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Sira

Hallo an alle,

ich schreibe hier als Angehöriger zum ersten Mal. Mich würde interessiert, ob ihr Erfahrungen im Umgang mit Geräuschsensibilität habt. Meine Mutter ist seit ihrer OP sehr empfindlich auf Straßenverkehrgeräusche und teils auch auf andere. Wir haben es jetzt schon mit Ohrstöpseln versucht, habt ihr noch andere Empfehlungen.
Seit ihrer OP ist sie auch sehr verändert im Umgang mit Ihrem Mann, es ist manchmal sehr schwer damit umzugehen und es nicht persönlich zu nehmen.
Sie teilt sehr viele Beschuldigungen aus das ihre Sachen/Dinge verlegt werden, umgeordnet werden, ohne das sie es getan hat. Was allerdings nicht stimmt. Habt ihr da eine Strategie, wie man sich da besser verhalten kann?
Danke euch

Toffifee

Hallo Sira,

da habe ich zweimal neu begonnen zu schreiben.
Ja die Empfindlichkeit auf Geräusche ist schlimmer geworden. Z. B. hat mich früher eine Uhr im Wohnzimmer gar nicht gestört. Wir haben sie im Flur an die Wand gehängt (also vier Meter weiter) und sie störte mich immer noch, nun haben wir sie ganz abgehängt.

Zum veränderten Umgang mit dem Mann (und wohl auch mit anderen):
So eine Hirnoperation kommt völlig ungefragt. Danach fragt man sich:
Habe ich was falsch gemacht, und was? Warum trifft mich sowas?
Wenn man versucht das zu verarbeiten kann es durchaus sein dass man zu anderen etwas ungehalten / ungerecht ist oder verstörend erscheint.
Dazu kann auch das Kurzzeitgedächtnis betroffen sein. Ich gehe seit zweieinhalb Jahren zum Gedächtnistraining, es könnte noch immer besser sein. Das Gedächtnistraining mache ich bei einer Ergotherapeutin mit Zusatzausbildung.
Fragt den Neurologen (Hausarzt) nach Hilfsangeboten vor Ort.

Alles Gute
Toffifee

Mummel

Hallo Sira
Auch ich bin seit der OP geräuschempfindlich,mal mehr mal weniger. Mein Kurzzeitgedächtnis könnte auch besser sein aber es hat gedauert bis ich mit Strategien erarbeitet hatte damit umzugehen...es ist sehr viel was da bei einer solchen Diagnose auf einen einstürmt...habt Geduld und Nachsicht mit ihr.
PS,ich hab damals auch Medizin mit Neurologen zusammen umgestellt da ich mit deren Einnahme gereizt war...hat mir geholfen. Holt euch Hilfe von außen.
Liebe Grüße

KaSy

Hallo Sira,
Bei einer bestimmten Lage des Meningeoms im Gehirn kann es bereits vor der OP, aber auf jeden Fall nach der OP zu Wesensveränderungen kommen.

Hirnregionen, die die Persönlichkeitsstruktur bestimmen, befinden sich (meist?) im vorderen Hirnbereich, also etwa hinter der Stirn, im vorderen Oberkopf.

Zur Persönlichkeitsstruktur gehören auch solchen Fähigkeiten wie Orientierung, Aufmerksamkeit, Antrieb, Sprache, Kommunikation, Kurz- und Langzeitgedächtnis, Wahrnehmung, Reaktion, Planen, zielgerichtetes Handeln und - bei Deiner Mutter wohl besonders - die Einsicht und die Stimmungslage.

Bei manchen Patienten ändert sich ihr Wesen von einem dominanten und mitunter aggressiven Verhalten zu einem ruhigen, einsichtigen Wesen, bei Deiner Mutter scheint es leider umgekehrt zu sein.

Sie ist vorwurfsvoll, beleidigend, uneinsichtig, mitunter aggressiv geworden. Für ihren Mann und ihre Familie ist das sehr schwer zu ertragen, weil keiner sie bisher so kannte und es für all diese Reaktionen keinen Anlass gibt.

Die Ursache ist der Tumor und seine Entfernung!

Das dürft Ihr nie vergessen!

Ich denke, dass sie psychotherapeutisch langfristig betreut werden muss.

Da es meist nicht schnell geht, selbst einen Psychotherapeuten zu finden, der sich gut auf Deine Mutter einstellen kann und sie ihn auch akzeptiert, wäre die Hilfe durch den Hausarzt und die Krankenkasse (und evtl. einen Neurologen) der erste Schritt.

Das Problem kann sein, dass Deine Mutter keine solche Therapie möchte, weil sie es nicht einsieht, nicht einsehen kann (!), dass sie diese Unterstützung braucht.
Dann dürft Ihr sie keinesfalls dazu zwingen.
Ein Arzt als "fremde Person" könnte ihr das vielleicht anders und erfolgreicher vermitteln.


Wie geht man mit Eurer so veränderten Mutter, die immer noch Eure liebe Mutti und Ehefrau ist, um?

Versucht, alle Äußerungen zu ignorieren, die aus Eurer Sicht grundlos vorwurfsvoll, uneinsichtig oder aggressiv sind.
Auch wenn sie Sachen nicht findet, geht darüber hinweg, holt sie oder zeigt sie ihr, wenn sie darauf besteht.
Reagiert immer ruhig, rücksichtsvoll und vergesst nie, dass dieses Verhalten vom Tumor erzeugt wurde.

Sie kann nichts dafür.
Sie hat keine Schuld!

Solange sie "nur" mit Worten so anders reagiert, ist es schwer genug, es auszuhalten, aber es ist möglich. Vielleicht muss man sich manchmal der Situation entziehen, indem man das Zimmer verlässt oder die Wohnung.
Das sollte man ohne schlechtes Gewissen wirklich tun und sich woanders, allein oder bei Freunden aussprechen und sich dadurch abreagieren.
Woanders seinen eigenen Interessen mit anderen Menschen nachgehen ist ganz wichtig, ob Sport, Chor, Werkstatt oder etwas Neues beginnen.

Gute Bekannte sollten gebeten werden, sich ( falls es nötig ist), sich für einige Zeit bei ihr aufzuhalten, damit man selbst "raus kann".
Und zwar nicht erst im "Ernstfall", sondern so als Regelmäßigkeit, damit sie sich darauf einstellen kann.

Versucht, einen ganz normalen Tagesablauf einzuhalten, ihr schöne Dinge hinzustellen und mitzubringen, nette Sachen zu sagen, sie oft zu loben und ihr für die kleinste Kleinigkeit zu danken.

Schwierig würde es werden, wenn sie körperlich aggressiv reagiert.
Dann muss man es ihr sagen, dass sie gerade unangemessen agiert. Denn es kann eine Gefahr für alle, auch für sie selbst, daraus entstehen.


War sie eigentlich in einer Rehaklinik?
Gerade diese Wesensveränderung ist ein ganz wichtiger Grund, sie in einer (unbedingt!) psychosomatischen Reha "auf den Weg zu bringen", psychotherapeutische Hilfen in den verschiedensten Varianten kennenzulernen, auszuwählen und sie zu akzeptieren.

(Ich selbst habe damit äußerst gute Erfahrungen gemacht, benötige aber tatsächlich dauerhafte psychische Unterstützung, 1-2mal wöchentlich.)

Eine solche Reha kann über den Hausarzt oder einen Facharzt beantragt und begründet werden. Dort können auch die Angehörigen "Hilfe zur Selbsthilfe" erhalten.

Schaut auch in Eurer Umgebung, ob es Hilfsangebote gibt, z.B. Selbsthilfegruppen für psychisch Erkrankte, für Hirntumorbetroffene, evtl. für Demenz. Dort können auch immer Angehörige teilnehmen.

Ihr könnt auch die DHH kontaktieren. (Kontaktdaten: www.hirntumorhilfe.de)

(Diese erhöhte Geräuschempfindlichkeit kenne ich auch. Mitunter denke ich draußen, es geht jemand hinter mir, dabei höre ich mich selbst. Ich könnte mir vorstellen, dass sie sich daran gewöhnen könnte.)

Ich wünsche Euch enorm viel Kraft für den Umgang mit Eurer veränderten, aber immer noch Eurer lieben Mutti und Ehefrau!

KaSy

der Meister

Hallo Sira,
auch ich bin geräuschempfindlich und vergese gerne und frage mich oft, was ich eigentlich wollte ...
Ungeduld ist mein 2. Vorname und die Konzentration fällt mir schwer.
Geruchs- und Geschmacksinne sind auch dahin.
Du bist da nicht alleine.

Gruß Klaus

Sira

Ich danke euch allen für die Antworten.

Wir sind uns schon bewusst, dass das die Ergebnisse der OP sind und meine Mutter nichts dafür kann.
Gerade für meinen Vater ist es schwer, mit den täglichen Herausforderungen umzugehen und nicht zu verzweifeln (beide sind schon über 80 Jahre).
Mal sehen, wir sind demnächst beim Neurologen bestellt und ob er uns irgendwie unterstützen kann.

Danke nochmal an euch alle.
LG Sira

Kopf hoch

Liebe Sira,

als Patient ist es mir zunächst wichtig, zu sagen: Deine Mutter meint das nicht persönlich oder sogar böse! Mir ist klar, dass es manchmal schwer ist, es "auszuhalten".

Allgemein kann ich aus eigener Erfahrung berichten, durch die OP und Therapie verändert sich soviel! Je nach Lage des Hirntumors und Umfang der Schädigung bracht man von heute auf morgen Hilfe beim Wasch, Anziehen, Essen, das Gleichgewicht ist geschädigt, man kann sich nicht mehr richtig konzentrieren etc. Das bis dahin gewohnte Leben existiert einfach nicht mehr. Das macht unzufrieden. Bei mir hat es lange gedauert, bis ich die tumorbedingte Hirnschädigung und ihre Folgen akzeptieren konnte! Auf dem Weg dorthin, habe ich immer wieder anderen Menschen für meine Vergesslichkeit etc. die Schuld gegeben. Es ist ja soviel leichter, wenn ein Anderer schuld ist.

Auf meine Unzufriedenheit habe ich in einer -auch für mich - ungewohnten Art und Weise reagiert. Solche Verhaltensmuster habe ich auch bei anderen Patienten beobachtet. Es ist das eigene Überfordert sein und der Unmut mit der veränderten Situation. Es hat nichts mit Euch zu tun!


Schon früh waren wir im Kontakt mit einem Psychoonkologen und später mit einer Neuropsychologin. Das hat meiner Familie und mir sehr geholfen!


Als positiv denkender Mensch habe ich schnell erkannt, dass es toll ist, was noch alles geht! Vielleicht ist das auch eine Strategie für Deine Mutter, um zur größerer Zufriedenheit und damit Gelassenheit zurück zu kehren! Zeigt ihr wie schön die Welt noch ist!

Es klingt so leicht, aber bitte einfach nichts persönlich nehmen. Sondern ihr mit Gelassenheit und mit Zuversicht begegnen.

Alles Gute und
Kopf hoch

Efeu

Liebe Sira,

ich bin auch extrem schreckhaft geworden, je nach Gesamtverfassung variiert das.
Wesensveränderung, grosses Ja.
Ich finde es wichtig, dass das auch angesprochen wird, ich will wissen, wie ich auf andere Menschen wirke, manche Veränderungen bemerke ich nicht, will aber niemanden kränken oder verletzen, auch nicht unbeabsichtigt.
Da ich mehrfach stark behindert bin, mehrere Krankheiten hinzugekommen sind und ich Schmerzpatientin bin, bin ich manchmal wortwörtlich unausstehlich.
Ich verzieh mich dann lieber, auch weil mir Einsamkeit, Alleinesein gut tut. Aber auch, um z.B. meinem Mann das Leben nicht noch schwerer zu machen.

Ich denke, deine Mutter muss einen Weg finden, ihre Krankheit, mit allen Folgen, akzeptieren zu lernen, wie Kopf hoch sagt, eine Strategie finden. Eine Strategie mit sich selber.
Mir hat eine Psychotherapie viel geholfen, diesen Berg abzutragen. Ich war mir selbst auf einmal so fremd, das war schwer auszuhalten.

Ich würde dir raten, sprecht deine Mutter in einem guten Moment an, sie merkt es ja auch, nur ist sie hilflos mit sich selber. Sie möchte euch sicher nicht weh tun.

Evt tut euch auch eine gemeinsame Therapie, oder teilweise gemeinsame Gespräche gut?
Und du? Was ist mit Unterstützung für dich, jemand, der für dich da ist, der dich begleitet darin, deinen! Weg zu finden?

LG
Efeu

LG
Efeu

Fran z Hans

Hallo Sira,

wahrscheinlich muss ich dir das nicht sagen, aber deine Mutter ist im Prinzip von Ihrer neurobiologischen Verfassung her in einem ähnlichen Zustand, wie Menschen, die an hirnorganischen Erkrankungen wie Demenz oder Multiple Sklerosis leiden.

Klar, das sind im Detail unterschiedliche Krankheitsbilder, aber allen ist gemein, dass die normalen neurobiologischen Abläufe im Gehirn gestört sind und sich dies im veränderten Verhalten, Denken und Erleben der Betroffenen äußert.

Der Betroffene selbst hat keine Wahl, denn der krankhafte Zustand besteht nun mal und ist auch nicht durch Willenskraft zu überwinden (genausowenig wie ein Querschnittsgelähmter allein aus Willenskraft wieder normal laufen kann, von absoluten Ausnahmen, wo durch viel Willen und Training einige Fortschritte erreicht wurden, mal abgesehen). Die geistige Flexibilität ist nach einer solchen hirnorganischen Beeiträchtigung womöglich stark minimiert. Ihr hingegen, als kognitiv (hoffentlich) normal funktionsfähige Menschen, habt aber zumindest die geistige Fähigkeit das Verhalten der erkrankten Person richtig einzuordnen und damit souverän umzugehen. Wenn man dies, trotz der Unannehmlichkeiten, die damit einhergehen, im Hinterkopf behalten kann und nicht in Kategorien wie "Schuld" und "böse Persönlichkeit" über die Kranke Person denkt, dann lässt sich die Situation eventuell ein wenig leichter handhaben.

Übrigens heißt das auch nicht, dass Ihr euch jedes "Fehlverhalten" gefallen lassen müsst: mitunter könnte es auch sinnvoll sein, wenn Ihr deiner Mutter spiegelt, wenn sie womöglich den Bogen überspannt (jedoch ohne persönliche Vorwürfe). Dies aber nur dann, wenn ein Rest Einsichtsvermögen noch vorhanden ist (wie gesagt: die geistige Flexibilität ist reduziert, das bedeutet nicht, dass überhaupt keine geistige Flexibilität mehr vorhanden ist). So kann es sinnvoll sein in einem durchaus ernsten, aber dennoch respektvollen und akzeptierenden, nicht bedrohlichen Tonfall zu sagen: "Stopp, Mutti. Das geht jetzt aber zu weit."

Was die Geräusch angeht: es gibt auch schallisolierende (Noise-Cancelling) Kopfhörer. Je nachdem ob deine Mutter diese tragen kann und bereit ist zu tragen, wäre dies zumindest in manchen Situationen womöglich eine Lösung. Ansonsten eventuell die Fenster mit zusätzlicher Schallschutzdämmung abkleben? Das kann die Geräuschkulisse um einige Dezibels reduzieren.

Songoku

Hi,


bin seit den ganzen op s und therapien auch sehr geräusch und geruchsemfindlich, habe manchmal das Gefühl ich höre und rieche besser als normale Menschen.
Auch meine betroffene Hemisphäre ist wesentlich sensibler als die andere was schmerzen und andere Reize angeht.

im Endeffekt ist das ja irwie ein tuning der Sinne und ich sehs so ein bischen wie eine Superkraft an

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