Hallo,
Ich habe mir das gerade alles durchgelesen und es hat mich sehr bewegt. All das durchzumachen während man Kinder versorgt ist sehr beeindruckend.
Meine Freundin war 30 als bei ihr letztes Jahr im Januar ein Tumor bzw. Raumforderung entdeckt wurde. Sie hatte leider sehr viel Pech. Unvorstellbar viel Pech. Gespickt mit etwas Glück. Bei der Biopsie kam es (nach dem Eingriff) zu schweren Blutungen im Gehirn. Glücklicherweise sollte noch ein zweiter Eingriff gemacht werden, um den Liquorabfluss zu ermöglichen (meine Freundin hatte wohl Hydrocephalus). Bei diesem zweiten Eingriff wurde entdeckt das Blut im Liquor ist. Und nachdem die Blutung nicht von alleine aufhörte wurde am offenen Hirn notoperiert. Es war dann schon relativ klar, dass es sich um ein Pilozytisches Astrozytom handelt, leider in einer sehr ungünstigen Lage um den Thalamusnerv herum. Die Not-OP dauerte mehrere Stunden. Wir wussten nicht was passiert, nur das irgend etwas nicht stimmt. Im Gespräch danach erklärte der Arzt uns, dass er alles versucht hat und das jetzt nur Gott wisse, ob sie wieder aufwacht. Sie wurde 14 Tage im künstlichen Koma gehalten und hat dann die Augen geöffnet. Sie konnte nicht sprechen und sie kaum bewegen, aber zeigte relativ schnell, dass sie "noch da war". Dann ging es bergab. Und sie verlor das bisschen Bewusstsein, was da war. Hirnhautentzündung. Immer wieder Hirndruckprobleme. Nervenwasser hatte zu hohen Proteingehalt von all dem Blut und hat immer wieder die externen Ableitungen verklebt. Nach 2,5 Monaten Intensivstation, kam sie auf die normale Station und ein VP-Shunt wurde gelegt - das war die zehnte Hirn Op in 4 Monaten. Dann in die Reha. Nach wie vor keine Kommunikation möglich. Wachkoma. Eine Ärztin in der Reha sagt mir: Ihre Freundin wird vollständig gelähmt bleiben und sehr sehr schwer beeinträchtigt bleiben. Nach etwa 4-6 Wochen Reha Dann das Wunder. Erst begann Sie den rechten Arm zu bewegen. Sie zeigte Kommunikationsmuster und fing an auf Papier zu kritzeln. Nach wenigen Tagen konnte Sie schreiben und recht kurz darauf auch (mit sehr hoher Kraftanstrengung) sprechen. Ich werde nie vergessen wie mir ihre Mutter das Video geschickt hat, wie sie zum ersten mal gesagt hat, dass sie mich liebt. Relativ darauf konnte auch die Tracheostomie rückgängig gemacht werden, weil sie wieder normal durch den Mund atmen konnte und keine Gefahr bestand, dass sie erstickt. Mit Hilfe konnte sie ein paar Schritte gehen und sogar Treppensteigen. Die eine Seite war zwar gelähmt aber sie konnte sie etwas ansteuern und bewegen. All das waren Wunder oder sie fühlten sich so an. Wir konnten von der Reha in ein Pflegeheim. Sie konnte normal Essen und Reden, ihr Kurzzeitgedächtnis war zwar gestört und sie hat seitdem ein Neglect, aber das waren/sind Kleinigkeiten im Vergleich zu dem Ausblick, den man nach 5 Monaten Wachkoma erwartet hatte.
Meine Freundin hat sich dann wirklich toll erholt und es war brutal. Keine Aussicht auf ein normales Leben. Lebenslang 24/7 Betreuung. Aber es war trotzdem Wahnsinn. Zu einem Zeitpunkt konnte sie sogar 3 Schritte ohne Gehstock gehen. Es sah wirklich gut aus. Dann kam die Nachkontrolle und es stellte sich raus das der Tumor nicht so ganz das war was sie dachten. Ich habe es immer noch nicht ganz verstanden, aber seit Januar dieses Jahres sprechen alle von einem Glioblastom. Es wurde dann ganz schnell mit der Strahlung begonnen und jetzt Anfang September beginnt der letzte Zyklus Temodal. In der Zwischenzeit (das war so im April) kam es zu weiteren Komplikationen. Es hatte sich eine Zyste gebildet die sich immer wieder mit Liquor gefüllt hatte. Wir dachten bis dahin dass sich ihr Zustand durch die Bestrahlung und vielleicht den Tumor verschlechtert hatte, aber scheinbar lag es an dieser Zyste. In einer OP (Nummer 11) wurde die gelehrt und ein Reservoir eingesetzt mit dem man die Zyste von aussen entleeren kann. für was sich anfühlte wie ein Wimpernschlag war sie wieder so fit wie zu den besten Zeiten. Wie selbstverständlich richtete sie sich im Bett auf und setzte sich in den Schneidersitz und die Stimme war wieder ganz anders und sie war fit und wach.Und dann war es wieder vorbei. Die Zyste füllte sich in zwei Wochen wieder und sie wurde erneu entleert und dann irgendwann waren wir 2 mal die Woche zum entleeren da und die Ärzte waren bereit eher riskante Verfahren zu verwenden. Ich hab dann gefragt, ob man nicht einfach mal Cortison geben wolle und das hat dann tatsächlich etwas gebracht (vermutlich weil es das allg. Ödem der Bestrahlung verkleinert hat und dadurch der Hirndruck wieder normaler wurde).
Ihr Zustand jetzt hat sich in der Hinsicht gebessert, dass wir fast 6 Wochen nicht punktieren mussten, aber gleichzeitig verschlechtern sich auch einige Sachen. Es ist alles wahnsinnig diffus. Eventuell ist dort eine zweite Zyste, die man nochmal operieren könnte, eventuell ist es aber auch nur der Tumor der Zerstört. Das letzte MRT zeigt nur ein schwaches Wachstum und das allg. Ödem war auch zurückgegangen. Wir waren Dienstag beim Punktieren und der Arzt meinte er würde jetzt erstmal nicht operieren an unserer Stelle und er vermutet eher dass es der Tumor ist. Es ist gemein, dass man an mehreren fronten diese Ungewissheit hat. Auf der einen Seite die schwere Hirnschädigung durch die Blutung, dann die Hirndruckproblematik durch die Zysten und dann der Tumor der sicherlich auch zu Verschlechterungen führt.
Ich versuche mich darauf zu konzentrieren, dass wir an einigen Stellen in dieser sehr unglücklichen Geschichte, sehr viel Glück hatten. Es klingt wahnsinnig grausam, aber ich hoffe, dass es einigen Menschen helfen kann:
Ich habe meine Freundin verloren. Als die Prognosen der Ärzte kamen, dass sie nie wieder aufwachen würde, das ist nicht viel anders als wenn jemand stirbt. Vielleicht schlimmer, vielleicht weniger schlimm, weil da diese Resthoffnung ist. Was ich aber sagen kann ist, dass man das irgendwann akzeptiert. Man akzeptiert den Verlust und dann irgendwann geht es einem besser. Es war verrückt, dass meine Freundin zurückgekommen ist, als ich an dem Punkt war. Als ich quasi aufgegeben habe. Und das zeigt etwas anderes: Wunder existieren. Es ist alles möglich. Bis zu dem Tag wo man akzeptieren muss, lohnt es sich an Wunder zu glauben und zu hoffen.
Ich kann in einer Sache natürlich nicht mitfühlen, ich weiss nicht wie es ist, seinen Partner zu trösten oder dessen Trauer zu erleben. Meine Freundin weiss nicht womit sie es zu tun hat. Es bringt auch nicht so viel es ihr zu erklären ihr Gehirn geht zu der Wahrheit zurück die angenehm ist. Es gab glaube ich ein Fenster in dem es ihr neurologisch so gut ging, dass sie es begriffen hatte, aber im Moment ist das leider nicht so. Wir haben uns aber entschieden es dabei zu belassen. Vielleicht ist es auch ein Geschenk nicht mit dieser Angst leben zu müssen.
Eigentlich wollte ich mich nur hier anmelden, um mich über Studien zu informieren, da jetzt ja die normale Behandlung bald beendet ist und nun habe ich doch mein Herz ausgeschüttet. Ich hoffe meine Geschichte hilft vielleicht auch für die ganz kleinen Dinge dankbar zu sein. Für mich ist es leider nach wie vor eine emotionale Tortur das alles aufzuschreiben, aber ich denke es hilft auch mir! Ich wünsche euch allen viel Kraft und Mut und Hoffnung.