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jojonas

Hallo,
mein Leben bekam im Februar 2010 eine plötzliche ungewollte Wendung.
Ich war 46 und wir kamen gerade aus dem Winterurlaub. Schon im Urlaub fühlte ich mich schlecht - ich hatte starke Kopfschmerzen -dieses Gefühl war neu für mich, ich war in den letzten zwanzig Jahren nicht einen einzigen Tag krank.
Ok, dachte ich - da ist es jetzt - das Burnoutsyndrom. Ich suchte einen Hausarzt und erhielt Paracetamol. Als nach einer Woche Ausfallerscheinungen hinzukamen, ging ich in die Notaufnahme eines Krankenhauses.
Dort gab es ein CT und die Auskunft: "Sie haben eine Raumforderung im Kopf" - einen Tumor, ein Tag später dann genauer: "Zwei Glioblastome (3cm und 4cm), rechts temporal - mesial bis an den Hirnstamm, vielleicht operabel.
Unter der Wirkung einer (Cortison?) Infusion nahm ich alles nur gedämpft wahr - die Diagnose und die Prognose (im günstigen Fall - wenn operierbar noch zwei Jahre, wenn nicht - vier Monate Restlebenszeit).
Ein paar Tage später die erste OP mit bildgebenden Verfahren und 5-ALA, soweit möglich - bis an den Hirnstamm heran, bis der Herzschlag aussetzte - ein Rest des Tumors verblieb im Kopf.
Danach folgte eine Temodal-Radio-Therapie nach Stupp-Schema.
Nach drei Monaten und dem ersten Kontroll-MRT schrieb ich eine Mail an den Neurochirugen und bedankte mich für die gute Arbeit, denn der Resttumor verhielt sich unauffällig, die Ausfallerscheinungen hielten sich in Grenzen (kleinere Gleichgewichtsstörungen).
Der Chirug (Bergmann-Klinikum Potsdam) antwortete sofort und lud mich zu einer Konsultation ein. Ihm war aufgefallen, dass sich der Resttumor ein wenig verkleinert und somit vom Hirnstamm entfernt hat, so dass die Chance auf eine vielleicht vollständige Resektion gegegeben sei. Also ließ ich mich auf eine zweite OP ein und das erfolgreich.
Bereits vier Tage nach der OP war ich wieder zu Hause. Seitdem sind die Ergebnisse der letzten MRT immer gleich: Ein unveränderter liquorgefüllter Substanzdefekt (Loch im Hirn) und ein winziges Resonanzsignal (wahrscheinlich eine Narbe).

Die Temodaltherapie habe ich ein halbes Jahr nach der zweiten OP auf eigenen Wunsch abgebrochen. Ich hatte bei zwei Ärzten nachgefragt (Onkologie Potsdam und Charite Berlin) und erhielt die Empfehlung, Temodal immer weiter zu nehmen - bis zum Rezidiv.
Ich wollte aber lieber mit dem Risiko leben als mit den Nebenwirkungen. Obwohl ich auch unter Temodal wieder arbeiten ging - das war enorm wichtig für mich - die Gedanken drehten sich wenigstens tagsüber nicht immer um das Ding im Kopf.

Ich habe mich auch hinsichtlich alternativer Heilverfahren beraten lassen - aber die ratlosen Gesichter der Heilpraktiker angesichts der Diagnose waren nicht gerade hilfreich.
Nun - ich habe mal Physik studiert und brauche wenigstens den Ansatz einer wissenschaftlichen Erklärung.
Bei der Nahrung war mir das eingängiger.
Ich habe meine Ernährung vollständig umgestellt (kein Zucker, Zutaten mit geringem glykämischen Index, selten Fleich - mehr Fisch, viel Gemüse). Dies hat sich in jedem Fall postiv auf meinen physischen Zustand ausgewirkt - und wirkt offensichtlich entzündungshemmend (dies konnte ich an meiner Haut beobachten).
Regelmäßige Bewegung (Fahrrad zur Arbeit)
Hatha - Yoga - hätte ich nie gedacht, dass ich das mal mache - hilft gegen Rückenschmerzen und beim Aufbau des Gleichgewichtssinns.
Yoga - Nidra zur Meditation gegen die Angst, die ab und zu wieder kommt.
und LEBEN - LEBEN - LEBEN. Jeder Tag ist ein Geschenk. Das ist mir bewusst - so bewusst wie nie vorher.
Der Tumor hat mir am Ende auch etwas gegeben. Ich bin deutlich gelassener, die Schwerpunkte in meinem Leben haben sich verlagert.
Ich habe überraschende Empathie erlebt - Freundschaften wurden stärker - meine Ehe ist gesundet. Und - ich habe keine Angst mehr vor dem Sterben. Ich weiß jetzt, dass es wirksame Medikamente gegen Schmerzen gibt, die auch beim Loslassen helfen.
Das Problem hat nicht der Gestorbene - sondern die, die mit dem Tod des Freundes, Partners oder (am schlimmesten) mit dem Tod des Kindes weiterleben müssen. Deshalb sollte man rechtzeitig alles organisieren, dass diese Belastungen für die Lebenden etwas verringert.

Und die Hoffnung nie begraben - dabei aber realistisch bleiben.
Werft eure Zeit nicht weg, jeder Tag zählt - denkt nicht daran, was ihr verpassen könntet, sondern erfreut euch an dem, was ist.

ehemann und vater

Danke für den tollen bericht, hab ich gerade für meine Frau ausgedruckt,
wünsche dir alles gute weiterhin..



Ralf (und die unwissende Iris)

Harry Bo

Hallo Jonas,

vielen Dank für Deine Schilderung. Ich bin immer begierig solche Erfahrungen anderer Betroffener zu hören um vielleicht daraus zu lernen.
Ausserdem erkenne ich mich in manchen Gedankengängen wieder.

Ich finde es prima, wie Du die Sache bisher durchgezogen hast und wünsche Dir noch viele weitere Jahre in guter Verfassung.

gramyo

Lieber Jojonas,

herzlichsten Dank für deinen wunderbaren Bericht, sagt eine traurige, aber in keinster Weise verzweifelte Frau, nachdem ihr Partner seinen "Weg ins Licht" am 23.03.13 gegangen ist, der 2 inoperable Glioblastome hatte.

Will in keinster Weise hier alles wiederholen, was wir in den 9 Monaten seiner Erkrankung erlebt haben.Nur ein paar Erfahrungen schildern, die du auch ähnlich gemacht hast.

Das Leben wurde bei uns auch um ein vielfaches intensiver. Durch eine eh schon lange, spirituelle Lebensweise konnten wir unsere glücklichen Zeiten auch sehr bewußt geniessen.

Das hieß aber nicht , dass wir nicht auch verzweifelte Momente hatten.

Gut, mit ratlosen Blicken oder auch erst mal betroffenes Schweigen hatten wir auch Erfahrung.

Gut geholfen haben uns ganzheitlich arbeitende ÄRZTE und Organisationen.

Er hat wärend seiner Erkrankung, neben Schulmedizien erst indischen, später afrikanischen Weihrauch, der effektivere in seinem Fall, Selen ,Enzyme, 4 Vitalpilze genommen, die , wie ich immer noch behaupte, ihm eine gute Lebensqualität gegeben haben.

Vegetarisches Esssen war eh schon immer unser Lebenstil.Statt Zucker Stevia, vemehrt grüner Tee.Aber wichtig, alles nur mit FREUDE MACHEN.

Ich gehe jeden Tag zu unserem "Kraftbaum" unter dem seine Urne vergraben ist, aber er ist überall, in mir und allen die in lieben und er gibt mir wirklich Kraft.

Ich freue mich für jeden, der hier über Erfolge, lange Lebenszeit und damit anderen Betroffenen Mut macht, berichtet.
,
Finde es auch sehr gut, wenn man an die richtigen Ärzte rechtzeitig kommt. Hatten wir auch, nach Anfangsschwierigkeiten, auch mit Wechsel, aber jeder hat eben "seinen Weg".

Ist mir im Moment ein sehr starkes Bedürfniss, das gerade an Glioblastompatienten mit Angehörigen zu schreiben:

jeder Mensch wird unschuldig, pflegebedürftig und hilflos geboren und so verläßt er auch wieder diesen Planeten.

Für mich ist es immer noch ein TROST, das er hier bei mir, mit meiner Pflege, BESTER palliativer Versorgung in ein "neues Leben" gehen konnte.

Ich wünsche dir von Herzen, weiterhin "Leere" im Kopf" und ein gesundes, lebensbejahendes, intensives und FRÖHLICHES Leben

Gramyo mit persönlichem Kraftbaum

Tausendfüßler

hallo jojonas
danke für die umfassende Schilderung deiner Geschichte,
es ist Musik in meinen Ohren,
selber Glio Grad IV Dez.2010
das Leben ist anders ,intensiver und wertvoller geworden ,meine Ehe hat sich erneuert,
wir haben alles durchgesprochen-damals-
Finanzen, Testament Umschuldung -ETW noch nicht abbezahlt-
mein Auto verkauft ,fahre nicht mehr,Beerdigung, Musik Blumen,
dann war es genug ,nach vorn gerichtet leben, ich schaffe es nicht,nur gelassen zu sein,aber ich werde ruhiger, ........
das Leben ist ein Wunder
danke für deinen-- allen-- Mut machenden Bericht
Good Luck
Tausendfüßler

eimac

Hallo Jojonas,

Ich will dir auch danken für deine Erfahrungen, denn ich stehe noch ganz am Anfang, Diagnose Glioblastom IV im Februar 2013.
Solche positiven Hoffnungen wird hier dem Einen oder Anderen, bin ich sicher, mit Sicherheit einen enormen Schub geben.
In einem anderen Forum habe ich gelesen, schreibt gelegentlich jemand, dem die Prognose Glioblastom 1996 ! gestellt wurde, und der wohl eine ähnliche Einstellung dazu hat und lebt.

Danke und Gruß
eimac

pietra

Hallo Jojonas - auch von mir herzlichen Dank. Ich kann Deine Worte bezüglich dem Ehe-Alltag nur bestätigen. Es ist eine intensive Verbundenheit und Harmonie entstanden, die vorher bestimmt auch schon da war, aber nicht ausgelebt wurde. Jetzt ist der Alltag ruhig, liebevoll und innig.

Wir haben ein schönes großes Segelboot, was wir wahrscheinlich verkaufen müssen, da ich es allein nicht segeln kann. Außerdem wäre es wohl zu gefährlich, meinen Mann (toller Segler und bisheriger Kapitän) an Bord zu nehmen. Falls er ins Wasser fällt, bekomme ich ihn alleine nicht mehr an Bord. Dieses Segelleben hat bisher unseren Saison-Alltag bestimmt; jetzt gehen wir ganz andere Wege, wenn überhaupt. Der Freizeit-Stress ist komplett außen vor, kleine Blümchen am Wegesrand werden gesehen und dankbar angenommen.

Ich wünsche Dir und allen anderen Forumsteilnehmer einen guten Mittwoch. Ich gehe gleich arbeiten und heute um 17.15 h zum Yoga - das ist eine schöne Auszeit, die ich empfehlen kann. Liebe Grüße Petra

Tausendfüßler

hallo einmac
wo hast du DAS gelesen,??? 1996 !!!!
schreibst du mir eine PN oder kannst du die Seite hier veröffentlichen ,es täte sicherlich vielen gut,mir in jedem Fall.

Liebe Pietra,danke ich fühle mich direkt angesprochen,weil ich als Mann eben auch diese Erfahrungen mache,bezgl der Ehe und überhaupt die Beziehung zu Menschen anders anzugehen.
Yoga ,das habe ich bisher --nach der Erkrankung--nicht gemacht,gute Anregung,mache mich schlau.
Dir viel Glück und einen schönen
allen hier
LG
Tausendfüßler

Carlos

Hallo eimac,
hallo Tausendfüßler,
ich habe am 21.3. 2013 im Forum unter dem Thema Oligoastozytom Rezdivtumor berichtet. Dabei habe ich erklärt, dass mir 1996 ein Oligoastrozytom operativ entfernt wurde. Damals wurde keine Gradeinteilung vorgenommen. Nach 17 Jahren mit positiven MRT,s wurde ich jetzt im Februar 2013 an einem Glioblastom IV operiert. Demnach hat sich die Tumarart im Laufe der Jahre verändert. Derzeit befinde ich mich am Ende der 6-wöchigen Chemo- und Strahlentherapie und ich habe alles soweit gut überstanden.
LG
Carlos

teefritz

Hallo Ihr bisher Geschriebene,
ich bin nach 5.Monats-OP erneut vor 2 Tagen aus dem 2.OP entlassen und mit demnächster Chemotherapie. Ich habe den jetzigen Text und die positiven Nachrichten gelesen, die mir mit dem Downlist nach der OP wohl getan hat.
Vor der 2.OP haben wir uns ein kleines Wohnmobil gekauft und drei Tage vor Krankenhaus-OP ein Wochenende unterwegs waren. Und haben zwei Tage an der Nordsee gelaufen, unterwegs schön essen und freie Zeit genossen. Und die bevorstehenden Ängste vor der OP ein bischen Ängste verdrängt. Die OP machte sowohl der Frau als auch mir Ängste. Insofern war es wichtig mit der Ängste weniger aktuell umgehen damit umgehen. Insofern machen gemeinsamen Unternehmungen andere Erlebnisse. Es ist mir wichtig, dass meine Krankheit Glio nicht mein Leben ausschießlich bestimmt.Wichtig ist mir dabei, dass das Leben meiner Frau Zukunft und gemeinsames Dasein nicht vom Glio überlagert wird. Solange Gemeinsames noch möglich ist, sollte es genutzen werden.

gramyo

Lieber teefritz und Frau,

wunderbar! Ich gratuliere dir zu deiner 2. OP und deinem Weiterleben.

Es stimmt, sich nicht immer durch die Krankheit beeinträchtigen lassen.
Wünsche dir, euch, noch viele schöne Urlaube, eine positiv anschlagende Chemo und ganz viel LEBENSFREUDE, wenn es irgendwie geht.

Wie Pietra so schön schrieb, man kann sich auch an Blümchen erfreuen!

Weiterhin viel Mut, Kraft und Lebensfreude
wünscht dir und deiner Frau
Gramyo mit persönlichem Kraftbaum

Duracell-Ull

Hallo, es lohnt doch, auch mal ziemlich weit in den Themen zurückzublättern!
Danke Euch allen für diese überwiegend positiven Berichte und Schilderungen - habe gerade weiter vorn einen tread verfasst und möchte diesen nicht noch mal aufwärmen, bin aber natürlich sehr an einer Vertiefung/Fortführung des Dialogs interessiert. LG "Duracell"

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