www.hirntumorhilfe.de
Herzlich willkommen im Forum der Deutschen Hirntumorhilfe!

Thema: Frage zu Diagnose

Frage zu Diagnose
Gil
23.07.2016 10:54:50
Hallo zusammen

Ich hätte eine Frage zu der untenstehenden Diagnose. Bisher war mir nicht bekannt wie der Verlauf Anaplastisches Astrozytom wirklich ist und je mehr man liest umso mehr Fragen tauchen auf...

Die Ärzte haben mir nur mitgeteilt das der Tumor wahrscheinlich innerhalb von 3 Jahren wieder auftauchen würde. Allerdings keine Angaben das es nicht heilbar ist und nur eine (un)gewisse Lebenszeit besteht.

Was mich interessieren würde, falls jemand Bescheid weiss sind die molekularen Marker:
kein LOH 1p/19q, IDH1 Mutationsnachweis (immunhistochemisch), ATRX Mutationsnachweis (immunhistochemisch)

Diverse Informationen habe ich dazu gefunden, aber so ganz schlau werde ich daraus nicht.
"Kein LOH 1p/19q, IDH1 Mutationsnachweis" ist meinem Verständnis nach postiv
ATRX Mutation eher negativ.

Da mein nächster Termin in der Neurologie noch einige Wochen auf sich warten lässt, wäre ich über vorgängige Informationen froh ob ich mit meiner Interpretation richtig liege.

Weitere Infos stehen im Profil, sollten noch andere Angaben interessant sein.

Für helfende Informationen wäre ich dankbar, aber bitte keine Links in englisch mit medizinischen Begriffen, da bin ich mir doch nicht sicher ob ich es richtig interpretiere/übersetze.

Beste Grüsse
Gil
Gil
KaSy
24.07.2016 01:50:08
Auf dem letzten HT-Infotag im April in Berlin wurden die folgenden Informationen genannt:

1. Die PCV-Chemotherapie besteht aus Procarbazin / Vincristin / CCNU (Chlorethyl-Cyclohexyl-Nitroso-Urea = Lomustin) und wird als Primärtherapie bei Tumoren mit der genetischen Variante „LOH 1p/19q-Codeletion“ angewandt. Sie dient auch als Reservetherapie bei WHO III-Astrozytomen und bei GBM, die zuvor mit Temozolomid behandelt worden waren.
Bei Unverträglichkeit bzw. allergischer Reaktion können einzelne der drei Teile weggelassen werden.

2. Woher stammt der Impfstoff gegen die IDH1-Mutation?
Dieser Impfstoff wird nicht aus dem Tumormaterial des Patienten hergestellt. Er wird künstlich hergestellt. Ein Labor in Deutschland hat die Zulassung dafür.

zu 1. Bei Dir sollte wegen des Nichtvorhandenseins der genetischen Variante LOH 1p/19q das Medikament Temozolomid als Chemotherapie eine gute Wirkung erzielen. Es ist das Chemotherapeutikum, durch das zur Zeit die bestmögliche Wirkung bei geringstmöglichen Nebenwirkungen erzielt wird. Das wäre also gut für Dich und schlecht für den Tumor.

zu 2. Wenn gegen die IDH1-Mutation extra ein Impfstoff erfunden werden musste, sollte das bedeuten, dass diese Mutation gut für den Tumor ist. Da Du sie nicht hast, ist das schlecht für den Tumor und gut für Dich. Es müsste auch dafür sprechen, dass Temozolomid wirken wird.


Im Internet fand ich folgendes zu ATRX:

3. ATRX ist die Abkürzung für alpha-thalassemia/mental retardation syndrome X-linked.
Die ATRX-Mutation, also der ATRX-Verlust bzw. das Fehlen von ATRX, gilt seit einiger Zeit auch als ein genetisches Merkmal von Astrozytomen. Dieses Merkmal definiert eine Untergruppe der Astrozytome mit einer günstigen Prognose. Patienten mit Tumoren mit einer ATRX-Mutation haben eine signifikant bessere Überlebenszeit.

zu 3. Ich verstehe das so, dass Patienten mit einem anaplastischen Astrozytom, das die ATRX-Mutation aufweist, eine günstigere Prognose haben. Auch das wäre also gut für Dich, da Dein Astrozytom diese ATRX-Muation hat.


(Ich hoffe, dass ich diese Informationen richtig interpretiert habe und Dir jetzt nicht falsche Hoffnungen mache. )

KaSy
KaSy
Gil
24.07.2016 09:32:33
Hallo KaSy

Vielen lieben Dank für deine Mühe!
Mit diesen Erklärungen machen gewisse Artikel nun mehr Sinn und ich kann doch etwas entspannter die Zeit abwarten und mich besser auf das Gespräch vorbereiten.

Selbst wenn es sich anders herausstellt, was ich zwar nicht denke, ist das kein Problem, damit kann ich umgehen.
Bin auf jeden Fall froh das ich jetzt nicht mehr den Zwang habe dauernd neue Infos, Erklärungen und Definitionen suchen zu müssen, ohne am Ende schlauer zu sein.

Viele Grüsse
Gil
Gil
milky why
24.07.2016 12:46:52
Hallo,
Ich melde mich hier eher selten zu Wort da ich noch Neuling auf dem Gebiet bin und meistens nicht so viel beitragen kann wie die "alten Hasen"...
Habe mich in letzter Zeit relativ gut belesen, was die Impfung betrifft. So wie ich es verstanden habe, ist es nicht gut für den Tumor, diese Mutation zu haben sondern es ist so, dass Tumore mit IDH 1 Mutation besser ansprechen auf die chemo. Der Impfstoff, der entwickelt wurde ist auch kein Impfstoff "gegen" die Mutation sondern ein Impfstoff der an genau diese Mutation "andockt" - das heißt dass der Impfstoff nur (so ist jedenfalls der aktuelle Stand) bei Tumoren mit dieser Mutation wirkt weil der Impfstoff genau darauf "abgerichtet" ist, die IDH1 Mutation zu finden und gegen diese zu "kämpfen" (bzw das Immunsystem dagegen kämpfen lässt) - also gegen alle Tumorzellen die eine solche Mutation haben...
Auch dies natürlich ohne Gewähr...
Alles Gute für Alle hier!
Herzlich
MW
milky why
KaSy
24.07.2016 13:23:15
Ah, ja, das stimmt.
Ich habe noch einmal geschaut.
Mehr als 70 % der Gliome weisen die IDH1-Mutation auf. Das macht sie für einen Impfstoff erkennbar, der mittlerweile auch für Menschen entwickelt wurde. Dieser Impfstoff tut dann genau das, was milky why geschrieben hat.

Auf einem HT-Info-Tag 2014 schrieb ich folgendes mit:

IDH1*-Mutation Protein Isozitratdehydrogenase 1 (IDH1)

Molekular-pathologische Untersuchungen der Tumormaterialien ergaben in der DNS von Glioblastom-Zellen ein häufiges Vorkommen einer IDH1-Mutation. Da sich anaplastische Astrozytome (= WHO III) im mittleren Lebensalter zu Glioblastomen entwickeln können, ist der genetische Nachweis der IDH1-Mutation eine wichtige Voraussetzung für die Festlegung der Therapie in dieser Gruppe.

Das deute ich jetzt so: Du gehörst ja zu dieser Gruppe mit dem anaplastischen Astrozytom. Und wenn die IDH1-Mutation bei Dir nicht vorkommt, dann sollte dieses fehlende Gliom-Merkmal ein Zeichen dafür sein, dass sich Dein Tumor (hoffentlich, eventuell, ?) nicht in ein Glioblastom umwandeln wird. Das heißt, man müsste die Therapie "nur" auf die Bekämpfung des Astrozytoms ausrichten und nicht aggressiver herangehen.
Der Impfstoff hat dann für Dich gar keine Bedeutung, weil er wegen des nicht so aggressiven Tumors nicht eingesetzt werden muss.

Auch hier alles unter Vorbehalt!
KaSy
KaSy
Stek
24.07.2016 13:46:32
https://www.aerzteblatt.de/pdf/113/6/p18.pdf?ts=05.02.2016+11%3A35%3A00
Stek
NACH OBEN