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Fran z Hans

Hallo,

bei mir wurde vor einigen Jahren ein gutartiges pilozytisches Astrozytom entfernt. Es lag im Frontalhirn, in der linken Hemisphäre. Die OP an sich ist wohl komplikationslos verlaufen damals.

Nun habe ich seit geraumer Zeit eine depressionsähnliche Symptomatik, die aber eben auch organisch bedingt sein könnte, was man dann medizinisch als "Apathie" bezeichnet.

Ich habe kaum Motivation für irgendwas, kann stundenlang (den ganzen Tag) sinnlos durch das Internet browsen ohne dass es mich stört, ich leb in den Tag hinein ohne mich auf längerfristige Lebensziele zu konzentrieren, mir fällt es schwer eine feste Tagesstruktur zu verfolgen, bin also eher schlecht organisiert etc.

Außerdem lebe ich eher zurückgezogen, sprich ich verlasse zwar meine vier Wände regelmäßig, aber wenn ich draußen unterwegs bin habe ich kaum Interaktionen mit Anderen. Also eher einzelgängerisch und "in meinem Kopf", als extrovertiert und gesellig. Meistens bin ich auch eher gehemmt und kann nicht so gut spontan auf andere Leute eingehen.

Nun will ich das nicht unbedingt alles auf die Erkrankung oder die Tumorresektion / OP selbst schieben, denn ich bin schon immer eher der ruhige und bedachte Typ gewesen. Mir ist beim Selbststudium der radiologischen Arztbriefe und der MRT-Bilder nur aufgefallen, dass in dem OP Bereich eine recht sichtbare Gliose verblieben ist. Das ist ja eine Art Vernarbung von Gehirngewebe, sprich in diesen Bereichen findet keine Signalübertragung zwischen den Nervenzellen mehr statt.

Gerade das Frontalgehirn wird ja mit den höheren kognitiven Funktionen in Verbindung gebracht und Defizite hier können sich auf recht subtile Art ausdrücken, weil halt nicht unbedingt so unmittelbar sichtbare Aspekte wie Bewegung oder Sprache betroffen sind, sondern eher Dinge wie langfristige Planung, Ziele über einen längeren Zeitraum verfolgen, intrinsische Motivation, geistige Flexibilität etc.

Gibt es hier Leute die ähnliche Erfahrungen gemacht haben nach der OP?

P.S. Ich verstehe es falls jemand das Thema als zweitrangig oder als Luxusproblem ansehen sollte, weil viele im Forum natürlich mit lebensbedrohenden Hirntumoren zu tun haben und da ist das Thema geistige Leistungsfähigkeit vielleicht erstmal nicht die Priorität.

KaSy

Hallo, Fran z Hans,
ich habe mir gerade Deine Berichte aus dem Jahr 2014 durchgelesen und auch die Antworten darauf.
Vielleicht war damals die OP noch nicht lange genug her, dass Deine psychischen und kognitiven Folgen der OP hier im Forum nicht so Ernst genommen wurden?

Auch Du scheinst es als ein eher kleines Problem oder als "Luxusproblem" anzusehen.

Aber das stimmt so gar nicht!

Du hast die gleichen Probleme immer noch.
Da Du damals bereits Student warst, hattest Du sicher nicht nur den Vergleich zu Gleichaltrigen sondern auch zu Dir selbst, wie Du vor der OP warst und wie Du Dich danach - dauerhaft ! - verändert hast.
Ich bin mir recht sicher, dass Du so, wie Du Dich mit diesen Einschränkungen empfindest und es hier damals und heute gleichermaßen beschreibst, nicht mit einem Studium begonnen hättest.

Es hat also Veränderungen gegeben.

Diese sind nicht nur durch das Ereignis "schwere Krankheit" oder "Schock wegen Hirntumor" oder "posttraumatische Belastungsstörung (PTBS)" oder "Todesangst" oder "Soziale Sorgen" erklärbar.

Die Lage Deines nicht gerade kleinen Tumors im vorderen Hirnbereich betrifft die "Persönlichkeitsstruktur".

Was davon in welchem Maße betroffen ist und ob es kurze, längere oder dauerhafte Folgen sind, dass können auch Neurochirurgen und Neurologen nur schlecht voraussagen oder im Nachhinein exakt zuordnen. Sie müssen unseren Symptomen glauben, uns vertrauen.


Ich hatte meinen ersten Tumor (1995) auch links frontal und er hatte eine ähnliche Größe wie bei Dir. Meine Hausärztin sprach damals davon, dass er im Persönlichkeitsbereich liegt - und ich hatte eine riesige Angst vor den Folgen der OP.
Werde ich meine Kinder noch erkennen? Oder werde ich mich so verändern, dass ich selbst nicht merke, wie "verrückt" ich reagiere?
Nach der OP bemerkte ich nichts davon.
Ich glaubte, da wäre alles in Ordnung.

Aber genau das, was Du beschreibst, ist in ähnlicher Art bei mir aufgetreten.
Irgendwann wurde mir das bewusst und ich suchte Hilfe bei einem Neurologen, einem Psychotherapeuten. Antidepressiva halfen nicht wirklich. Mehr als zehn Jahre probierte ich verschiedene Sorten. Die Psychotherapie brachte äußerst mühselig einige Fortschritte. Irgendwann ging ich verzweifelt sogar in eine psychiatrische Klinik, wo ich fast drei Monate war, ohne dass eine Besserung eintrat. Im Gegenteil - trotz ihrer erfolgreichen Arbeit für die Patienten mit "rein psychischen" Problemen waren die Ärzte und das Personal nicht in der Lage, mir zu helfen.

Es ist etwas anderes, wenn durch die Operation eines Hirntumors im Persönlichkeitsbereich Strukturen zerstört wurden.
Das ist sehr viel schwerer zu therapieren.
Ja, üben hilft etwas.

Aber was tut man, wenn man diesen Antrieb, diese Motivation für das "Üben" einfach nicht aufbringen KANN!?
Und wenn man sich schon mal "bewegt", dann soll man auf Menschen zugehen, mit ihnen locker reden.
Manchmal kann ich das, aber zu oft stehe ich irgendwo und will etwas tun, kaufen, Essen bestellen - und es geht nicht!
Ich will so gern aktiv sein und habe mir bewusst Aufgaben gesucht, aber dann überfordert mich das Reden mit diesen lieben Menschen. Ich befürchte, aggressiv oder zumindest vorwurfsvoll zu reagieren, was ich nicht will. Es ist eine enorme Anstrengung, sich deswegen nicht völlig zurückzuziehen! Ich kann mich kaum für etwas entscheiden, zu etwas entschließen, es fällt mir enorm schwer, um Hilfe zu bitten, das kostet so sehr viel Kraft.

Und das ist das wirklich Schlimme an diesen Folgen der OP. Diese psychischen Folgen betreffen den gesamten Menschen.

Du hast Recht, man könnte die Folgen von Schwerhörigkeit, Sehschwächen, Lähmung usw. als schlimmer empfinden, aber dafür gibt es irgendwelche Therapien, Hilfen, Ersatzmöglichkeiten.

Für diese Antriebslosigkeit, diese depressiven Zeiten, das Problem mit vielen Menschen und all diese so schwer fassbaren Einschränkungen gibt es kaum wirksame Hilfen. Und wenn es sie gibt, dann ist der Kraftakt enorm, diese Hilfen zu nutzen, immer wieder ist das schwer.

Denn genau wie Du das formulierst und denkst, ist das doch scheinbar ein "Luxusproblem". Man weiß selbst, dass es nicht so ist. Aber wissen es die anderen? Diese Zweifel sind immer wieder da.

Tatsächlich sind diese zwei Sorten der psychischen Folgen von Hirntumor-Entfernungen (die rein psychische Belastung und die hirnorganischen Folgen) in den Kliniken mittlerweile nach und nach "angekommen" und es gibt einige Fachärzte, die eine "psychoonkologische" Ausbildung haben. Dort, wo ich seit 1995 leider immer wieder in Behandlung bin, gibt es eine Psychoonkologin, die jedoch auch eine eigene Praxis haben muss, in der sie ambulant tätig ist. In dem großen Krankenhaus ist sie also nur an zwei Wochentagen tätig und kann und darf sich nicht um ambulante Patienten kümmern, die dort regelmäßig zur Nachsorge erscheinen.

Aber das ist die Fachkraft, die mit einer psychiatrischen Grundausbildung zusätzlich eine Qualifikation für die Betreuung krebskranker Patienten durchlaufen hat.

Auch Neuropsychologen sollten dafür qualifiziert sein.
(Ich kann das allerdings nicht aus eigener Erfahrung bestätigen, da in der Psychiatrie, wo ich war, der dortige Neuropsychologe auch auf mein Bitten hin nicht tätig wurde. Auch der Bereich PTBS wurde nicht hinzugezogen.)

Auf jeden Fall ist das, was Du beschreibst, kein kleines Problem. Es ist mittlerweile sogar ein wichtiger Grund, um z.B. eine Reha zu beantragen, wo u.a. "geübt" werden kann sowie um eine Schwerbehinderung anerkannt zu bekommen, wenn es so sehr einschränkende Folgen einer Hirntumor-OP sind.

Ich habe wirklich vollstes Verständnis für Dich, weil ich das selbst als sehr einschränkend erlebe und meine Lebensqualität trotz organischer halbwegs guter Gesundheit enorm leidet.
KaSy

Fran z Hans

Danke dir KaSy!

Ja, nachdem ich den aktuellen Beitrag geschrieben habe, hatte ich mir auch gleich nochmal meinen alten Beitrag angeschaut und war fast ein wenig erschrocken darüber, wie permanent meine Symptome nun schon anhalten.

Ich sehe das ganze auch nicht wirklich als Luxusproblem an, habe es aber etwas vorsichtig formuliert, weil mir bei einem anderen Beitrag mal sinngemäß Vorwürfe gemacht wurden (von anderen Hirntumorpatienten mit schweren Krankheitsformen), ich könnte ja glücklich sein, dass ich nur einen niedriggradigen Tumor hatte und ich solle mich nicht so haben wegen meiner "empfundenen" geistigen Probleme.

Zum gewissen Grad verstehe ich es, wenn es für Leute wie eine Kleinigkeit klingt, wenn Sie selbst vielleicht gerade mit einer lebensbedrohlichen Verlaufsform zu kämpfen haben oder gerade Angehörige verloren haben.

Aber zur Community der Betroffenen gehören andererseits ja auch viele, die nach einer erfolgreichen OP gerne wieder am Leben teilhaben wollen und dafür auch geistig (kognitiv und psychisch) "am Start" sein möchten.

Ich habe mich selbst über die Jahre mit der Fachliteratur (Artikel aus wissenschaftlichen Fachzeitschriften, Fachbücher) beschäftigt und so weit es mir möglich war die Fachterminologie in die Alltagssprache zu übersetzen, versucht den aktuellen Kenntnisstand nachzuvollziehen.

Alles deutet darauf hin, dass "Läsionen" (ob nun durch Schädel-Hirntrauma, Schlaganfall oder eben Tumor und Tumorresektion verursacht) in dem genannten Bereich tatsächlich mit kognitiven Einschränkungen in diversen Teildomänen der Kognition einhergehen.

Der Begriff "Persönlichkeit" wäre da vielleicht zuweit gegriffen, da man hier um spezifischer zu sein verschiedene Teilaspekte der Persönlichkeit unterscheiden müsste. Aber zum Beispiel kann die Reizbarkeiterhöht oder in anderen Worten die Fähigkeit seine Emotionen zu hemmen reduziert sein.

Gerade im präfrontalen Bereich verlaufen wohl viele neuronale Netzwerke, die für bestimmte Domänen der höheren Kognition besonders entscheidend sind, die also etwa aktiviert werden, wenn wir eine anspruchsvolle Aufgabe bearbeiten, mehrere Konzepte im Arbeitsgedächtnis halten und abrufen müssen oder uns in eine unbekannte soziale Situation begeben.

Läsionen verursachen letztendlich Unterbrechungen in diesen übergreifenden Netzwerken aus Leiterbahnen / neuronalen Verbindungen und daher auch Störungen, was die entsprechenden kognitiven Funktionen betrifft, bei denen diese Netzwerke normalerweise aktiviert werden. Sprich: der Computer funktioniert nicht mehr richtig, an irgendeiner Stelle werden die Bits und Bytes nicht korrekt übertragen, dementsprechend läuft die Software nicht mehr einwandfrei, kann das Programm nicht mehr ordnungsgemäß ausführen, stockt häufiger.

Ja, du hast Recht. Als ich jetzt nochmal den alten Thread gelesen habe, hatte ich auch den Eindruck, dass einige Diskussionsteilnehmer die Problematik nicht ganz nachvollziehen konnten oder teilweise auch falsche Aussagen getroffen haben. Eine Person sagte sinngemäß: die Persönlichkeit läge eher in der rechten Hemisphäre. Nach derzeitigen Kenntnisstand gibt es aber erstens gar keinen eindeutigen Sitz der "Persönlichkeit" und zweitens sind viele wichtige Domänen der höheren Kognition typischerweise eher mit neuronalen Strukturen der linken Hemisphäre assoiiert (zumindest bei Rechtshändern).

Ich will krankheitsverursachte körperliche Einschränkungen und kognitive Einschränkungen auch gar nicht gegeneinander aufwiegen, zumal ich selbst (von Geburt an) an starker Kurzsichtigkeit und anderen "Augenwehwehchen" "leide". Ich wollte eigentlich nur damit sagen, dass die körperlichen Einschränkungen offensichtlich sind, während solche kognitiven Folgen recht subtil sein können, gerade wenn es die "höheren kognitiven Funktionen" betrifft, die sich eher auf die Leistungsfähigkeit, das Gedächtnis, die Fähigkeit sich motiviert einem langfristigen Ziel zu widmen oder auch die geistige Flexibilität ("task switching", auf veränderte Umstände flexibel reagieren und den geistigen Modus anpassen)... auswirken. Probleme in diesen Bereichen können auch für gewöhnliche "psychische" Probleme gehalten werden, als Faulheit oder Dummheit abgetan werden.

Ich war zwischenzeitlich auch bei einer Verhaltenstherapie und die junge Nachwuchstherapeutin hat meine Schilderungen als "Depression" eingeordnet und entsprechend (so wie sie es aus Ihren Lehrbüchern und Lehrveranstaltungen gelern hat) behandelt. Die Therapie war kaum bis gar nicht wirksam und nun habe ich umso mehr den Eindruck, dass eben die organischen Gründe doch eine wesentliche Rolle spielen bei der Problematik.

Gestern habe ich einen Beitrag über zwei junge Erwachsene gesehen, deren Mutter während der Schwangerschaft Alkohol konsumiert hatte und die nun auch an dauerhaften kognitiven, organisch verursachten Einschränkungen leiden, was deren Handlungsspielraum und Fähigkeit im Leben "normal" zu funktionieren angeht. Die Pflegemutter hat über Jahrzehnte hinweg, in der Hoffnung dass sie mit viel Aufmerksamkeit und Fürsorge eine Normalisierung der Leistungsfähigkeit Ihrer Pflegesöhne erreichen könnte, alles mögliche getan. Irgendwann musste Sie aber auf Rat einer Fachfrau, die sich mit dem Syndrom gut auskennt, akzeptieren, dass alle Trainingsmaßnahmen bei organisch bedingten Störungen eben Ihre Grenzen haben. Ich neige auch mehr und mehr dazu zu glauben, dass der Verbesserungsspielraum bei mir durch die organischen Gründe recht schmal ist und ich nur dadurch, dass ich mir etwa eine gute Tagesstruktur schaffe, auf Schlaf und körperlichen Ausgleich achte und mich abwechslungsreich ernähre, das "Beste rausholen" kann, was unter den gegebenen Umständen noch möglich ist.

https://www.youtube.com/watch?v=8Hw-pDHwjFs&t=7s

Danke für deinen tollen Beitrag und beste Grüße

Efeu

Hallo Fran z Hans,

ich hab zwar keinen Tumor im Frontallappen links, sonder rechte Schädelbasis, aber die bestrahlung hat nachgewiesene Schäden in im Frontallappen links, u.a., gemacht (mehrere neuropsycholog. Gutachten). Was du beschreibst, kenne ich gut. Einfache Handlungen sind anstrengend, Konzentration zerfällt ganz schnell, ich habe Phasen grosser Antriebslosigkeit, jaa, und ich zwinge mich dazu, auch dann etwas zu tun, gerade dann mich körperlich gut zu bewegen, auch mal auszupowern, weil ich weiss, danach geht es mir besser, zumindest für eine Weile. Ich arbeite viel draussen, habe das Glück, jetzt so zu leben, ganz abgeschieden auf dem Land, rundum nur Wald. Geistig flexibel bin ich wie ein Kugelschreiber ;-))), Unvorhergesehenes bringt mich enorm ins Schleudern. Ein getakteter Tagesablauf hilft mir, einfach weil alles alles anstrengend ist, da brauch ich nicht auch noch Spontanität; ich kann es einfach nicht mehr, es geht nicht.

Ich denke, das sind So Dinge, die du auch meinst, diese Veränderungen, schwer zu beschreiben, ihnen überhaupt auf die Spur zu kommen, was denn jetzt wie ist und geht. Und das dann noch einem anderen kommunizieren, z.B. meinem Mann.....uff.

Manchmal gehe ich auch deswegen in die Einsamkeit, raus, weil es leichter ist als zusammen zu sein.

Danke euch beiden für eure Beiträge, werd sie mir noch ein paar mal durchlesen - damit was hängen bleibt in der Erinnerung ;-).

KaSy, ich finde das einen wichtigen Hinweis von dir: Lernen, mit dem zu leben, was man kann, es trainieren, üben. Wir brauchen Lebensinhalte, Lebenssinn, immer. Was möglich ist und wie, das müssen wir ausprobieren, rausfinden. Auch: Was will ich? Was ist mir wichtig?

Liebe Grüsse,
Efeu

Rehsis

Hallo alle miteinander,
Meine OP war 2011 und auch ich habe Probleme in Form von verminderter Belastbarkeit, eingeschränktes Leistungsvermögen, verminderte Konzentration, geteilte Aufmerksamkeit, Schwierigkeiten bei der Alltagsbewältigung, übermäßige Geräuschempfindlichkeit, ich bin unflexibel, kann keinen Stress vertragen, habe Probleme mit sozialen Kontakten, Wesensveränderung, Antriebslosigkeit, schnelle Reizüberflutung, usw. Kurz: hirnorganisches Psychosyndrom infolge der Hirnoperation, die rechts ocipital war, also hinten, mittig zwischen Ohr und hälftigem Hinterkopf.
Ich glaube, die Lage des Tumors spielt gar keine so große Rolle, sondern eher die Operation als solche mit den psychischen Folgen.
Ich habe drei Jahre Ergotherapie gemacht, das hat meine Konzentrationsfähigkeit recht gut verbessert. Wirklich geholfen hat mir der Hund, den ich vor 1,5 Jahren bekommen habe und eine ambulante Psychotherapie mit dem Schlüsselsatz: es ist nicht so, dass Sie all diese Dinge nicht mehr können. Die erworbenen Fähigkeiten sind nicht verschwunden. Sie können sie nur nicht mehr so wie früher. Aber anders! Und dann haben wir Losungsstrategien für bestimmte Dinge entwickelt. Inzwischen arbeite ich wieder in der Pflege. Nicht mehr als Fachkraft im Krankenhaus und Vollzeit, sondern als Helferin stundenweise im Seniorenheim. Ohne Verantwortung und ohne Stress. Seitdem geht es mir gut und ich habe keine Depressionen mehr.
Meinen Alltag bekomme ich immer noch mehr schlecht als recht gebacken und mir darf keiner meinen Tagesplan durcheinander bringen, aber ansonsten geht's. Und ja, ich bin super gerne alleine. Ohne Radio, ohne Menschen, ohne Geräusche. Um Stress abzubauen, brauche ich Spaziergänge und um mich zu erden hilft Gartenarbeit. Alleine, in meinem eigenen Tempo. Darum liebe ich auch die Arbeit im Altenheim, da geben die Bewohner das Tempo vor und das entspricht ziemlich genau meinem.
Gebt nicht auf, seid fürsorglich, liebevoll und geduldig mit euch selbst und nehmt die Gegebenheiten so, wie sie sind denn ändern können wir es ja doch nicht.
Liebe Grüße an alle,
Iris

Fichte

Mir fließen gerade beim Lesen eurer Beiträge die Tränen - vor Erleichterung, nicht alleine damit zu sein, und aus Kummer, weil es einfach weh tut, die eigenen Einschränkungen, die für mich so schwer zu akzeptieren sind, schwarz auf weiß zu lesen.
Meine OP war 2011 im Temporallappen und auch bei mir ist eine deutliche Gliose (Narbenbildung).
Endlich habe ich nicht mehr das Gefühl, alleine damit dazustehen.

Wenn ich eine gute Phase habe, werde ich in den nächsten Tagen einen Beitrag schreiben.

buntespferd

Hallo!

Mir geht es ähnlich wie Fichte. Ich lese die Beiträge und mir kommen die Tränen. Einerseits weil ich endlich eine Bestätigung in meinen eigenen Gedanken (nämlich dass mit mir etwas nicht stimmt) aber auch andererseits weil ich in euren Berichten die Bestätigung finde, das tatsächlich etwas nicht stimmt und es leider keine Einbildung von mir ist. Ich habe so oft das Gefühl, neben mir zu stehen oder etwas nicht auf die Reihe zu bekommen. Oft vergeude ich einfach viel Zeit, ohne dass ich etwas tue. Planänderungen bringen mich zudem total durcheinander. Ich habe das Gefühl, nicht mehr spontan bzw. flexibel reagieren zu können.
Oft sagen mir Bekannte oder Familie, dass ich überreagieren würde. Ich glaube ihnen, merke es nur selbst leider nicht und kann es auch nicht nachvollziehen.

Meine Diagnose im November 2017 lautete: pilocystisches Astrozytom cerebellär mit Kompression des 3. Ventrikels. Es folgten 2 Ops links hinten am Kleinhirn. Es verlief soweit alles gut. Hatte zuerst Einschränkungen (Stimme, Geschichtslähmung, Gleichgewicht). Das hat sich jedoch schnell alles normalisiert. Zum großen Glück!

Fichte

So – jetzt hatte ich ein paar mal eine gute Phase nutzen können und meine Fatigue-Problematik beschrieben:
Das Schlimme ist die Antriebslosigkeit und das geringe Maß an Energie, was mir zur Verfügung steht. Das bin nicht ich – ich war immer voller Energie und Lebensfreude und hatte mental und körperlich sehr viel Ausdauer und Geduld.
Und nun bekomme ich meinen Alltag kaum geregelt…
Ich schildere einfach mal meinen Tagesablauf:
Wenn ich Glück habe, kann ich mit meinem Mann zusammen frühstücken. Wenn nicht, ist es schon anstrengend, wirklich alles auch zu machen: Tee und Müsli zubereiten und möglichst danach auch wieder wegräumen. Oft fällt zum Beispiel der Tee weg – statt dessen ein Glas Wasser – und das Geschirr findet anschließend den Weg in die Geschirrspülmaschine nicht.
Meistens muss mein Mann recht früh zur Arbeit. Dann kann ich leider nur mit aufstehen, falls ich ausgeschlafen bin. Sonst bin ich nach dem Frühstück wieder müde und verschlafe einen Großteil des Vormittags.
Morgens versorge ich meine Tiere – das stellt zum Glück sicher, dass ich auch aufstehe, falls mein Mann schon aus dem Haus ist. Ansonsten wäre es sehr schwer, die Antriebslosigkeit zu bezwingen.
Das Frühstück zieht sich ziemlich in die Länge – ich habe morgens eine lange Anlaufzeit (früher war ich begeisterte Frühaufsteherin mit viel Tatendrang).
Dann kommt meine gute Zeit, die so in der Zeit von 9:00-11:30 liegt. Manchmal fühle ich mich da richtig gesund, habe Lebensfreude und bin motiviert – kann gar nicht glauben, wie eingeschränkt ich bin – fange an, etwas zu machen – und mit viel Glück klappt das sogar auch mal für ein bis zwei Stunden. Aber mit etwas Pech ist schon nach wenigen Minuten Schluss. Schlagartig bin ich kraftlos, meine Arme und Beine sind unendlich schwer, ich kann gar nichts mehr machen, lege eine Pause mit einem kleinen Snack ein. Mit etwas Glück kann ich nach einiger Zeit wieder was machen – dann aber mit Sicherheit wieder nur kurz. Das Ganze wiederholt sich eventuell sogar noch ein weiteres mal.
Dann kommt die Mittagszeit. Wenn ich nichts esse, werde ich besondere planlos. Ich esse möglichst leichte Kost, da ich sonst meist mehrere Stunden nach dem Essen schlafe. Wenn ich alleine koche, kann ich nur sehr einfach kochen (z. B. Rührei). Für mehr fehlt mir der Plan und die Energie. Küche nach dem Essen/Kochen aufräumen geht fast nie. Fast immer brauche ich einen Mittagsschlaf. Ich stelle mir den Wecker so, dass ich ca. eine halbe Stunde schlafe. Meistens kann ich dann aufstehen – manchmal bin ich dafür zu müde und muss weiter schlafen. Ich brauche Tee oder Kaffe, um – nach entsprechender Anlaufzeit - noch mal aktiv werden zu können. Mit diesen Aufputschmitteln muss ich aber sorgsam umgehen, da ich sonst am nächsten Tag merke, dass ich meinem Körper Energie geraubt habe, die nicht zur Verfügung stand. Nachmittags fühl ich mich in der Regel irgendwie – wie soll ich sagen – matschig in der Birne. Abends fühle ich mich zumeist körperlich fit – größere Konzentrationsleistungen sind dann aber nicht mehr möglich.
Hinzu kommt ein – nicht immer, aber zeitweise – beunruhigend schlechtes Kurzzeitgedächtnis. Und eine extreme Geräuschempfindlichkeit – insbesondere bei Geräuschen, die mir im Krankenhaus den Schlaf geraubt haben (Piepsen, Maschinen, die unregelmäßig anspringen und wieder ausgehen etc.). Das geht soweit, dass der Alltag für mich zum Spießroutenlauf werden kann und ich im Extremfall gar nicht mehr denken kann und kopflos die Flucht ergreifen muss (es gibt so durchdringliche Pieptöne, dass selbst Finger in die Ohren stopfen nicht hilft).
Aber: Ich bin sportlich aktiv. Ich brauche einen heftigen Schwung an Koffein als Initialzünder – aber dann bin ich ähnlich ausdauernd und fit, wie in gesunden Zeiten. Voraussetzung ist, dass mein Kopf absolut frei ist und ich mich nicht konzentrieren muss. Muss ich mir zum Beispiel einen Punktestand merken, kann es sein, dass der berüchtigte Schalter sich wieder umlegt und ich – auch körperlich – plötzlich wieder erschöpft bin.
Auch sehr schön ist, dass ich Urlaub mit meinem Mann genießen kann – vorausgesetzt ich strenge mich ausschließlich körperlich an und es gibt keinen Lärm.
Prinzipiell habe ich den Eindruck, dass ich noch alle Fähigkeiten habe, alles zu machen. Das macht es so schwierig, das Fatigue zu akzeptieren. Das Problem ist, dass die Ressourcen so gering und nicht zuverlässig abrufbar sind.
Wenn ich mit Menschen kommuniziere, ist das zwar sehr kräfteraubend für mich. Aber der Schalter legt sich in dieser Zeit nicht um. Die Quittung für diese Anstrengung kriege ich in den Tagen danach – oder wenn ich weit über meine Grenzen gegangen bin – direkt danach und auch die folgenden Tage bis hin zu Wochen bis hin zu dauerhafter Verstärkung der Einschränkungen. In einem solchen Fall bin ich direkt danach ziemlich orientierungslos – und wenn ich mich dann schließlich hingelegt habe, bis hin zur Bewegungsunfähigkeit erschöpft. Selbst ein Gang zur Toilette oder das Jucken an der Nase ist dann nicht mehr möglich.
Mein geliebter Beruf (Unterricht) bereitet mir nach wie vor riesige Freude. Deswegen arbeite ich noch zwei bis drei Stunden im Monat – mehr ist leider nicht mehr möglich. Ich musste über die Jahre immer weiter reduzieren und hoffe sehr, dass mir wenigstens das erhalten bleibt. Nach der OP in 2011 hatte ich versucht, meine Arbeitszeit langsam hochzufahren. Ich war sehr optimistisch – immerhin hatte man mir gesagt, dass alles entfernt ist (Zyste mit Raumforderung im Temporallappen) und die Untersuchung ergeben habe, dass das entfernte Gewebe nicht bösartig war. Man machte mir sogar die Hoffnung, dass meine Epilepsie geheilt sein könnte. Stattdessen habe ich die ersten vier Jahre nach der OP wahnsinnig viel geschlafen – bis zu 20 h am Tag. Ich war andauernd fürchterlich erschöpft. Das Arbeitspensum, das ich geleistet habe, lag weit über meinen Kapazitäten. Aber kein Arzt bremste mich, obwohl ich verzweifelt von meiner starken Erschöpfung berichtete. Ich weitete also langsam meine Arbeit aus – schaffte in einem Monat sogar fast 60 Stunden (insgesamt in dem Monat) – verbrachte aber die restliche Zeit zumeist schlafend im Bett und bekam schließlich Grand Male Anfälle. Ein größerer Urlaub brachte keine Verbesserung. Ein fürchterlicher Kreislauf begann: Ging ich über die Grenze meiner Belastbarkeit, so war die bittere Konsequenz oft, dass diese Grenze weiter sank. Passte ich mein Arbeitspensum weiter an, lag dies trotz Reduktion plötzlich wieder über dieser neuen niedrigeren Grenze und löste eine weitere Verschlechterung aus usw..
Ich habe in den letzten Jahren gelernt und auch akzeptieren gelernt, dass ich nichts erzwingen kann. Sobald gerade etwas geht, nutze ich die Zeit entsprechend. Erzwinge ich etwas, so ist die Konsequenz, dass ich über den Tag deutlich weniger erledigen kann.
Ich habe bei alledem sehr viel Glück: Mein Mann, der mir trotz meiner Veränderungen die Treue hält. Er entlastet mich, wo er nur kann, da er weiß, dass meine Ressourcen arg begrenzt sind und selbst das Aufhängen von Wäsche und das Ausräumen des Geschirrspülers schon meine verfügbare Tagesenergie auffressen können. Das bedeutet, dass er neben einem Vollzeitberuf und 2 h täglichem Pendeln auch noch so weit wie möglich den Haushalt macht. Ich mache mir wirklich Sorgen, da er absolut am Limit agiert. Von der Pflegekasse (Pflegestufe 1) bekommen wir für zwei mal zwei Stunden im Monat eine Haushaltshilfe. Eine weitere Haushaltshilfe einstellen ist für mich schwierig, da ich so gesund aussehe und dann faul wirke, während jemand anderes den Haushalt schmeißt. Zudem ist es für mich sehr anstrengend, jemand um mich herum zu haben, zu koordinieren, was getan werden sollte und gegebenenfalls zu kommunizieren, obwohl ich gerade dringend schlafen müsste, was evtl. gar nicht geht, wenn gerade jemand im Haus ist.
Des weiteren hat mein Mann – ohne mir je ein schlechtes Gefühl zu geben – finanziell alles übernommen, als mein Einkommen mehr und mehr wegbrach. Da ich lange an der Hoffnung festgeklammert habe, wieder (ausreichend) gesund zu werden und die Vorstellung von Berufsunfähigkeit für mich der größte Horror war, habe ich Berufsunfähigkeitsrente erst sehr spät beantragt. Und die Versicherung hat nachdem alle Unterlagen vorlagen noch anderthalb Jahre verstreichen lassen, bevor sie die erste Zahlung geleistet hat.
Aber ich habe eine sehr gute Hilfe für die Versorgung meiner Tiere (was ich früher mit Freude selber gemacht habe). Sie hat selber schon einmal ein Burnout gehabt und hat echtes Verständnis für meine Situation.
Ebenfalls als großes Glück sehe ich es, dass ich Sport treiben kann, Urlaub machen kann und dass ich meine Tiere habe.
Die größte Belastung für mich ist meine Berufsunfähigkeitsversicherung, mit der ich wegen Nachzahlungen vor Gericht bin. Ich war neun Monate nach Vorlage aller Unterlagen begutachtet worden und die Versicherung hat – nach monatelanger weiterer Verzögerung vor dem Leistungsentscheid – den Tag der Begutachtung als Anerkennungszeitpunkt festgelegt. Das, was mir meine Versicherung seit über vier Jahren an Stress bereitet, raubt mir deutlich mehr Energie als ich zur Verfügung habe und war in den letzten Jahren der wesentliche Faktor, der meine Gesundheit weiter zerstört hat. Leider ist nach wie vor kein Ende abzusehen. Die Zahlung im Erfolgsfall kann nicht mal ansatzweise aufwiegen, was mich der Stress gesundheitlich gekostet hat.

Fichte

Uih - lang geworden - hat jemand durchgehalten?

KaSy

Ja. Danke!
Und mir geht es ähnlich.
Ich habe mich in Deinen Beschreibungen immer wieder gefunden.
Ich habe Akzeptanz gelernt und, wenn es gerade geht, sofort etwas zu tun, auch wenn es nur wenige Minuten sind.
Ich habe mir für meinen Beruf, den ich leider aufgeben musste, einen Ersatz gesucht, der mir Spaß macht, wo ich für 2 Stunden pro Woche unter 2-5 klugen Leuten bin, ich aber nicht unbedingt da sein muss.
KaSy

Toffifee

Das ist ja hochinteressant! Diese Luxusprobleme! Teils kann ich sie nicht nachvollziehen, teils finde ich mich total wieder!
@Fran z Hans: Du kannst sehr ausdauernd die Problematik beschreiben. Grammatikalisch korrekt, ausgiebig man könnte meinen da referiert ein Uniprof.
Wie wäre es mit Sportpunkten welche pro Woche abgehakt werden sollten.
Also z.B. 20 Minuten walken oder joggen, laufen oder radfahren oder 40 Minuten und das mehrmals die Woche. Am besten mehrere Möglichkeiten zur Hand haben.
Heute möchte ich eher das tun, dann tue ich halt das. So ist ein fixes Grundgerüst da, ein flexibles Korsett quasi. Verschiedene Leute haben mir angeraten Tagebuch zu schreiben. Ich finde es auch sinnvoll, aber?
Bin ich zu antriebsschwach, zu faul, zu bequem? Ehrlich gesagt, ich weiß es nicht.
@Fichte: Ich glaube der Stress mit der BU raubt Dir/Ihnen viel zu viel Energie; vielleicht einfach Haken dran? Ich weiß es nicht.
Und Unterricht, wie wäre es mit anderer Form, Altersklasse des Unterrichts? Oder eine andere Wochenstundenzahl?
Alles Gute Euch Willi

lunetta

Hallo!

Obwohl ich die OP noch vor mir habe, erkenne ich mich hier an vielen eurer Symptomen wieder, und frage mich wirklich ob ein Hirntumor, egal welcher Art, und die damit verbundenen neuronalen Veränderungen, diese Symptome mit verantworten.

Es wird ja immer wieder von Neurochirurgen verneint, dass Tumore auch psychische Symptome machen, aber ich denke schon, dass man von mensch zu Mensch verschieden ist, und dass manche Mensche eben auch Symptome haben, die zwar nicht direkt mit der Lage des Tumors zu tun haben, oder größenmäßig eigentlich nicht direkt spezielle Symptome machen, aber dass doch Veränderungen im Gesamten, gewisse Symptome erklären könnten.

Ich war immer ein total ausgeglichener, aktiver Mensch, vor nichts Angst, immer und jederzeit einsatzbereit, egal wofür.

Seit ca. 1 Jahr, das genaue Gegenteil - nicht mehr belastbar, Angstsymptomatik, schnell erschöpft, schnelle Reizüberflutung, mag kaum mehr unter Menschen, Gespräche erschöpfen mich, Besuch überfordert mich, Rückzug, und noch vieles mehr.

Das bin doch nicht mehr ich!

Bin neugierig inwiefern sich das nach der OP ändert, oder auch nicht, denn die Veränderung im Gehirn bleibt ja bestehen - vorher Tumor, dann Narbengewebe, Anpassung, etc.

Mein Neurochirurg meint zwar, dass es nichts gibt, was nicht möglich wäre an Symptomen, das Gehirn so komplex wäre, dass man einem Patienten nie das Gefühl geben darf, er bildet sich alles nur ein.

GLG

Deubi

Danke, Lunetta, für deine Feststellung, dass du bereits vor der OP 'Fatigue'-Probleme feststellst.
Das habe ich mir nämlich auch überlegt, dass sich abgeschwächte Symptome schon durch mein ganzes Leben ziehen.
Nach Aussage der Ärzte wächst ein Astrozytom oder Oligodendrogliom ca. 1mm pro Jahr.
Wenn ein 4cm großer Tumor bei mir entfernt wurde, bedeutet es - rein rechnerisch betrachtet - dass ich 40 Jahre damit gelebt habe, also seit meinem Grundschulalter. (In der Zeit wurde ich oft am Kiefer geröntgt.)
Seit über 25 Jahren wurde mir immer mehr bewusst, dass ich mehr Schlaf als alle anderen benötige, eine schlechte Kondition habe (trotz Sport) und zudem noch viel zu müde durch s Leben gegangen bin.
Und mir und anderen ist es auch früher schon aufgefallen, dass ich grobmotorisch sehr ungeschickt war.
Dort saß der Tumor.

Kann noch jemand Ähnliches bestätigen?
LG
Deubi

Fran z Hans

@Toffifee

Danke sehr. Ja, habe mich auch schon etwas intensiver mit der Thematik auseinandergesetzt, so dass ich mittlerweile auch recht gut mit der Fachterminologie und vor allem -theori vertraut bin. Außerdem fällt es mir nicht so schwer mich schriftlich auszudrücken, während ich bei spontanen, mündlichen Interaktionen schon manchmal Schwierigkeiten habe (z.B. Wortfindungsstörungen, Schwierigkeiten gedanklich Abstraktes mit den richtigen Formulierungen zu "verbalisieren"...).

Du hast Recht, Sport tut mir tatsächlich gut. Hatte im Frühjahr und Sommer mal eine Phase, wo ich es geschafft habe mich relativ regelmäßig zum Joggen zu animieren. Will das auch wieder aufnehmen. Außerdem fahre ich relativ viel Fahrrad, allerdings in einer Großstadt, wo auch viele lungengängige Abgase, Feinstaub etc in der Luft schwirrt (vor allem wenn man mit dem Fahrrad durch die Auto und LKW Kolonnen durch muss). Da ist dann Sport auf einem etwas abgelegenen Sportgelände, im Park, Wald oder in einer verkehrsberuhigten Gegend schon besser für die Gesundheit.


@Lunette

Wusste gar nicht, dass Neurochirurgen die Neigung haben psychische Auswirkungen von Hirntumoren zu leugnen? Andererseits musst du auch sehen, dass Neurochirurgen, was solche Fragestellungen angeht, nicht die richtigen Ansprechpartner/innen sind! Die sind Meister darin, wenn es darum geht im hochsensiblen zentralen Nervensystem anspruchsvolle Eingriffe durchzuführen, aber was die neuropsychologischen Zusammenhänge angeht, werden die tatsächlich kaum geschult in Ihrer langjährigen Ausbildung. Die sind eher sehr hoch qualifizierte "Handwerker", weniger Neurowissenschaftler oder Kognitionsforscher.

Ist auch etwas heikel und vielleicht fast ein wenig ein Tabuthema, da Neurochirurgen ja quasi täglich Schädel aufsägen und dann in Gehirnen herumhantieren müssen mit Bohrern, Saugern, Sägen etc. Um das mit halbwegs ruhigen Gewissen (und ruhiger Hand) tun zu können, blendet man wahrscheinlich diese Zusammenhänge auch aus.

Und selbst wenn die Operation komplikationslos und nach Lehrbuch verläuft, ist es ja immer noch so, dass um den Tumor zu entfernen eben am Hirngewebe herumoperiert wird. Im Idealfall natürlich so, dass dort möglichst wenig zusätzliche Schäden durch die Prozedur selbst verursacht werden.

Ansonsten ist aber ziemlich unstrittig, dass Tumore im Gehirn selbstverständlich auch psychische Auswirkungen haben. Einerseits kann das Bewusstsein, dass man eine solche Erkrankung hat natürlich sehr starke Auswirkungen auf das psychische Wohlbefinden haben, aber vor allem (was du wohl meinst) hat der Tumor als Fremdkörper einen störenden Einfluss auf die neurobiologischen Abläufe im Gehirn (Signalübertragung zwischen Neuronen kann gestört sein, der Stoffwechsel und die Neurotransmitter im Gehirn geraten aus dem Gleichgewicht etcetera). Solche Störungen auf neurobiologischer Ebene manifestieren sich dann psychisch darin, dass man z.B. weniger Motivation hat, Schwierigkeiten bei der Planung und Selbstorganisation, dass einem kognitiv komplexe Tätigkeiten - z.B. Gespräche mit Anderen zu führen schwieriger fallen und man auch mehr Ruhe und Regeneration benötigt).

Was ich die empfehlen kann: nach der Operation besonders auf eine möglichst gesunde Ernährung achten: vor allem Zucker / Süßigkeiten eher meiden (verschlimmern entzündliche Prozesse, hin und wieder hochprozentige dunkle Schokolade ist aber gesund), mehr Obst und Gemüse (pflanzliche Sekundärstoffe wie in Beeren entfalten eine entzündungshemmende Wirkung). Auch über eine temporäre Zufuhr von B12 über ein qualitativ hochwertiges Präparat (10 - 15 € für eine 3/4 Jahres Packung) und Omega 3 (glaube auch so in dem Dreh) kann man ernsthaft nachdenken. Für altersbedingte neurodegenerative Erkrankungen gibt es gute Hinweise, dass B12 und Omega 3 hier helfen können, das Fortschreiten zu verlangsamen. Da es sich bei den entzündlichen Prozessen nach Tumorresektion um ähnlich entzündliche Vorgänge handelt wie bei neurodegenerativen Erkrankungen des Alterns, ist die Annahme berechtigt, dass auch hier eine Supplementation hilfreich sein kann.

Außerdem musst du in den ersten Monaten nach der OP leider erstmal sportliche Aktivitäten meiden, da dein Gehirn dann noch zu verletzlich ist. Nach einiger Zeit, wenn alles erstmal abgeheilt ist, könntest du aber über regelmäßigen Ausdauersport (gibt vielleich auch in deiner Nähe offene Jogginggruppen, denen man sich anschließen kann) nachdenken. Drei mal die Woche mehr als 30 Minuten laufen stimuliert den Wachstumsfaktor-BDNF, ein Protein, was die Neubildung von Nervenzellen vorantreibt, die ja besonders wichtig ist nach Schädigungen im Gehirn. Gibt gute Daten dazu aus der Schlaganfall- und Schädel-Hirn-Trauma-Forschung (diese Gebiete sind aufgrund Ihrer Häufigkeit wesentlich besser erforscht), dass regelmäßiger Ausdauersport den Patient/innen langfristig hilft und die Schwere der Symptome reduziert.

Vielleicht kannst du dich auch vorab informieren, ob in deiner Wohnortnähe Programme / Trainings zur kognitiven Rehabilitation angeboten werden. Nach einer solchen Erkrankung können solche Trainings hilfreich sein, damit die "grauen Zellen" gefordert bleiben.

Alles Gute erstmal für die bevorstehende OP!

lunetta

Hallo!

Das hast du ganz wunderbar beschrieben, und danke für alle Tipps - ich werde es so gut es dann eben geht beherzigen!
Danke und und alles Liebe! GLG

KaSy

Danke, Fran z Hans!

Die Aussage zu den ersten "Monaten" ohne Sport würde ich gern ändern.

Nach einer Hirntumor-OP wird man (meist) im Krankenhaus nach Absprache mit den Ärzten durch Physiotherapeuten bereits langsam-moderat in Bewegung versetzt. Dann darf man allein durch die Flure oder draußen laufen.

Anschlussheilbehandlungen (AHB) beginnen innerhalb von zwei Wochen nach der Entlassung aus dem Krankenhaus. Das kann bereits drei Wochen nach der OP sein.

Dort beginnt recht rasch auch die physische, an den Zustand des Patienten angepasste, fordernde Mobilisierung mit verschiedenen Sportmöglichkeiten an Geräten, mit freiem Training innen, Schwimmen, sportlichen Außerhausaktivitäten, Radfahren, ...
Das alles läuft so lange unter Kontrolle, bis sich die Sporttherapeuten sicher sind, dass man den Patienten auch allein trainieren lassen kann und kaum noch oder nicht mehr auf ihn schauen muss.

Es geht in der Rehabilitation darum, den Patienten die verständliche Angst vor Sport zu nehmen, die Befürchtung, etwas im Kopf kaputt zu machen.

Zusätzlich wird man mit anderen Sportarten bekannt gemacht, die man vielleicht zu Hause auch ausüben kann.
(Extremsportarten sind natürlich nicht dabei.)

Ich habe das in jeder meiner AHBs (in drei verschiedenen Rehakliniken) so erlebt.
Es war sehr anspruchsvoll bis anstrengend.

Aber zu Hause merkte ich dann, dass das eine sehr gute Vorbereitung auf den normalen Alltag mit Essen zubereiten, Tisch decken und abräumen, Einkaufen, alles mit den Kindern, Haushalt, Garten usw. war. Und da war noch keine berufliche Tätigkeit dabei.

Also, wenn möglich: Keine Angst vor aktiver Bewegung, vor Sport.

KaSy

Toffifee

Bezüglich Sport kann ich mich nur KaSy voll anschließen.
Habe auch ein super Buch gelesen Sandra Otto: Mein Lauf ins Leben. Habe es auch als Buchtipp ins Forum gestellt dann gab es aber Fragen dazu weil die Frau einen anderen Krebs hat, ein Beitrag von mir erschien doppelt anstatt korrigiert, ich bat um Löschung der Doppelung und schwupps war alles gelöscht.
Morgen sind wir bei meinem Neurologen (meine Frau begleitet mich). Da sollte ich dann ein neues Rezept für das Gedächtnistraining erhalten: Verordnung außerhalb des Regelfalls mit Begründung. Hoffentlich klappt es. WENN es beim Gedächtnistraining weitergeht kämen neue Sachen auf mich zu z.B. Richtung Life Kinetik. Das hatten wir schon zwei mal und da haperte es ziemlich. Also da besteht wohl noch erhebliches Verbesserungspotential.
GlG Willi

KaSy

Hallo,
eine "Verordnung außerhalb des Regelfalls mit Begründung" erhalte ich seit drei Jahren immer wieder in Folge für die Ergotherapie.

Meine Ergotherapeutin, die zu mir nach Hause kommt, kontrolliert das, was auf der Verordnung (VO) steht, ganz akribisch, damit sie bei der Abrechnung bei den Krankenkassen (ihrer verschiedenen Patienten) ihr Geld auch bekommt.

Ich kannte diese Art der VO zuvor gar nicht, aber ich könnte mir vorstellen, dass das für die verschiedensten ambulanten "Maßnahmen" möglich ist.

Bei mir ging es zunächst um die Beweglichkeit der Hand und des Armes, gleichzeitig um die Verbesserung kognitiver Leistungen und um die Stabilisierung meiner Psyche bzw. Akzeptanz der Fatigue-bedingten Einschränkungen.

Die letztgenannten Probleme bestehen dauerhaft, so dass diese VO weiterhin aufgeschrieben werden. Bei mir (und ihren anderen Patienten) tut das der Hausarzt.

Im "Budget" des Hausarztes (oder anderen Arztes) taucht das nach den ersten VO gar nicht mehr auf. Man kann also um eine solche VO bitten! Die Ergotherapeuten müssen sich (leider mit viel Mühe) selbst um ihr Geld kümmern.

Ich schreibe das, weil vielleicht irgendwem hier diese hilfreiche Möglichkeit auch nicht bekannt ist.
KaSy

Fran z Hans

Vielen Dank für den Hinweis mit der "Verordnung außerhalb des Regelfalls".

Übrigens, ich habe kürzlich darüber gelesen, dass eine Ergänzung mit Vitamin B12 und Omega 3 sich auch positiv auf die kognitive Rehabilitation nach jeglicher Art von Einwirkung auf das Gehirn auswirkt, B12 hilft unter Anderem bei der Remyelination und ist auch bei Gesunden für die normal kognitive Funktionstüchtigkeit unabdingbar, da bei anhaltendem B12 Mangel mit der Zeit Schäden im Nervensystem entstehen.

Falls Ihr auch so gerne wissenschaftliche Fachartikel lest, hier der Link:
https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC6491933/

TumorP

Hallo Franz Z,
am besten vom Hausarzt mal den Vitamin B Spiegel durch eine Blutuntersuchung usw. überprüfen lassen. Einfach so Tabletten nehmen ist nicht die Beste Lösung.
Viele Grüße

Fran z Hans

Hallo TumorP,

stimme dir prinzipiell zu. Am besten mal einen Bluttest beim Arzt machen lassen und schauen ob die Werte im niedrigen Bereich liegen und eine Supplementierung sinnvoll erscheint. Einige der handelsüblichen Präparate enthalten auch bedenkliche Zusatzstoffe (gerade die sehr günstigen Produkte aus dem Discounter und Drogeriemärkten), andere (die "besseren" und teureren Präparate) sind relativ hoch dosiert 1000 μg, was sich längerfristig auch problematisch auswirken könnte.

Dennoch wollte ich nur erwähnt haben, dass es sich möglicherweise lohnt, gerade nach Hirnschädigung, die B12 und Omega 3 Supplementierung in Betracht zu ziehen, weil es eben Hinweise darauf gibt, dass beide die Neurogenese fördern, etwa die Remyelination und die Produktion von BDNF. Im Idealfall hat man einen Arzt, der mit dem aktuellen Forschungsstand vertraut ist und eine Expertise besitzt, was die Supplementierung angeht.


[ergänzt, korrigiert]

Toffifee

@KaSy Das gibt Hoffnung, dass ich auch noch ein bisschen Gedächtnistraining machen kann.
Es war ein recht informatives Gespräch, dazu auch ein neues Leva-Rezept falls es später Engpässe geben sollte. Dazu begründete sich auch die relativ lange Erst-OP Dauer. Eigentlich war mir teilweise nicht so recht bewusst, wo ich da alles durchgeschlittert bin. Unter Umständen leide ich noch unter Polyneuropathie meinen meine Hausärtzin, der Neurologe sowie Netdoktor.de (ich soll zum Hausarzt!).
Also Kribbeln, und leichte Taubheitsgefühle ab November letzten Jahres an den Händen und Zehen mehrmals pro Woche und teils morgens und abends.(Seit Nov 2018 nehme ich Levetiracetam). Seit dem Frühjahr sind die Finger nicht mehr betroffen und der linke Fuß ist auch kaum mehr betroffen. Durchblutung ok, kein Zucker (doppelt getestet),
Alkohol trinke ich gern aber moderat, sicherheitshalber habe ich auch zweimal für eine ganze Woche nichts getrunken. Der B12 Wert ist voll im grünen Bereich.
Ok the next days I will read the article about B12!!! Ob das was bringt?
Liebe Grüße an alle Willi

Toffifee

@Lunetta zu dem Beitrag vom 20.9 dass die NCs psychische Symptome bestreiten. Der Neurologe gestern meinte recht eindeutig dass Leute mit Frontalhirn"problemen" (mir kam wegen einem Pilz ein Teil des Stirnknochens abhanden) Schwierigkeiten mit fremden Meinungen hätten und zu schnell auf Konfrontation schalten. Eigentlich als Widder hielt ich mich auch früher nicht allzu sehr zurück.
GlG Willi

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