Hallo Zusammen,
als „Neuling“ möchte ich mich kurz vorstellen.
Ich bin 50 Jahre alt, geschieden und Vater von 3 tollen Kindern. Vor knapp 1,5 Jahren hatte mein Single-Leben ein Ende und ich bin nun sehr glücklich mit einer lieben Frau zusammen. Ich verdiene mein Geld in einem sehr technischen Beruf und bin ehrenamtlich als Hospizbegleiter für einen Kinder- und Jugendhospizdienst tätig. Es kommt jedoch auch vor, dass ich erwachsene Menschen begleiten darf. Da ich meine Schweigepflicht im Zusammenhang mit dieser Tätigkeit sehr ernst nehme, möchte ich meinen richtigen Namen nicht nennen. Ich will vermeiden, dass man Rückschlüsse auf Personen ziehen kann, die ich begleite. Ich hoffe mal, dass Ihr dafür Verständnis habt.
Ich selbst habe persönliche Erfahrungen mit sehr kranken Familienmitgliedern machen müssen. Meine Mutter starb im Alter von 43 Jahren an MS, mein Vater hat eine seltene Form von Leberkrebs leider nicht besiegen können. Vor 2 Jahren habe ich meinen Schwager verloren, der nach 12-jährigem Kampf an den Begleit-/Folgeerkrankungen von Prostatakrebs gestorben ist.
Nun, was treibt mich hier in dieses Forum? Ich begleite zurzeit einen Mann, der an einem Glioblastom erkrankt ist. Um selbst einen kleinen Einblick in diese Erkrankung zu bekommen, habe ich mich im Internet informiert und bin so auch auf dieses Forum gestoßen. Ich finde es wirklich großartig, wie nett und einfühlsam hier über ein doch ziemlich belastendes Thema gesprochen wird.
Vielleicht kann ich mich ja auch ein bisschen einbringen, indem ich als nicht direkt Betroffener über Erfahrungen mit schwer erkrankten Menschen berichte. Falls das hier nicht erwünscht ist, oder ich Jemandem zu nahe treten sollte, dann würde ich das ohne Wenn-und-Aber respektieren und mich weiterer Beiträge enthalten.
Ich möchte einfach den einen oder anderen Denkanstoß geben, der einem Betroffenen vielleicht in so einer belastenden Ausnahmesituation wie der eigenen Erkrankung oder der Erkrankung eines geliebten Angehörigen nicht in den Sinn kommt.
Ich bin sicher, dass jeder von uns folgende Gedanken kennt: Was kann man jetzt noch tun? Gibt es vielleicht Therapieansätze in anderen Kliniken oder sogar im Ausland? Sind wir bei den behandelnden Ärzten gut aufgehoben? Ist irgendetwas noch nicht in Erwägung gezogen worden? Ist das Medikament XY nicht doch besser geeignet, um Heilung zu erzielen oder zumindest das Leben zu verlängern und lebenswerter zu machen? Kann ich offen über meine Ängste sprechen, oder ist es nicht ratsam, gerade jetzt Stärke zu zeigen? Was passiert, wenn das alles schief geht? Was kann ich denn nur tun, um eine Hilfe zu sein?
Also, ich kenne diese Gedanken wirklich nur allzu gut. Es gibt in dieser Situation nichts Wichtigeres als Hoffnung, Zuversicht und Kampfeswille.
Ich bin jedoch sicher, dass eine Sache häufig unbewusst vernachlässigt wird: Es geht nicht ausschließlich nur darum, dem Leben mehr Tage zu verschaffen.
Ich glaube, dass man einen Teil seiner Energie auch dafür verwenden sollte, die Tage mit mehr Leben zu füllen. Zwischen all den Medikamentenschachteln, schwer- bis unverständlichen Arztberichten, der oft befremdlichen High-Tech Medizin und dieser lähmenden Hilflosigkeit ist es bei einer niederschmetternden Diagnose auch wichtig noch an DAS LEBEN zu denken. Dinge, die man
„schon immer mal“ machen wollte auch zu tun. Gespräche, die man immer aufgeschoben hat, zu führen. Und wenn man spürt, dass die eigene Belastungsgrenze in greifbare Nähe rückt: Hilfe in Anspruch nehmen! Niemandem ist damit geholfen, wenn man durch Selbstüberschätzung an der immensen Belastung zerbricht. Dieses Forum ist ein gutes Beispiel für wohltuende Hilfe. Man ist unter Gleichgesinnten und fühlt sich verstanden. Man kann in der „Anonymität“ über Ängste, Bedenken und eigene Schwächen reden. In diesem Zusammenhang möchte ich auch gerne etwas über Hospizdienste sagen. Für mich war früher ein Hospiz eine Einrichtung, in denen Schwerkranke um 5 vor 12 eigeliefert werden, um dort zu sterben. Das ist falsch bzw. nur teilweise richtig. Es gibt auch das Angebot der Hospizdienste, den Betroffenen Kranken oder deren Angehörigen ambulant –zu Hause – zu helfen. Diese Hilfe kann sich auch durchaus über Jahre erstrecken. Es geht darum, den Betroffenen individuell und auf die jeweiligen Bedürfnisse und Wünsche abgestimmt zu helfen. Das können sehr vertrauensvolle Gespräche sein, Unterstützung bei Arztgängen, Hilfe beim Einkauf oder auch die Anwesenheit bei den Erkrankten, um den Angehörigen mal eine Auszeit beim Frisör, in der Sauna oder bei einem Kinobesuch zu ermöglichen.
Das Ganze ist völlig unbürokratisch, schnell und kostenfrei. Vielleicht wusstet ihr das ja noch nicht und behaltet diese Möglichkeit einfach mal im Hinterkopf.
Da ich nicht täglich im Internet unterwegs bin, kann meine Antwort auf eventuelle Fragen vielleicht mal etwas dauern. Sorry.
Ich wünsche Euch von ganzem Herzen Zuversicht, Hoffnung und die Stärke, auch mal Schwäche zuzulassen.
Beste Grüße,
Wingman