines Alltags, dass sie mir eher wie ein nebensächlicher Aspekt erscheint.
Man könnte fast sagen, sie ist zu einem ständigen Hintergrundrauschen geworden, welches man zwar gelegentlich wahrnimmt, aber sich mit der Zeit so sehr daran gewöhnt hat, dass man meist keine weiteren Gedanken mehr daran verschwendet.
Aber natürlich gibt es auch Phasen und Situationen, in denen sich die Erkrankung ungefragt in den Fokus der eigenen Wahrnehmung drängt.
Wenn ich plötzliche Kopfschmerzen bekomme, die mich dann tage- oder gar wochenlang mal mehr mal weniger stark plagen. Oder wenn ich mal wieder ein Kribbeln oder dezente Taubheitsgefühle in den entsprechenden Extremitäten verspüre.
Oft fällt das in die Zeit kurz vor dem nächsten MRT Kontrolltermin, wo mich dann eh schon eine leichte innere Unruhe ob der zu erwartenden Ergebnisse befällt, und mir die Ungewissheit so manche Stunde Schlaf raubt.
Mitunter kommt es dann schon mal vor, dass mir meine Situation mit all den Implikationen und Folgen wirklich greifbar bewusst wird, das Gedankenkarussell sich immer schneller dreht, bis dann der eigene natürliche Überlebensinstinkt mit der Realität des tödlichen Krankheitsverlaufs kollidiert und mich eine zutiefst existenzielle Angst, eine Todesangst im wahrsten Sinne des Wortes, überkommt, die mir im Moment des Bewusstwerdens schlagartig das Adrenalin durch die Adern schießen lässt.
Das ist vermutlich die von dir gemeinte Last auf der Seele, die keine Luft zum Atmen lässt.
Ja, für mich wurde es mit der Zeit leichter und diese belastenden Momente wurden mit fortwährendem stabilen Verlauf auch immer seltener.
Aber die Zukunft bleibt ungewiss, und ich weiß nicht, wie es sein wird, wenn ich das metaphorische Ende der Fahnenstange erreiche, und es keine weitere Option mehr gibt, als mich entgültig dem Schicksal hinzugeben.
Dem entgegen stehen aber auch die Momente, in denen ich meine Erkrankung komplett vergessen kann.
Seien es Kino- oder Konzertbesuche, Reisen und Kurzurlaube, Feiern im Freundes- und Familienkreis, das Lesen eines guten Buches, sportliche Aktivitäten, das Musizieren mit der Gitarre, oder einfach nur geselliges Beisammensein mit angeregten Konversationen, gutem Essen und einem Glas Wein oder Bier.
Eine gefühlte Normalität, in der man einfach froh ist, sie erleben zu dürfen, und jeden Augenblick genießt.
Jeder hat da seine ganz individuelle Bewältigungsstrategie, um sich mentalen Ausgleich und Freiräume zu schaffen, in denen die Last der Diagnose ihr Gewicht verliert.
Ich wünsche dir, deinem Mann und euren Kindern, dass ihr zusammen noch unzählig viele solcher sorglosen Momente genießen werdet, und ihr euch mit dieser misslichen Lage irgendwie arrangieren könnt, auch wenn es noch so schwer fallen mag.